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Ein afghanischer Polizist an der Grenze zu Pakistan.

© AFP

Nach IS-Anschlag mit mehr als 80 Toten: Pakistans Kampfansage

Bei dem Anschlag des IS auf einen Sufi-Schrein sterben mindestens 80 Menschen. Die Regierung in Islamabad macht Afghanistan für den verheerenden Angriff mitverantwortlich

Zum Tagesanbruch schlagen die Trommeln wieder, die Gläubigen strömen zum Lal-Shahbaz-Qalandar-Schrein in Pakistan. Einige Stunden später passiert es: Im Innenhof sprengt sich ein Selbstmordattentäter des „Islamischen Staates“ inmitten der Gläubigen in die Luft. Mindestens 80 Menschen sterben am Donnerstag, mehr als 200 werden verletzt – ein Großteil der Opfer sind Frauen und Kinder.

Am Freitag begann Pakistan dann mit landesweiten Anti-Terror-Razzien, bei denen mindestens 44 Menschen getötet wurden. Gleichzeitig schloss das Land die Grenze zu Afghanistan und gab dem Nachbarland die Schuld an den Terrorangriffen der vergangenen Tage.

„Jeder Tropfen des Blutes unserer Nation soll gerächt werden, und zwar sofort. Es gibt keine Zurückhaltung mehr“, erklärte Pakistans mächtiger Armeechef Qamar Javed Bajwa, der den Posten seit November 2016 inne hat. Außerdem bestellte das Militär afghanische Diplomaten in der Hauptstadt Islamabad ein, um die Auslieferung von 76 Terroristen zu verlangen, die das Land angeblich beherbergt.

Das Verhältnis zwischen beiden Staaten ist auf einem neuen Tiefpunkt angelangt. Pakistan hat in den vergangenen sechs Monaten fast 600000 afghanische Flüchtlinge ausgewiesen, aus Sicherheitsgründen wie es heißt. Doch das vom Krieg heimgesuchte Afghanistan ist nicht in der Lage, die Zurückgeschickten zu versorgen, die zum Teil mehr als 30 Jahre in Pakistan gelebt und dort gearbeitet haben.

„Versammlung der Freien“

Die Regierung in Kabul ihrerseits macht Pakistan seit Jahren für Attentate in ihrem Land verantwortlich und wirft Islamabad vor, die Taliban zu unterstützen, um so indirekt Kontrolle über Afghanistan zu haben. Pakistans Retourkutsche, Afghanistan beherberge jene Terroristen, die in Pakistan Schaden anrichten, ist nun als offener Affront gegen den Nachbarn zu verstehen. Immerhin konnte sich Al-Qaida-Chef Osama bin Laden jahrelang in Pakistan aufhalten – nachdem er 2002 aus Afghanistan geflohen war.

Der Anschlag auf den Sufi-Schrein in Sehwan – das Grabmal eines Heiligen aus dem 13. Jahrhundert – ist der schwerste in einer Reihe von Terrorattacken der vergangenen fünf Tage in Pakistan. Die meisten gehen auf das Konto der radikalen Taliban-Splittergruppe Jamaat-ul-Ahrar („Versammlung der Freien“), die die pakistanischen Taliban wieder geeint haben soll. Die pakistanischen Taliban waren Anfang 2014 nach einem Führungsstreit in zahlreiche Splittergruppen zerfallen. Ein Teil der Kommandeure bekannten sich später zum „Islamischen Staat“. Die Zerstrittenheit der pakistanischen Taliban hatte zwei Jahre lang die Sicherheitslage im Land deutlich verbessert. Der Angriff auf das Heiligtum könnte nun der Beginn einer neuen Terrorwelle sein.

Gemeinsames Beten von Männer und Frauen Ziel der Terroristen

Sufi-Schreine, die in der Tradition eines mystischen Islams stehen, waren schon in der Vergangenheit Ziel von Attentätern. Im November 2016 starben bei einem Anschlag auf den 500 Jahre alten Shah Noorani-Schrein in Pakistan mehr 50 Menschen. Auch für diese Tat übernahm der IS die Verantwortung. Nach Auffassung der sunnitischen Fanatiker ist die in Südasien weit verbreitete Sufi-Tradition mit Musik und Tanz als Bestandteil der religiösen Praxis ketzerisch. Auch die Tatsache, dass Frauen und Männer gemeinsam beten – und nicht wie in arabischen Ländern getrennte Gebetsräume haben – ist den Islamisten ein Dorn im Auge.

Schrein-Besucher beschuldigen aber auch Islamabad, sich nicht genug um die Sicherheit des bei Pilgern beliebten Grabmals gekümmert zu haben. Das Heiligtum in der Sindh-Provinz liegt zudem weit ab von größeren Städten mit Krankenhäusern und medizinischer Notversorgung. Ambulanzfahrzeuge mussten die Verletzten daher auf schlechten Straßen über hundert Kilometer weit transportieren.

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