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Andrea Nahles wurde am Donnerstag von Bundespräsident Steinmeier und Kanzlerin Merkel aus ihrem Regierungsamt entlassen.

© imago/Metodi Popow

Nach dem "Fresse"-Satz von Nahles: PR-Berater Kocks: "Es war ein verunglückter Witz"

PR-Berater Klaus Kocks, seit 40 Jahren SPD-Mitglied, bezeichnet die "Fresse"-Äußerung von Andrea Nahles als ein Desaster für die Politikerin.

Herr Kocks, Andrea Nahles schaffte es gleich an ihrem ersten Tag als Chefin der SPD-Bundestagsfraktion mit einer Aussage bis in die Schlagzeilen der Boulevardmedien. Auf ihre Kabinettskollegen von der Union bezogen sagte sie: „Ab morgen kriegen sie in die Fresse.“ Wie finden Sie als Imageberater ihren Einstieg ins neue Amt?

Ein Desaster! Ein Ausrutscher, der den Äußerungen entspricht, die wir auch von Herrn Gauland hören ...

... der sagte, man müsse Merkel jagen ...

... eigentlich meinte Gauland jagen und erlegen.

Der große Unterschied zwischen beiden Aussagen ist: Andrea Nahles wollte nur scherzen. Sagt sie.

Es war ein versuchter, ein verunglückter Witz. Aber Psychologen wissen, dass jeder verunglückte Witz tiefste Einblicke in die Persönlichkeitsstruktur erlaubt. Es gab ja immer mal wieder nicht gesellschaftsfähige Äußerungen in der Politik, wie von Herbert Wehner. Die sind so lange nicht schlimm, wie sie der guten Laune und dem Alkohol geschuldet sind. Problematisch wird es, wenn das Publikum den Eindruck hat: Das ist typisch.

Andrea Nahles hat in den vergangenen vier Jahren als Ministerin ihr Image stark verändert: von der oft krawalligen Parteilinken zur staatstragenden Ministerin. Wie sehr kann ein einziger Satz dieses Image beschädigen?

Den Imagewandel hat es doch nur an der Oberfläche gegeben. Andrea Nahles hat versucht, die seriöse Fachministerin zu geben. Dazu hat sie ihren Schneider gewechselt. Nach dieser Äußerung hat das Publikum den Eindruck, wieder ihr wahres Gesicht gesehen zu haben. Der Satz steht in einer Serie ähnlicher Aussagen. Frau Nahles ist einfach gewirkt.

Im Wahlkampf wurde immer wieder kritisiert, dass Schulz zu pfleglich mit Merkel umgehe. Platzierte Nahles diese Kampfansage nicht vielleicht doch absichtlich?

Nein, nein.

Vielleicht kommt der Satz bei der SPD-Basis besser an als bei Ihnen.

Ich bin seit 40 Jahren Mitglied der Partei, ich weiß, das wollen die nicht. Gerade einfache Leute haben große Erwartungen daran, dass sich die Politiker, die sie wählen, anständig benehmen. Für den Parlamentarismus gelten die Regeln von fairem Sport, und das hier ist der Jargon von Vorstadtschlägern.

Wenn man die Wortwahl vergleicht, mal abgesehen von den Personen, die sie verwendet haben – was ist krasser: jagen oder „in die Fresse“ geben?

Das ist beides Gossensprache, die noch egal wäre, wenn wir über einen Fußballclub reden würden. Doch wir reden über das Parlament, und das in einer Zeit, in der der Parlamentarismus angegriffen wird. Bei Gauland hat die Ausdrucksweise die Funktion, das Parlament herabzuwürdigen: „die Quasselbude“ düpieren. Der Einzige, der so überhaupt nicht reden darf, ist der Fraktionsvorsitzende der SPD. Dem darf das nicht passieren, aber es ist passiert.

Was, glauben Sie, wird Nahles’ Imageberater ihr jetzt raten – wenn sie einen hat?

Tu es nie wieder! Das Hauptproblem ist, dass jetzt alle hingucken, ob wieder so ein Ding kommt. Der gefallenen Jungfrau zu sagen, tu es nie wieder, hilft nicht.

Das Interview führte Barbara Nolte.

Klaus Kocks, 65, zählt zu Deutschlands bekanntesten PR-Beratern für Wirtschaft und Politik. Er führt die Agentur Cato. Außerdem ist er Honorarprofessor in Osnabrück und SPD-Mitglied.

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