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Vor allem die 18-25-Jährigen spenden selten, sagt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.

© Andreas Gebert/dpa

Medizinische Versorgung: Deutsche spenden ungern Blut

Heute ist Weltblutspendetag. Ein Drittel der Bürger könnte spenden – nur drei Prozent tun es regelmäßig.

Massaker wie das von Orlando lösen nicht nur weltweit einen großen Schock aus, sondern auch eine Welle der Hilfsbereitschaft. Ist viel Blut geflossen, wächst bei vielen der Wunsch, mit ihrem eigenen Blut zu helfen.
Zwei Tage nach dem Anschlag auf einen Nachtclub in Florida, in dem homosexuelle Männer verkehren, wird an diesem Dienstag der Weltblutspendetag begangen, den die WHO im Jahr 2004 erstmals ausrief.

Das zeitliche Zusammentreffen nahmen Aids-Forscher und Initiativen für die Rechte von Schwulen und Lesben zum Anlass, um eine Revision der Bestimmungen für Blutspenden anzumahnen: Homosexuelle Männer sollten endlich im vollen Umfang zugelassen werden, fordern sie. In der Neufassung der US-Richtlinien, die die dortige Food and Drugs Administration (FDA) im letzten Dezember herausgebracht hatte, wird ihnen diese Möglichkeit nur ausnahmsweise zugestanden.
In Deutschland regeln die Hämotherapie-Richtlinien, die Bundesärztekammer und Paul-Ehrlich-Institut gemeinsam herausgeben, dass Männer, die Sex mit Männern haben – und darüber hinaus alle, deren Sexualverhalten „ein gegenüber der Allgemeinbevölkerung deutlich erhöhtes Übertragungsrisiko für durch Blut übertragbare schwere Infektionskrankheiten“ birgt – dauerhaft von der Spende ausgeschlossen sind.

Nicht jeder darf spenden

„Aktuell wird international diskutiert, zukünftig Männer, die Sex mit Männern haben, in Abhängigkeit vom letzten Sexualkontakt mit einem Mann nur noch zeitlich befristet und nicht mehr dauerhaft von der Blutspende zurückzustellen“, berichtet der Transfusionsmediziner Ulrich Kalus von der Charité. Dabei sei zu bedenken, dass sie die größte Gruppe der Neuinfizierten bildeten. Kein Blut spenden dürfen auch Menschen, die in den letzten Wochen Infektionskrankheiten durchgemacht haben oder unter bestimmten chronischen Krankheiten leiden.

Es gibt auch eine strikte Altersbeschränkung: Wer noch nicht 18 oder schon 73 geworden ist, darf nicht spenden; ab 68 Jahren muss man vorher zum Hausarzt, bei der ersten Spende darf man nicht älter als 64 sein. „Die Altersgrenzen werden aber immer wieder überprüft und den Realitäten angepasst, sie wurden in den letzten Jahrzehnten schon mehrfach nach oben verschoben“, sagt Kerstin Schweiger, Sprecherin der DRK-Blutspendedienste.

Das DRK, mit 70 Prozent neben den staatlichen Bluttransfusionsdiensten und privaten Diensten wichtigste Anlaufstelle für Blutspender, ermutigt mit seiner Aktion „Zu fit um aufzuhören“ langjährige Spender zum Weitermachen. Insgesamt erfüllt ein Drittel der erwachsenen Bundesbürger die Kriterien, um spenden zu dürfen. Nur drei Prozent tun es aber regelmäßig – darunter viele Menschen im Rentenalter.

Jeder zweite Bundesbürger hat aber schon einmal Blut gespendet – Männer mit 56 Prozent häufiger als Frauen (42 Prozent). Nach einer Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) sind Blutspendemuffel vor allem die 18-25-Jährigen. Unter 35- bis 55-Jährigen haben mit 53 Prozent die meisten Menschen schon einmal Blut gespendet. Frauen dürfen viermal, Männer sechsmal im Jahr Blut spenden. Vor allem im Sommer gibt es in Deutschland häufig Engpässe bei Spenderblut. Fast drei Viertel aller Blutspender spenden immerhin mehrfach.

In ärmeren Ländern brauchen vor allem Kinder Transfusionen

Bevor der besondere Saft auf einen anderen Menschen übertragen werden kann, muss nicht nur sichergestellt sein, dass er keine gefährlichen Krankheitserreger enthält, auch die Blutgruppe muss stimmen. Heute weiß das jedes Grundschulkind, im 19. Jahrhundert wusste es nicht einmal ein berühmter Arzt wie der (fiktive) Professor van Helsing, der in Stem Brokers Roman „Dracula“ von 1897 der blutarmen Lucie Transfusionen verabreichte. Ob das Blut von Lucies Freund Arthur sich dafür eignete oder ob es zu Verklumpungen hätte kommen können, kümmerte diese mutige Koryphäe nicht.

Kein Wunder: Erst 1901 entdeckte der deutsch-österreichische Arzt Karl Landsteiner, dessen Geburtstag sich heute jährt, die Existenz der Blutgruppen A,B, AB und 0. Bestimmt werden sie durch Antigene, die die roten Blutkörperchen auf ihrer Oberfläche enthalten. In der Blutflüssigkeit wiederum schwimmen Abwehrstoffe, die sich gegen die Antigene fremder Blutgruppen richten.

Die Analytik hat sich seit Landauers Zeiten extrem verfeinert. Heute besteht die hohe Kunst von Operateuren und Intensivmedizinern jedoch auch darin, Bluttransfusionen zu vermeiden: Zum „Patient Blood Management“ gehören Methoden, mit denen Blutverluste verringert werden. Bei einer Operation verlorenes Blut wird mit speziellen Geräten gereinigt, eine Blutarmut schon vor einem geplanten Eingriff behandelt und für alle Fälle später nötiges Blut des Patienten selbst gesammelt.

„An seine Grenzen stößt das alles aber, weil viele Eingriffe notfallmäßig durchgeführt werden müssen, weil mehr ältere Patienten operiert werden und solche, die Blutverdünner einnehmen müssen“, sagt Transfusionsmediziner Kalus. „Insgesamt hat der Bedarf an roten Blutkörperchen in den Jahren 2010 bis 2014 aber abgenommen“ und dürfte jetzt stabil bleiben, vermutet Kalus.

Fünf bis sechs Millionen Blutbeutel à 500 Milliliter werden in Deutschland in jedem Jahr benötigt – drei Viertel davon für Patienten über 65 Jahren. In ärmeren Ländern werden zwei Drittel der Spenden, die dort oft von Verwandten kommen, für Kinder unter fünf Jahren gebraucht. Seit dem ersten Weltblutspendetag 2004 gibt es in Südostasien eine Zunahme der Spenden von 78 Prozent, in Afrika von 51 Prozent. mit KNA

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