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„Nein zu Flüchtlingen.“ Eine Polin tritt bei einer rechtsnationalen Demonstration in Danzig eine EU-Fahne mit Füßen.

© REUTERS

Nach dem Rechtsruck bei den Wahlen: Polen – das neue Ungarn

Die gerade gewählte Rechtsregierung säubert mit hohem Tempo die Schaltstellen der Macht. Verfassungsrichter und Geheimdienstchefs werden gefeuert.

Beata Szydlo kostet das Scheinwerferlicht aus. Was Polens neue Regierungschefin von der Rechtspartei PiS in einer ihrer ersten Regierungspressekonferenzen zu berichten hat, markiert eine neue Volte Warschaus: „Die Situation hat sich nach den Anschlägen in Paris geändert, deshalb sind wir nicht bereit, die vorgeschlagene Zahl der Flüchtlinge aufzunehmen.“ Genau dasselbe hatte noch vor seiner Vereidigung Szydlos Europaminister Konrad Szymanski behauptet, doch damals pfiff Außenminister Witold Waszczykowski seinen Parteikollegen noch zurück. „Ich sage dies mit Schmerz, aber Polen ist leider an internationale Verträge gebunden“, erklärte er.

Szydlo hat zu diesem Thema nun ihre eigene Version vorgestellt. „Natürlich sind wir ein EU-Mitglied, aber das bedeutet nicht, dass wir die anderen überzeugen werden, ihren alten Standpunkt aufzugeben“, sagte sie. Kaum machte die Nachricht die Runde, landete auch schon das erste Flugzeug mit über Hundert Ukrainern polnischer Abstammung aus Mariupol und andern Städten des umkämpften Donbass auf dem polnischen Militärflughafen von Malbork. „Willkommen zu Hause im Vaterland – wir freuen uns, dass ihr bei uns seid!“, grüßte die angereiste Regierungschefin. „Wir wollen polnische Heimkehrer statt muslimische Flüchtlinge“, hatten erst am Wochenende wieder Fußballfans skandiert.

Die neue rechte Regierung legt ein hohes Tempo vor. Dies zeigen die ersten Personalentscheidungen. Jaroslaw Kaczynskis Partei PiS hatte vor drei Wochen bei einem Erdrutschsieg die absolute Mehrheit im Parlament erobert. Ruckartige Entscheidungen seien keine zu erwarten, hatte die PiS in der Wahlnacht beschwichtigt, Rache schon gar nicht. Genau dies ist indes bereits in der ersten Woche der neuen Regierung geschehen.

Medien deutscher Verlage sollen verstaatlicht werden

Erklärtes Vorbild der PiS ist Viktor Orbans Ungarn. Dabei sind Kaczynskis Parteigänger in Polen noch um einiges schneller, als Orbans Partei Fidesz es damals war. Noch in der ersten Nacht nach der Regierungsübernahme – in Paris war es gerade zu den Anschlägen gekommen – wurden sämtliche bisherigen vier Geheimdienstchefs mit sofortiger Wirkung entlassen und durch enge Vertraute des neuen Verteidigungsministers Antoni Macierewicz ersetzt. Drei von ihnen teilen Kaczynskis und Macierewiczs These von einem russischen Anschlag auf die polnische Präsidentenmaschine im April 2010 bei Smolensk. Die Staatsanwaltschaft geht von einem Pilotenfehler und Unterlassungen des russischen Towerpersonals aus.

Nur zwei Tage später nahm das von der PiS dominierte Parlament ein Gesetz an, das die Berufung von fünf Verfassungsrichtern rückgängig macht. Sie waren von der liberalen Vorgängerregierung gewählt worden, sollen nun aber offensichtlich durch PiS-treue Richter ersetzt werden. Kritiker sprechen von einem Angriff auf die Unabhängigkeit der Justiz. Auch die EU hat protestiert. Doch die EU-Kritik dürfte an Szydlo und Kaczynski genauso abprallen wie vorher an Orban. Stattdessen ist EU-Skepsis auch in Polen wieder hoch im Kurs. „Polen kommt nun wieder zuerst“, wird die PiS nicht müde zu betonen.

An demselben Tag ging die Regierung daran, ein anderes Wahlversprechen einzulösen. Um die Macht ausländischer Medienkonzerne – vor allem aus Deutschland und der Schweiz – in Polen zu brechen, werde eine Verstaatlichungswelle im Mediensektor geprüft, kündigte Vizepremier Piotr Glinski an. Zudem sollen Staatsradio und Staatsfernsehen von regierungsfeindlichen Elementen gesäubert werden. Der in erster Instanz wegen Amtsmissbrauchs zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilte Oberste Korruptionsjäger der ersten Kaczynski-Regierung (2005-2007) hat nach dem Wahlsieg der PiS nichts mehr zu befürchten. Nach einer umstrittenen Begnadigung durch Staatspräsident Duda wurde er von Szydlo zum neuen Geheimdienstkoordinator ernannt. Damit befinden sich zehn Tage nach Amtsantritt fast alle wichtigen Schalthebel in den Händen der neuen Regierung. Es fehlt nur noch die Notenbank.

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