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Flagge der kurdischen Regionalregierung in Erbil, Nordirak.

© imago/photothek

Kurden in Deutschland für Unabhängigkeit: "Irak und Syrien ohnehin kaum zu stabilisieren"

Die Kurden im Irak planen für September ein Referendum. Das ärgert insbesondere die türkische Regierung. Berliner Richter befassen sich derweil mit den Folgen des PKK-Verbots.

Endlich über die Unabhängigkeit abstimmen – das fordern nun auch Vertreter deutscher Kurden. Am Donnerstag sprachen sie sich in Berlin für ein Referendum im Nordirak aus. Der Gesandte der kurdischen Regionalregierung, Dilshad Barzani, und der Chef der Kurdischen Gemeinde Deutschlands, Ali Toprak, erklärten: Der Westen solle das Unabhängigkeitsreferendum im eigenen Interesse anerkennen, die Kurden seien Verbündete im Kampf gegen islamistischen Terror, die Region durch die „Kunststaaten“ Irak und Syrien ohnehin kaum zu stabilisieren.

Die Regierung der autonomen Kurdenregion im Nordirak um Massoud Barzani hatte für den 25. September eine Abstimmung angekündigt. Die Spitzen der turkmenischen, armenischen und assyrischen Minderheit unterstützen den Plan, fast alle Parteien in der Hauptstadt Erbil sind sich einig. Das Referendum ist völkerrechtlich nicht automatisch bindend, Toprak zufolge aber durch Iraks Verfassung gedeckt.

Außenminister Sigmar Gabriel kritisiert Abstimmung

„Wir sprechen auch in Deutschland mit Politikern der demokratischen Parteien“, sagte Toprak. „Und die meisten äußern sich positiv dazu.“ Offiziell warnen die Spitzen von CDU und SPD jedoch vor einer Abspaltung, bisher ist nur die Linke vorsichtig dafür.

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) wird 2016 von Massoud Barsani, Präsidenten der autonomen Region Kurdistan im Irak, begrüßt.
Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) wird 2016 von Massoud Barsani, Präsidenten der autonomen Region Kurdistan im Irak, begrüßt.

© picture alliance / dpa

Wie viele Kurden in Deutschland leben, ist unbekannt. Die meisten kamen als Gastarbeiter aus der Türkei, andere sind irakische, syrische oder iranische Staatsbürger. Toprak selbst ist alevitischer Kurde aus der Türkei, die meisten Kurden im Irak sind Sunniten. Außerdem gibt es viele Jesiden und Säkulare. Toprak kritisierte wiederholt Sigmar Gabriel (SPD), weil der Außenminister gesagt hat, die Einheit des Irak infrage zu stellen, sei falsch. Das Selbstbestimmungsrecht des kurdischen Volkes, so Toprak, gehöre nicht in den Zuständigkeitsbereich des deutschen Außenministers. Die frühere Bundesregierung 1999 hatte die Abspaltung des Kosovo noch durch einen Luftkrieg unterstützt.

USA: legitime Bestrebungen der Kurden

Deutschland liefert den irakischen Kurden derzeit Waffen im Kampf gegen den „Islamischen Staat“. Das US-Außenministerium sprach mit Blick auf die Abstimmung zwar von einem „geeinten, stabilen und föderalen Irak“, aber auch von „legitimen Bestrebungen“ der Kurden. Lediglich Israel hatte bereits 2014 offen erklärt, dass es mit einem unabhängigen Kurdistan gut leben könne.

Die Kurden leben in vier Staaten - einen eigenen haben sie nicht.
Die Kurden leben in vier Staaten - einen eigenen haben sie nicht.

© Tsp

Irakisch-Kurdistan ist wirtschaftlich von der Türkei abhängig, Barzani gilt als Partner von Recep Tayyip Erdogan – und das, obwohl der türkische Staatschef die Kurden in der Türkei, in Syrien und auch im Irak angreifen lässt. Das Außenministerium in Ankara bezeichnet dennoch das Referendum als „schweren Fehler“. Die Angst ist groß, dass die deutlich linkeren Kurden in der Türkei und Syrien dem Beispiel folgen könnten. Barzani hat zudem ein Legitimationsproblem. Vor zwei Jahren endete seine Amtszeit, wegen des Krieges mit dem IS operiert er in Erbil quasi im Notstandsmodus. Die Barzanis sind eine im ganzen Land bekannte Familie, sie dominiert die regierenden Konservativen und die Sicherheitskräfte.

Verwaltungsgericht befasst sich mit erweitertem PKK-Verbot

Inzwischen aber unterstützen auch linke Kurden den Barzani-Plan. Sie hoffen, dass das Referendum auf Rojava ausstrahlt, die kurdische Autonomieregion in Nordsyrien. Dort beschossen sich in diesen Tagen wieder kurdische Rebellen und türkische Truppen. Die linke PYD ist die größte Partei im syrischen Rojava. Sie soll, so der Vorwurf aus Ankara, der in der Türkei kämpfenden, verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK nahestehen. In Berlin sagte Ali Toprak, auch für Kurden in der Türkei, Syrien und Iran gelte das Selbstbestimmungsrecht.

Bald befassen sich Berliner Richter mit der umstrittenen Ausweitung des deutschen PKK-Verbots. Ein PYD-Mitglied klagt vor dem Verwaltungsgericht gegen das Verbot, öffentlich Fahnen der Partei zu zeigen. Anlass war eine Demonstration am 17. Juni 2017, Hintergrund eine Entscheidung des Bundesinnenministeriums: Seit März dürfen PYD-Symbole auf Demonstrationen nicht gezeigt werden, weil sie Chiffren für die verbotene PKK sein könnten. Die syrische PYD ist nicht verboten. Und die Demonstration am 17. Juni, erklärte der Kläger, habe sich mit der Lage in Syrien befasst, nicht mit der Türkei.

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