zum Hauptinhalt
Nord-Stream-Manager Matthias Warnig, Altkanzler Gerhard Schröder und der damalige Putin-Vize Igor Sechin 2010 in St. Petersburg im vertrauten Gespräch mit dem damaligen Präsidenten Medwedew.

© imago/ITAR-TASS

Mögliches Engagement von Altkanzler Schröder: Welche Rolle Rosneft im russischen Machtgefüge spielt

Altkanzler Schröder wird wohl Aufsichtsrat des russischen Energieriesen Rosneft - vielleicht sogar dessen Vorsitzender. Wer führt den Konzern und was hat ihn groß gemacht?

Die drei Männer, die sich bei einem Wirtschaftsforum in St. Petersburg begegnen, verstehen sich offenbar blendend. Die beiden Deutschen und der Russe lachen so ausgelassen wie alte Freunde. Das Foto, das die drei gemeinsam zeigt, ist mittlerweile schon sieben Jahre alt – doch künftig werden sie sich mehrmals im Jahr treffen: Altbundeskanzler Gerhard Schröder soll Ende September in den Aufsichtsrat des Ölkonzerns Rosneft aufgenommen werden. Der Rosneft-Vorstandsvorsitzende Igor Setschin und der Geschäftsführer von Nord Stream 2, Matthias Warnig, sind dort ebenfalls vertreten.

Rosneft wird mehrheitlich vom russischen Staat kontrolliert. Deshalb war es Regierungschef Dmitri Medwedew, der die Personalie Schröder offiziell verkünden ließ. Für Schröders Partei, die SPD, platzte die Ankündigung mitten in den Wahlkampf. An diesem Mittwoch tritt er mit dem SPD-Bundestagsabgeordneten Lars Klingbeil in Rotenburg (Wümme) auf. Russische Medien berichteten, dass Schröder, der persönlich eng mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin befreundet ist, mit dem Einzug in den Aufsichtsrat von Rosneft auch dessen Vorsitzender werden könnte.

Wer führt das Unternehmen Rosneft?

Igor Setschin an der Spitze des Ölkonzerns gilt als einer der einflussreichsten Männer Russlands. Diese Machtposition verdankt der 57-Jährige seiner absoluten Loyalität zu Putin. Bereits Anfang der 90er Jahre arbeitete er in der Petersburger Stadtverwaltung für Putin. Als dieser Staatspräsident wurde, machte er Setschin zum stellvertretenden Chef der Präsidialverwaltung und zu seinem Büroleiter. „Etwa in der Mitte von Putins zweiter Amtszeit wurde klar, dass man den Sekretär des Präsidenten beträchtlich unterschätzt hatte“, schreibt der russische Journalist Michail Sygar in seinem Buch „Endspiel“, in dem er das System Putin analysiert.

Setschin habe beim Geheimdienst FSB beträchtliches Ansehen genossen: „Er verstand es, mehrere unerwartete Personalentscheidungen durchzusetzen, und formierte auf diese Weise um sich herum eine inoffizielle Gruppe alter Freunde des Präsidenten aus dessen Dienstzeit beim KGB und aus dessen Jugend in Leningrad.“ Bald wurden sie als „Silowiki“ bekannt und standen in erbitterter Rivalität zu den „Liberalen“ im Moskauer Machtzentrum. 2004 wurde Setschin Aufsichtsratschef bei Rosneft. Als Putin 2012 nach vierjähriger Pause in den Kreml zurückkehrte, wechselte Setschin an die Spitze des Rosneft-Vorstands.

Was hat den Konzern groß gemacht?

Rosneft wäre heute nicht einer der größten Konzerne Russlands, wenn nicht dessen wichtigster Konkurrent Yukos zerschlagen worden wäre. Der frühere Yukos-Chef Michail Chodorkowski ist überzeugt, dass Setschin die treibende Kraft beim Vorgehen der russischen Behörden gegen ihn und seine Firma war. Chodorkowski wurde 2003 verhaftet und kam nach international kritisierten Prozessen für zehn Jahre ins Gefängnis. Als im Dezember 2004 das Herzstück von Yukos zwangsversteigert wurde, erhielt eine Firma den Zuschlag, von der niemand je zuvor gehört hatte. Drei Tage später übernahm Rosneft die Briefkastenfirma und verleibte sich damit die Ölfelder des Ex- Konkurrenten zum Schleuderpreis ein. Damit begann der eigentliche Aufstieg des Ölkonzerns.

Welche Rolle spielt Rosneft heute?

Ähnlich wie Gazprom wird Rosneft vom Kreml auch politisch eingesetzt. In Venezuela vereinbarte Setschin Kooperationen bei der Ölförderung – mit dem Nebeneffekt, dass Rosnefts Vorschusszahlungen in Milliardenhöhe das schwer angeschlagene Regime von Nicolas Maduro stützen.

Wie mächtig Rosneft in Russland ist, zeigte die spektakuläre Festnahme des Wirtschaftsministers Alexej Uljukajew im November 2016. Ihm wird vorgeworfen, zwei Millionen Dollar von Rosneft gefordert zu haben, damit er die Übernahme einer Ölfirma erlaubt, die er skeptisch sah. In Moskau gibt es massive Zweifel an der offiziellen Darstellung. Uljukajew erhob vor Gericht schwere Vorwürfe gegen Setschin: Der Rosneft-Chef habe ihn in eine Falle gelockt und ihn unter einem Vorwand in die Firmenzentrale bestellt, wo ihm ein Koffer voller Geld überreicht worden sei. In dem Moment wurde er vom FSB festgenommen.

Welche Folgen hatte das russische Vorgehen in der Ukraine?

Nach Russlands Intervention in der Ukraine und der Annexion der Krim 2014 setzten die USA und die EU Rosneft auf ihre Sanktionsliste. Damit wurde dem Konzern der Zugang zu westlichen Kapitalmärkten weitgehend versperrt – was Rosneft neben fallendem Ölpreis und angehäuften Schulden empfindlich traf. Auch Setschin selbst steht auf der Sanktionsliste, weil er dem inneren Zirkel um Putin zugerechnet wird. Er darf nicht in die USA reisen, Personen und Firmen in den USA dürfen mit ihm oder Rosneft keine Geschäfte machen. So soll der US-Konzern ExxonMobil zwei Millionen Dollar Strafe zahlen, weil er 2014 mehrere Verträge mit Rosneft schloss, die Setschin unterzeichnete. Exxon geht dagegen juristisch vor.

Wer sitzt noch im Aufsichtsrat von Rosneft?

Im Direktorenrat von Rosneft sind auch die kleineren Anteilseigner vertreten: der Ölkonzern BP, der Schweizer Rohstoffhändler Glencore und der Staatsfonds des Emirats Katar. Putins Wirtschaftsberater Andrej Belousow leitet den Aufsichtsrat. Schröder wird in der Runde nicht der einzige Deutsche sein: Bereits seit 2011 sitzt Matthias Warnig in dem Gremium – der dritte Mann auf dem Petersburger Foto, damals Geschäftsführer des Pipelineunternehmens Nord Stream, leitet heute das Unternehmen Nord Stream 2 im Besitz von Gazprom.

Auch Warnigs Geschichte zeigt, wie Putins Machtsystem funktioniert: Beide Männer verbindet ihre gemeinsame Zeit in Dresden in der Endphase der DDR: Putin war für den Geheimdienst KGB dort stationiert, Warnig arbeitete hauptamtlich für die Staatssicherheit. Später ging Warnig für die Dresdner Bank nach St. Petersburg, wo Putin in der Stadtverwaltung arbeitete. Als dessen Frau einen Unfall hatte, ließ Warnig sie zur Behandlung nach Deutschland ausfliegen. Heute gibt es wohl keinen anderen Ausländer, der in so vielen wichtigen Aufsichtsräten Russlands sitzt: von der Bank Rossija über die VTB-Bank und den Ölkonzern Transneft bis zum Aluminiumhersteller Rusal. Bei Rosneft ist der frühere Stasi-Hauptmann sogar stellvertretender Aufsichtsratschef.

Schröder und Warnig arbeiten seit mehr als einem Jahrzehnt eng zusammen: Der Altkanzler übernahm 2005 den Vorsitz des Aktionärsausschusses bei Nord Stream, 2016 wurde er Verwaltungsratschef bei Nord Stream 2. Das Engagement bei Rosneft wäre also Schröders dritter Aufsichtsratsposten in einem Unternehmen, das der russische Staat kontrolliert.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false