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Demonstranten posieren im staatlichen Rundfunk. Sie haben schon am Vormittag den Staatssender besetzt, der daraufhin aufhörte zu senden.

© Reuters

Update

Krise in Westafrika: Bedrängter Präsident in Burkina Faso bietet Verhandlungen an

Präsident Blaise Compaoré sieht sich nach 27 Jahren an der Macht Massenprotesten gegenüber. Am Donnerstag stürmten Demonstranten das Parlament. Das Militär setzte die Regierung ab. Doch Compaoré verweigerte in einer Fernsehansprache in der Nacht den Rücktritt.

Im westafrikanischen Burkina Faso hat das Militär die Macht übernommen. Der seit 27 Jahren regierende Präsident Blaise Compaoré erklärte allerdings in einer Fernsehansprache in der Nacht zum Freitag, dass er sein verbleibendes Amtsjahr noch erfüllen wolle. Einen Rücktritt lehnte er ab. Er sagte jedoch, er habe nach zehn Tagen von Massendemonstrationen gegen ihn "die Botschaft verstanden". Er sei zu Gesprächen über eine Übergangsregierung bereit.

Die Regierung sei abgesetzt und das Parlament aufgelöst worden, teilte das Militär bei einer Pressekonferenz am Donnerstagabend in der Hauptstadt Ouagadougou mit. Bis zur Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung "binnen zwölf Monaten" werde ein Übergangsgremium die Regierungsmacht übernehmen, sagte Armeechef Nabéré Honoré Traoré. Die Armee verhängte außerdem eine Ausgangssperre von 19.00 Uhr bis 06.00 Uhr, die nach offenbar in der Hauptstadt Ouagadougou weitgehend eingehalten wurde.

Ob sich Compaoré tatsächlich an der Macht halten kann, wird sich im Verlauf des Freitags entscheiden. Die Opposition verlangt seinen Rücktritt. Compaoré hatte in seiner Fernsehansprache zumindest angekündigt, auf die Verfassungsänderung zu verzichten, die die Massenproteste ausgelöst hatten. Damit wollte er sich eine weitere Amtszeit als Präsident sichern. Nach Angaben der Opposition sollen 30 Menschen bei den Protesten getötet worden sein. Die Nachrichtenagentur AFP hat bei einer Zählung in den Kliniken Ouagadougous vier Tote ermittelt. Die Zahl kann sich jedoch auch auf das ganze Land beziehen.

Demonstranten haben das Parlament in Brand gesetzt

Seit dem 22. Oktober haben täglich Zehntausende Menschen gegen eine von Compaoré angestrebte Verfassungsänderung protestiert. Am Dienstag waren Hunderttausende Menschen auf der Straße der Hauptstadt aber auch in anderen großen Städten im ganzen Land auf der Straße. Am Dienstag war am Vormittag eine Abstimmung über die umstrittene Verfassungsänderung angesetzt. Compaoré hatte selbst im Jahr 2000 eine Verfassung zur Abstimmung gestellt, die vorsieht, dass ein Präsident nach zwei Amtszeiten nicht wieder zur Wahl antreten darf. Nun wollte er diese Begrenzung der Amtszeit abschaffen lassen. Doch die Burkiner wollten das offenkundig nicht. Am Dienstagmorgen stürmten mehr als 1000 Menschen das Parlament und setzten es in Brand. Auch das Rathaus und die Parteizentrale der Regierungspartei gingen in Flammen auf. Im Verlauf des Tages besetzten die Demonstranten den staatlichen Fernsehsender, der den Betrieb einstellte.

Am Spätnachmittag haben Demonstranten einen Abgeordneten der Opposition aus dem Parlament herausgetragen. Zu der Zeit hieß es, Präsident Blaise Compaoré sei in den Senegal geflüchtet.
Am Spätnachmittag haben Demonstranten einen Abgeordneten der Opposition aus dem Parlament herausgetragen. Zu der Zeit hieß es, Präsident Blaise Compaoré sei in den Senegal geflüchtet.

© AFP

Ob sich Blaise Compaoré tatsächlich noch in Ouagadougou aufhielt, war am Donnerstagabend unklar. Mit Bezug auf die Flughafenbehörden in der senegalesischen Hauptstadt Dakar hieß es am Nachmittag, Compaoré sei ins Nachbarland geflüchtet. Doch mit seiner Fernsehansprache beendete Compaoré diese Spekulationen. Er ist offenkundig noch im Land.

1987 putschte sich Blaise Compaoré an die Macht

Blaise Compaoré hatte 1987 den beliebten Staatschef Thomas Sankara gestürzt. Wenig später wurde Sankara unter ungeklärten Umständen ermordet. Sankara hatte dem Land seinen Namen Burkina Faso - Land der aufrechten Menschen - gegeben. Zuvor hieß das westafrikanische Land Obervolta. Sankara hing sozialistischen Ideen an. Compaoré konnte in der Folgezeit auf die Unterstützung der USA und der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich zählen. Paris und Washington hatten Compaorés Plan zum Machterhalt in den vergangenen Tagen allerdings scharf kritisiert. Am späten Donnerstagabend stellte sich das US-Außenamt jedoch wieder hinter Compaoré und lobte dessen Bereitschaft, sich auf eine Einheitsregierung für den Übergang einzulassen.

Insgesamt vier Mal ließ sich Compaoré zum Präsidenten wählen. Die Wahlergebnisse von jeweils mehr als 80 Prozent machten viele misstrauisch, ob die Abstimmungen tatsächlich fair verlaufen waren. In den ersten Jahren an der Macht verfolgte Compaoré die Opposition und die verbliebenen Anhänger von Thomas Sankara brutal und gnadenlos. Dann war jahrzehntelang Ruhe im Land. Compaoré gelang es, sich als regionaler Vermittler ins Geschäft zu bringen. In einer Vielzahl westafrikanischer Krisen wurde er von der Regionalorganisation Ecowas oder auch von der Afrikanischen Union als Vermittler eingesetzt. Auch in der Elfenbeinküste, wo viele politische Beobachter vermuten, dass er an der Eskalation der Lage im Jahr 2002 selbst beteiligt gewesen ist.

Compaoré steht trotz seiner regionalen Vermittlungsdienste im Verdacht, auch selbst von den illegalen Drogen-, Waffengeschäften und dem Menschenschmuggel von Westafrika durch die Sahara profitiert zu haben. Ermittlungen gegen ihn hat es jedoch nie gegeben. In Burkina Faso ist die Justiz nicht frei genug dazu. Und in den Nachbarländern gab es ebenfalls wenig Interesse, seine Geschäftsbeziehungen genauer zu durchleuchten. Denn auch andere regionale Regierungen gelten als nicht unbeteiligt an den illegalen Geschäften.

Blaise Compaoré hat Burkina Faso 27 Jahre lang regiert. 1987 putschte er sich an die Macht - und wollte sie auch jetzt nicht freiwillig abgeben.
Blaise Compaoré hat Burkina Faso 27 Jahre lang regiert. 1987 putschte er sich an die Macht - und wollte sie auch jetzt nicht freiwillig abgeben.

© dpa

2011 überstand Blaise Compaoré eine Meuterei im Militär. Doch seit einem guten Jahr haben sich die Massendemonstrationen gegen seine ewige Herrschaft gemehrt. Nachdem die Regierung die Abstimmung über die Verfassungsänderung angekündigt hatte, wurden die Schulen vorsorglich geschlossen, weil Compaoré Proteste befürchtete. Das hat die Burkiner allerdings nicht davon abgehalten, ihrem Unmut Ausdruck zu verleihen. Kristina Rauland Yambré, die Landesdirektorin der Hilfsorganisation Help in Burkina Faso, schreibt in einem offenen Brief über die Proteste: "Ein ganzes Volk erhebt sich gegen das, was es als Willkür empfindet." Help hat sein Büro in der Hauptstadt allerdings aus Sicherheitsgründen vorläufig geschlossen, teilte die Organisation mit.

Etwa 30 Kilometer von Ouagadougou entfernt liegt das Operndorf, das der verstorbene deutsche Regisseur Christoph Schlingensief sich ausgedacht hat, und das seine Witwe seit seinem Tod Realität werden lassen will. Ob das Operndorf von den Unruhen erfasst worden ist, war am Donnerstagabend noch unklar.

Die Vereinten Nationen wollen im Konflikt vermitteln

Wie es in Burkina Faso weiter geht, war am Donnerstagabend noch nicht abzusehen. Das Land hat Zehntausende Flüchtlinge aus Nachbarländern aufgenommen, in denen es ebenfalls politische Krisen gibt, beispielsweise aus Mali, wo im vergangenen Jahr islamistische Milizen den Norden des Landes besetzt hatten, bevor französische Truppen sie vorläufig vertrieben. Allerdings gibt es bis heute immer wieder Kämpfe im Norden Malis.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon verfolge die Verschlechterung der Sicherheitslage in Burkina Faso "mit großer Sorge", teilte ein UN-Sprecher in New York mit. Ban Ki Moon rief alle Beteiligten zu einem Ende der Gewalt auf und forderte, die Probleme des Landes auf dem Wege des Dialogs zu lösen. Auch die Afrikanische Union (AU) erklärte ihre "tiefe Besorgnis".

Der UN-Sondergesandte für Westafrika, Mohamed Ibn Chambas, soll am Freitag mit einer gemeinsamen Delegation der AU und der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas vor Ort vermitteln. Die ehemalige Kolonialmacht Frankreich, die USA und die AU riefen alle Beteiligten zur Ruhe auf. Die EU forderte ein Ende der Gewalt. Das
Auswärtige Amt und riet vor "nicht zwingend notwendigen Reisen nach Burkina Faso" ab. (mit AFP)

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