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Trauer um die Opfer des Massenmörders in Las Vegas

© AFP/Mark Ralston

Update

Massaker in US-Stadt Las Vegas: Stephen Paddock - ein ganz normaler Massenmörder

Der wohlhabende Pensionär Stephen Paddock erschießt aus einem Hotel in Las Vegas fast 60 Besucher eines Countrymusik-Festivals. Der Täter gibt den Ermittlern nach wie vor Rätsel auf.

Alles war ganz normal, erinnert sich Christ Michel. Der Besitzer des Waffenladens Dixie Gun Worx im US-Bundesstaat Utah verkaufte dem 64-jährigen Pensionär und Glücksspieler Stephen Paddock vor ein paar Monaten ein Gewehr. Paddock sei ein „normaler, durchschnittlicher“ Zeitgenosse gewesen, sagte Michel der Zeitung „USA Today“.

Ihm sei nichts Außergewöhnliches bei dem Mann aufgefallen. Als Michel am Montag aus den Medien erfuhr, dass Paddock in Las Vegas fast 60 Menschen erschossen hat, konnte er es nicht fassen. Nicht nur der Waffenhändler aus Utah fragt sich, was für ein Mensch Stephen Paddock wirklich war.

Er galt als erfolgreicher Ex-Geschäftsmann

Selbst Paddocks Bruder Eric in Florida bringt den Mann nicht mit dem Massenmörder von Las Vegas zusammen. All das ergebe keinen Sinn, sagte Eric der „Washington Post“. Fest steht jedoch, dass Gewalt und Rechtsbruch zu den frühesten Erlebnissen beider Brüder gehörte. Ihr Vater Benjamin Paddock war ein Bankräuber, der 1968 aus dem Gefängnis ausbrach und damit einen Platz auf der Liste der zehn meistgesuchten Verbrecher Amerikas bekam. Die Polizei beschrieb Benjamin Paddock als „Psychopathen“.

Wenn Stephen Paddock seelisch krank war, dann hat er es vor seiner Umgebung geschickt versteckt. Für seinen Bruder und die meisten anderen Leute, die ihn kannten, war er ein erfolgreicher Ex-Geschäftsmann und wohlhabender Pensionär, der sich mit einigem Erfolg dem Glücksspiel und dem Video-Poker widmete. Geldnot hatte er offenbar nicht, sein Vermögen wird laut Medienberichten auf mehr als zwei Millionen Dollar geschätzt. Die Summe soll er insbesondere mit Immobiliengeschäften verdient haben.

Der Schütze Stephen Paddock hatte offenbar keinerlei Vorstrafen.
Der Schütze Stephen Paddock hatte offenbar keinerlei Vorstrafen.

© dpa

In den vergangenen Jahren reiste der kinderlose Paddock im Land umher und verbrachte viel Zeit in Spielcasinos. Die „Washington Post“ meldete, er habe bei seinen Reisen mehrere Millionen Meilen bei Vielflieger-Programmen der Fluggesellschaften zusammengetragen. Über mögliche Alkohol- oder Drogenprobleme oder Spielsucht ist nichts bekannt. Paddock suchte sich im Casino seine Spiele immer genau aus, sagte Eric Paddock. Der Mörder führte das sorglose Leben eines reichen Mannes, der an seinem Lebensabend noch ein wenig Spaß haben will.

Paddock besaß mehrere Häuser, wohnte aber häufig in Hotels wie dem Mandalay Bay in Las Vegas, wo er sich vergangene Woche in der Suite 32135 einmietete. In zehn Koffern schafft er er im Laufe der Tage mehr als 30 Pistolen und Gewehre in die Suite im 32. Stockwerk, die aus mehreren Zimmern besteht. Am Sonntagabend schlug er den Ermittlern zufolge zwei Löcher in die Fenster und schoss durch Zielfernrohre mit Waffen, die er zu vollautomatischen Maschinengewehren umgebaut hatte, auf die Besucher eines Countrymusik-Festivals auf der anderen Seite der Straße. Als ein Sondereinsatzkommando vor der Suite auftauchte, feuerte er durch die Tür auf die Beamten und erschoss sich dann selbst.

"Wie zum Teufel ist er an automatische Waffen gekommen?"

Für die Ermittler, die nach dem Massaker die Motive des Täters ergründen wollen, ergibt sich ein Bild, dessen einzelne Bestandteile nicht zusammenpassen. In Paddocks Haus in Mesquite, rund 120 Kilometer nordöstlich von Las Vegas, fand man ein weiteres Waffenarsenal von rund 20 Schusswaffen und jeder Menge Munition. In seinem Auto stießen die Beamten auf Ammonium-Nitrat, das beim Bau selbst gebastelter Bomben benutzt wird. Paddock verheimlichte seine Waffensammlung so erfolgreich, dass selbst sein Bruder fragt: „Wie zum Teufel ist er an automatische Waffen gekommen?“

Laut Medienberichten könnte Paddock nicht nur ein Waffensammler gewesen sein, sondern auch ein erfahrener Experte. Offenbar gibt es Hinweise darauf, dass er einige frei erhältliche halbautomatische Sturmgewehre illegal zu automatischen Waffen umbaute, die selbst im Waffenland Amerika strengen Vorschriften unterliegen.

Nach außen sehr zurückhaltend

Der Waffennarr mit genau geplanten Mordabsichten wirkte nach außen sehr zurückhaltend. Nachbarn beschreiben ihn als abweisend. Paddock spielte Golf, besuchte Konzerte wie jenes, bei dem er am Sonntag fast 60 Menschen tötete, und besaß einen Pilotenschein, zwei Kleinflugzeuge sowie einen Angelschein für Alaska. Paddocks Bruder Eric weiß nichts von etwaigen finanziellen Problemen, die den 64-Jährigen zu der Bluttat getrieben haben könnten. Noch kürzlich habe er von 250.000 Dollar berichtet, die er beim Glücksspiel gewonnen habe, sagt Eric.

Kann die Lebensgefährtin Antworten geben?

Antworten auf die vielen offenen Fragen erhofft sich die Polizei von Paddocks Lebensgefährtin Marilou Danley, die sich zur Zeit des Massakers auf den Philippinen aufhielt und deshalb nicht als Komplizin gilt. Danley ist australische Staatsbürgerin und bezeichnete sich laut Medienberichten auf einer stillgelegten Linkedin-Seite als „Glücksspiel- und Casino-Profi“. Vor zwei Jahren hatte sie sich von ihrem Mann Geary Danley scheiden lassen. Ob Marilou Danley Licht ins Dunkle des Lebens von Stephen Paddock bringen kann oder will, bleibt abzuwarten.

Die 62-Jährige ist inzwischen in Begleitung von FBI-Beamten von den Philippinen in die USA geflogen. Das berichtete die „New York Times“ am späten Dienstagabend. Sie soll dem Vernehmen nach in den kommenden Stunden befragt werden. Zuvor war bekannt geworden, dass der Schütze vor seiner Tat etwa 100.000 Dollar auf die Philippinen überwiesen hatte.

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