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Vielleicht haben Berliner ihre Sprache einfach aus dem Italien-Urlaub mitgebracht.

© imago/Gerhard Leber

MonBerlin: Dalli dalli, capito?

Die Berliner bringen sich Mozzarella und Melonen aus dem Urlaub mit. Und ihre Sprache schmückt sich mit Wörtern aus dem Süden - herrlich. Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Pascale Hugues

Kürzlich schnappte ich folgenden Dialog auf der Straße auf: „Finito!“, sagte der eine. „Picobello!“ lobte daraufhin der andere. Und dann sangen beide im Chor: „Ciaoui!“

Nein, ich stand nicht in einer neapolitanischen Gasse. Die Szene spielte sich unter meinem Fenster ab, im tiefsten Berlin. Nicht zwei Italiener haben da gestaunt und sich gegenseitig beglückwünscht, sondern zwei waschechte Berliner, die eine Lieferung Mineralwasserkästen abwickelten. All die „i“ und „o“ brachten einen gewissen Schwung in die Chose, ein munteres Gebimmel in eine banale vormittägliche Beschäftigung. Die Berliner bringen sich Mozzarella und Melonen aus dem Urlaub mit. Und auch ihre Sprache schmückt sich mit Wörtern aus dem Süden. Mit geschlossenen Augen könnte man sich wie in Neapel fühlen.
Oft frage ich mich, warum wir den Tic haben, unsere Muttersprache zu deformieren, ihr Melodien und Rhythmen aufzudrängen, die ihr nicht entsprechen. Durch die Übersetzung ins Hochdeutsche würde der Dialog ganz sicher seinen Reiz verlieren:
– Ich bin fertig!, – Gut gemacht!,– Tschüss!

Alles paletti ist doch viel charmanter als Alles in Butter

Seit ein paar Wochen sammle ich diese mit exotischen Vokalen verkleideten Wörter. Hören Sie nur: Klaro, capito, fix und foxi, tschüssikowski. Ein bisschen Italienisch, ein bisschen Amerikanisch und sogar ein Hauch Russisch, und schon ist die Sprache Goethes nicht mehr wiederzuerkennen. Alles paletti ist doch viel charmanter als das profane: Alles in Butter! Und das nach japanischem Kaiser klingenden futschikato lässt das plattere ist weg gleich viel geheimnisvoller klingen. Man sieht den Magier und seinen Zylinder vor sich. Drei Handbewegungen und futschikato! Kaninchen verschwunden.

Wer die Wörter so verändert, erinnert mich an diese Langweiler mit Anzug, Krawatte, beigem Teint und mürrischem Blick, die extravagante Designerbrillen tragen. Mitten in diesem Gesicht mit seiner schwachen Ausstrahlung überrascht eine Brille mit knallrotem Rahmen oder Strassverzierung. Übersetzt heißt das: Ich weiß, dass ich nicht besonders sexy bin, und weil ich nun mal nicht aus meiner Haut kann, setze ich mir eine spektakuläre Brille auf. Und so ist es auch mit den Alltagswörtern.

Tschüssikowski schenkt uns einen Abstecher ins ferne Russland

Diese etwas albernen, etwas biederen Wörter haben das Verdienst, dass sie den öden Strom der Sätze umleiten. Eine kleine Endsilbe, und schon kann die Weltreise losgehen. Tschüssikowski schenkt uns einen Abstecher ins ferne Russland. Supi ist eine Heimkehr ins Land der Kindheit. Das spitze „i“ verzehnfacht die Begeisterung. So viel überzeugender als das pompöse großartig der Erwachsenen. Wie schrill ein Satz mit einem Mal klingt, wenn Zickizacki und Ruckizucki herausstechen.

Vor ein paar Tagen habe ich im Radio gehört, dass der neue Duden großzügig klaro, capito (lateinisch-italienischen Ursprungs. Das hat doch was!) und alles paletti akzeptiert hat (Herkunft unklar, manche tippen auf hebräische Wurzeln. Dort gibt es anscheinend eine Wurzel „plt“, die „retten, in Sicherheit bringen“ bedeutet.) Nur dalli dalli hat lange gebraucht, um die Tempelpforte der deutschen Sprache zu überqueren. Wie ungerecht: Wenn Sie ein trödelndes Kind mit dalli dalli antreiben wollen, ist das wesentlich effektiver als das strenge Beeil dich!
Aber daraus sollte man nicht schließen, dass der Duden engstirnig ist. Dieses Jahr hat er futschikato aufgenommen. Chapeau!

Übersetzt aus dem Französischen von Elisabeth Thielicke

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