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Polens Präsident Andrzej Duda gratuliert der neuen Ministerpräsidentin Beata Szydlo.

© AFP

Nationalkonservative Regierung: Polnische Provokation

Polens neue nationalkonservative Regierung ist vereidigt worden. Sie beginnt ihre Arbeit in einem beunruhigend antieuropäischen Geist. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Ist es Dilettantismus oder Absicht? Polen macht es seinen Freunden in Europa schwer, guten Willen zu bewahren. Die Wahlsieger von der nationalpopulistischen PiS (Recht und Gerechtigkeit) wussten, dass sie bei der Kabinettsbildung unter verschärfter Beobachtung stehen. Vor einem Jahrzehnt, während ihrer ersten Regierung von 2005 bis 2007 unter den Zwillingen Lech und Jaroslaw Kaczynski, waren sie schwierige Partner für Deutschland und die EU.

Wer gehofft hatte, dass die um eine Generation jüngeren Führungspersonen von heute – der neue Präsident Andrzej Duda und die am Montag vereidigte Regierungschefin Beata Szydlo – daraus gelernt haben, sieht sich enttäuscht. Ihr Handeln wirkt, als legten sie es im Rausch ihrer absoluten Parlamentsmehrheit darauf an, ihre EU-Partner vor den Kopf zu stoßen. Oder als fehle ihnen der Mumm, sich mit „Präses“ Jaroslaw Kaczynski, der grauen Eminenz der Partei, anzulegen. Wann, wenn nicht jetzt, gestützt auf ihren eindrucksvollen Wahlsieg?

Die Nachrichten der vergangenen Tage aus Polen wirken wie eine fortgesetzte Provokation. Die neue Regierung besteht aus ganz viel alter Garde, die sich gleich daran macht, lauter schlechte Erinnerungen zu wecken. Antoni Macierewicz, der schon mehrfach mit kruden antisemitischen und antikommunistischen Thesen von sich reden machte, wurde als Verteidigungsminister aufgestellt. Und zeigt prompt, dass er sich für Regierungsämter nicht eignet. Erneut zitiert er die „Protokolle der Weisen von Zion“ – eine plumpe Fälschung von Antisemiten – als angeblich seriöse und hoch interessante Erklärung der Weltlage. In anderen Ländern wäre er damit diskreditiert. In Warschau wurde er am Montag dennoch vereidigt.

Am Sonntag kündigte der designierte Kultusminister Piotr Glinski an, dass die Regierung die Kontrolle über wichtige Medien anstrebe. Ausländische Verlage, die den Zeitungsmarkt dominieren – und in der Praxis parteipolitisch unabhängiger agieren als polnische Verleger es täten – will er zurückdrängen. Und die öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Radiosender offenbar zu Propaganda-Instrumenten machen. Glinskis Vorschläge zur neuen Führungsstruktur sollen direktes Durchgreifen erleichtern. Und was meint er mit der Forderung, sie müssten „wirklich staatlich“ werden und „eine Mission“ verfolgen?

Ebenfalls am Wochenende kassierte der künftige Europaminister Konrad Szymanski Polens Zusagen bei der Verteilung von Flüchtlingen. Angesichts des Terrors in Paris sei es zu gefährlich, sie zu erfüllen. Die bisherige Regierung unter Premierministerin Ewa Kopacz von der liberalen Bürgerplattform (PO) hatte versprochen, 6500 Flüchtlinge aufzunehmen.

Auch im Außenministerium wurde die Chance auf Vertrauensbildung durch Nominierung eines proeuropäischen Vertreters der nächsten Generation vertan. Witold Waszczykowski, ein Veteran aus der ersten PiS-Regierung, sagt, in der Politik gegenüber Deutschland seien Korrekturen nötig.

Entweder hat die neue Mannschaft in Warschau keine außenpolitischen Berater, die sie vor Peinlichkeiten bewahren. Oder sie haben offenkundig nichts zu sagen.

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