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Yvonne Catterfeld singt am Kirchentag vor dem Brandenburger Tor.

© Sophia Kembowski/dpa

Nach Kirchentag in Berlin: Moderne Kirche: Anhimmelei hilft nicht

Der Kirchentag hat gezeigt, was Kirche heute noch sein kann. Sie muss moderner in der Hinwendung zu den Menschen werden, ob im Gottesdienst, in der Musik oder im Angebot an Begleitung.

Fromm, was heißt das heute noch? Fromm – wie viele denken dabei gleich an Frömmelei, oder an träumerische Hingabe, Flucht vor der Wirklichkeit. Ob die Tausende, die hier zum Kirchentag waren, sich vor dem Hintergrund – nennen wir ihn einen gesellschaftlichen – als fromm bezeichnen würden? Gott bewahre.

Dabei passt das Wort im Lutherjahr, im Reformationsjahr so gut wie kein zweites. Im Glauben nicht nur ruhend, sondern aktiv aus ihm heraus, in Ehrfurcht vor der Vielfalt der Welt und dabei die Verbindung suchend zwischen transzendenter und täglicher Wirklichkeit – diese Frömmigkeit könnte Zukunft haben.

Zumal Luther darin ein ethisches Verhaltensmoment sah und das Wort fromm auch so benutzte. Ethisch im Sinne von rechtschaffen, auch von tüchtig, weniger im alten Sinn von nützlich. Obwohl es durchaus von Nutzen für den Einzelnen wie für die Vielen sein kann, dem Guten klug zu dienen.

Und wie geht das, dieses Dienen? Der Kirchentag hat sich nach Kräften bemüht. Mögen es weniger Menschen gewesen sein als erhofft, mag die Zahl derer, die angezogen werden von dem, was mehr als ein Event mit buntem Tuch ist, von Mal zu Mal sinken und das ausgerechnet heutzutage, da es andersherum umso nötiger wäre – tröstlich ist, dass sich daraus keine Tristesse und kein Missmut entwickelt haben. Sondern dass sich vielmehr in den Diskussionen, in denen es um Kirche und Welt ging, auch Demut zu spüren, ja sogar zu hören war.

Warum noch Kirche?

Demut – noch so ein verblasster Mythos und ein nahezu versunkener Begriff. Es kann sein, dass eben gerade jetzt, in der Auseinandersetzung mit dem Religiösen überall und mit Fanatismus zumal, die kritische Selbstvergewisserung einen Anstoß erhalten hat. Mehr noch: einen Schub. Den kann sie vertragen. Vor sich und den anderen zu begründen, warum noch Kirche, kann nämlich den innerkirchlichen Wandel beschleunigen.

Kirche, evangelisch, katholisch, gleichviel, ist doch von aller Welt umgeben. Soll sie sich auch nicht dem Zeitgeist hingeben, die Zeichen der Zeit muss sie erkennen. Das schrieb ja schon Matthäus. Die Zeichen der Zeit: Rasante Veränderungen erfordern eine Öffnung. Das heißt nicht, jede Fasson zu verlieren, dominant in der Beliebigkeit zu werden. Sondern moderner in der Hinwendung zu den Menschen, ob im Gottesdienst, in der Musik oder im Angebot an Begleitung. Die Kirche, die sich wie die evangelische viel auf ihre Intellektualität zugutehält, muss relevant sein. Anhimmelei hilft nicht. Ansonsten wirkt sie nur wie der Anbieter von sozialen Diensten, für die sie – so sagen doch die Kritiker ihr immer wieder – auch noch bezahlt wird.

Was zum Vorwurf führt, „Staatskirche“ zu sein. Umgekehrt wird daraus eine wohlverstandene Herausforderung. Millionen vom Staat für den Kirchentag beispielsweise sind dann gut angelegt, wenn sie rechtschaffen und tüchtig eingebracht werden: in Orientierung, die beim Mitgestalten hilft. Darum war das gelebte Dialoggebot, das Gespräch mit der AfD, Höhepunkt des Kirchentages und alternativlos richtig. Wer diese Zusammensetzung als Auseinandersetzung nicht sucht, der erleidet weiteren Bedeutungsverlust. Wer Angst davor hat, dass man sich von ihm distanziert, verliert sich selbst.

In dem Sinne ist prägendes Tun aus dem Geprägtsein durch den Glauben mehr als ein frommer Wunsch.

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