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CDU-Politikerinnen Angela Merkel (links), Karin Strenz im Bundestagswahlkampf.

© Jens Büttner/dpa

Update

Lobbyarbeit für Aserbaidschan: Druck auf CDU-Politikerin Strenz wegen Baku-Connection

Die CDU-Bundestagsabgeordnete Karin Strenz wird wegen Zahlungen einer Lobbyfirma kritisiert, die im Auftrag des Regimes in Baku aktiv war.

Von Matthias Meisner

Einen Tag lang hat die CDU-Bundestagsabgeordnete Karin Strenz geschwiegen. Beharrlich. Sie macht Wahlkampf, auch an der Seite von Kanzlerin Angela Merkel. Rückblick auf die vergangenen Tage: Sie lässt sich am "Tag des Handwerks" mit Schornsteinfegermeistern ablichten, besichtigt in der Wismarer Werft ein Flusskreuzfahrtschiff für den amerikanischen Markt, verteilt ihre Flyer in einem Schuhgeschäft im Ostseebad Kühlungsborn.

Nur zu einem Thema, das viele ihrer Wähler auch beschäftigen könnte, verweigerte die direkt gewählte Bundestagsabgeordnete zunächst jede Auskunft: den Berichten darüber, dass sie in den Jahren 2014 und 2015 Beraterin einer von Aserbaidschan gegründeten Firma gewesen sein soll, die europaweit Lobbyarbeit für das autoritäre Regime von Präsident Ilham Alijew gemacht hat.

Die 49-Jährige, Vorsitzende der Deutsch-Südkaukasischen Parlamentariergruppe im Bundestag, soll demnach Beraterin der Firma Line M-Trade gewesen sein. Recherchen des SWR-Magazins Report zufolge wurde die Firma bis zu ihrer Schließung im vergangenen Juni von dem ehemaligen CSU-Staatssekretär Eduard Lintner geführt. Line M-Trade habe nur einem Zweck gedient: Geld von Aserbaidschan nach Deutschland zu transferieren, um dort Lobbyarbeit für Baku zu machen. Auch die "Süddeutsche Zeitung" berichtete.

Wie viel Geld Karin Strenz, die seit 1999 im Bundestag sitzt, für diese Beratertätigkeit bekam, ist unklar. Sie hat die Nebeneinkünfte im Bundestag mit Stufe 3 deklariert - das wären mindestens 15.000 Euro.

Besonders heikel ist, dass Strenz als Bundestagsabgeordnete auch im Europarat sitzt, der unter anderem damit betraut ist, die Einhaltung von Menschenrechten in Ländern wie Aserbaidschan zu überwachen. Dort soll sie im Jahr 2015 als einzige deutsche Europaratsabgeordnete gegen die Forderung gestimmt haben, politische Gefangene in Aserbaidschan freizulassen.

Strenz: Ich wollte Brücken bauen

Am Mittwochnachmittag postet Karin Strenz eine lange Erklärung auf Facebook, in der sie die Vorwürfe energisch zurückweist. "Als Politiker ist es unsere Aufgabe, Brücken zu bauen, um Herausforderungen zu lösen", schreibt die Bundestagsabgeordnete. Sie habe sich in Baku regelmäßig auch mit Vertretern verschiedener Nichtregierungsorganisationen getroffen.

Zu ihrer Lobbyistentätigkeit erklärte sie: "Ich hatte November 2014 – Januar 2015 für den Zeitraum von drei Monaten einen Beratervertrag mit der Firma Line M-Trade. Dabei ging es um die Förderung der wirtschaftlichen Beziehungen mit Blick auf die mögliche Schaffung neuer Arbeitsplätze. Eine Tätigkeit zu Beratungszwecken neben dem Mandat ist laut Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages ausdrücklich zulässig. Die Einkünfte hieraus habe ich entsprechend der Geschäftsordnung beim Bundestagspräsidenten ordnungsgemäß angezeigt sowie ordentlich versteuert. Allen rechtlichen Transparenzanforderungen wurde damit Genüge getan."

Strenz erklärt weiter. "Wer sich in der Region Südkaukasus ein wenig auskennt weiß, dass die politische Situation dort ausgesprochen schwierig ist. Einseitige Betrachtungen und Beurteilungen werden der Komplexität der dortigen Lage nach meiner Einschätzung nicht gerecht. Wenige Tage vor der Bundestagswahl soll der Eindruck erweckt werden, ich würde mein Mandat nicht unabhängig ausüben. Ich weise dies mit aller Entschiedenheit zurück."

Medienanfragen hatte die Politikerin zuvor unbeantwortet gelassen. "Sie können mich gern nach der Bundestagswahl um ein Interview fragen", sagt die Politikerin Reportern des SWR. Der Sender hat nach nach eigenen Angaben ihr Bundestagsbüro mehr als ein Dutzend Mal um ein Interview gebeten, die Abgeordnete auch mit allen vorliegenden Informationen konfrontiert. Auch dem britischen "Guardian", der sich des Themas annahm, blieb Strenz eine Antwort schuldig. Eine Anfrage des Tagesspiegels blieb ebenfalls unbeantwortet.

Özdemir: Merkel darf Dienstleistungen für Diktatoren nicht dulden

Inzwischen gibt es lautstarke Kritik an Strenz und ihrer Baku-Connection. Grünen-Parteichef Cem Özdemir sagte dem Tagesspiegel: "Frieden und Versöhnung schafft man nicht, indem man vor autoritären Herrschern buckelt, sondern indem man ihnen mit einem klaren Wertekompass entgegentritt." Dies gelte für Ilham Alijew genauso wie für Putin, Maduro und Erdogan. "Karin Strenz hat immer wieder weggeschaut, wenn es um Menschenrechtsverletzungen des autoritären Regimes in Baku ging. Dass sie dabei en passant auch noch Gelder aus dem Staatssäckel von Staatspräsident Alijew erhalten hat, verleiht ihrem Aserbaidschan-Engagement einen mehr als bitteren Beigeschmack. Ich erwarte ein klares Bekenntnis von der Kanzlerin und der Fraktion der CDU und CSU, dass sie Dienstleistungen für Diktatoren in ihren Reihen nicht dulden."

Auch die SPD ist irritiert. Die Vorwürfe gegen Strenz müssten "dringend und umfassend aufgeklärt" werden, verlangte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich. "Sollten sich die Vorwürfe als belastbar erweisen, muss die CDU/CSU-Fraktion die notwendigen Konsequenzen ziehen."

Stadtansicht von Aserbaidschans Hauptstadt Baku. Menschenrechtsverletzungen sind in dem Land an der Tagesordnung.
Stadtansicht von Aserbaidschans Hauptstadt Baku. Menschenrechtsverletzungen sind in dem Land an der Tagesordnung.

© Allesandro Bianchi/Reuters

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Frank Schwabe schrieb einen geharnischten Brief an Axel Fischer, den Leiter der deutschen Delegation der Parlamentarischen Versammlung des Europarats. Schwabe spricht darin von einer "Dramatik der Lage". Die Vorgänge müssten schnellstmöglich aufgeklärt werden, heißt es in dem Brief. "Mit den Fällen Strenz und Lintner steht die Reputation der deutschen Delegation und des gesamten Deutschen Bundestages auf dem Spiel." Fischer ist CDU-Bundestagsabgeordneter und damit Kollege von Strenz.

Schwabe sagte dem Tagesspiegel: "Frau Strenz verkehrt die Werte des Europarats ins Gegenteil. Sie ist korrupt und fügt auch der Reputation Deutschlands schweren Schaden zu. Wenn sie selbst nicht in der Lage ist die notwendigen Konsequenzen zu ziehen, dann muss die CDU-Parteivorsitzende Angela Merkel handeln."

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Kopfschütteln gibt es in der Unionsfraktion allenfalls hinter den Kulissen. Michael Grosse-Brömer, Fraktionsgeschäftsführer der CDU/CSU, schrieb auf Twitter, Strenz und ihre Kollegen "verantworten wie alle anderen auch Ihre etwaigen Nebeneinkünfte selbst und haben Sie offenzulegen. Ganz einfach". Eine Distanzierung von der Wismarer Bundestagsabgeordneten hatte er Dienstag noch abgelehnt: "Es gebietet ja wohl die Fairness, die Betroffene erst selbst zu Wort kommen zu lassen, bevor man kommentiert und verurteilt." Auch Kanzlerin Merkel wollte sich nicht zu den Vorwürfen gegen ihre Parteifreundin äußern, wie die "Schweriner Volkszeitung" berichtete.

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