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Grenzzaun zwischen Ungarn und Serbien

© dpa/EPA/Zoltan Mathe

Migration und Einwanderung: Europa ist nicht besser als Trump

Europa kritisiert den Einreisestopp von US-Präsident Donald Trump, um die eigene Humanität zu betonen. Dabei macht Europa selber seine Grenzen dicht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Anna Sauerbrey

Europa, tief in der Brexit- und Populismuskrise, ist auf der Suche nach einem neuen „Narrativ“, das alle vereint. Jetzt hat der alte Kontinent es endlich gefunden. Donald Trump ist Europas Identitätssurrogat. Wir pflegen die Werte, die der da drüben einreißt – das ist die neue Ich-Erzählung. EU-Ratspräsident Donald Tusk hat das verstanden und vor dem Gipfel von Malta zu „politischer Solidarität“ im Angesicht der Gefahr Donald Trump aufgerufen. Je schlimmer der Trump, desto besser für uns. Auf dass unsere Humanität umso goldener glänze.

Doch der Gipfel von Malta und der beginnende Wahlkampf in Deutschland entlarven die Scheinheiligkeit dieser Erzählung. So laut Donald Trump für sein Einreiseverbot kritisiert wird, so zynisch ist die europäische Strategie im Umgang mit Schutzsuchenden und so nachlässig die Integration derer, die Europa bereits erreicht haben.

Faktisch macht auch Europa seine Grenzen dicht – der Gipfel von Valetta ist ein weiterer Schritt. Europa lagert die humanitär heikle Flüchtlingsabwehr auf gescheiterte und autoritäre Staaten mit weniger Skrupeln und demokratischer Kontrolle aus. Nach dem Abkommen mit der Türkei wird nun die Zusammenarbeit mit der libyschen Küstenwache verstärkt. Auf längere Sicht dürften Flüchtlinge auch nach Libyen zurückgeschickt werden. Vorerst will der Bundesinnenminister „nur“ Auffanglager in Tunesien. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann bestärkte ihn am Wochenende darin. Libyen, die Türkei und Tunesien als Türsteher – ist das besser als die Methode Trump?

Keine Solidarität

Oder nehmen wir die Zusammenarbeit mit dem UNHCR. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen verteilt Flüchtlinge aus überfüllten und gefährlichen Regionen auf sichere Länder um. Die Plätze, die dafür in Europa zur Verfügung standen, wurden gegen die Menschen aufgerechnet, die Europa und Deutschland im Rahmen des Türkei-Abkommens aufnimmt. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums kommen 2016 und 2017gerade einmal je 800 Flüchtlinge über Resettlement-Programme in Deutschland an, so gut wie alle im Rahmen des Vertrags mit der Türkei. Ein Witz im Vergleich zu den Millionen, die weltweitauf der Flucht sind.

Der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union in Valletta. In der Mitte Angela Merkel in Rot.
Der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union in Valletta. In der Mitte Angela Merkel in Rot.

© dpa

Selbst in Europa funktioniert die Solidarität nicht. Die Lage von zehntausenden Gestrandeten in Griechenland ist katastrophal, doch von den 63.000, die andere EU-Länder aufnehmen wollten, sind bis heute nur 8400 verteilt. Deutschland hat bis Ende 2016 200 aufgenommen.

Die Devise in Europa ist: Wir haben 2015 unser Soll erfüllt. Jetzt müssen die Zahlen runter, egal wie. Sonst nehmen uns die Populisten den Kontinent weg.

Deutschland stützt und treibt diese Strategie. Wenn am Montag die Spitzen der großen Koalition in München zusammenkommen, wird die Flüchtlingspolitik ebenfalls vor allem als Sicherheitspolitik behandelt: beschleunigte Abschiebungen, bessere Registrierung, Transitzonen. Währenddessen geht die Integration der 2015 in Deutschland angekommenen Menschen nur schleppend voran. Seit dem Gesetz vom Sommer 2016 ist das Thema im Wesentlichen tabu, obwohl Lehrer für Integrationskurse fehlen und viele Flüchtlinge noch immer keine Wohnungen haben.

Statt den rechten Populisten auf dem eigenen Kontinent die Stirn zu bieten, zeigt Europa auf Trump. Das neue europäische Identitätsnarrativ, es ist eine Farce.

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