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Ein Sieg über den Terror. Kämpfer der Syrischen Demokratischen Kräfte Democratic Forces feiern die Rückeroberung Rakkas.

© Bulent Kilic/AFP

Krieg gegen den IS: Das "Kalifat" scheint am Ende

Rakka galt als "Hauptstadt" der IS-Dschihadisten - jetzt ist deren Herrschaft über die syrische Stadt zusammengebrochen. Das hat auch symbolische Wirkung.

Es hat mehr als Monate gedauert und viele Opfer gefordert. Doch jetzt ist der „Islamische Staat“ in seiner letzten und wichtigsten Bastion offenbar geschlagen. Übereinstimmenden Berichten zufolge haben von den USA mit Kampfjets sowie Spezialeinheiten unterstützte kurdische und arabische Truppen die nordsyrische Stadt unter ihre Kontrolle gebracht. Formell werde der Sieg erst verkündet, wenn alle Minen und IS-Widerstandsnester beseitigt seien, hieß es.

Rakka galt als „Hauptstadt“ der Terrormiliz. Dort errichteten die Dschihadisten nicht nur eine monströse Schreckensherrschaft, sondern der Ort diente ihnen nach Einschätzung westlicher Geheimdienste als Zentrale, von wo aus verheerende Anschläge im Ausland geplant wurden. Rakka galt zudem gemeinsam mit dem irakischen Mossul als Mittelpunkt des 2014 ausgerufenen „Kalifats“.

Das erklärt wohl auch die heftige Gegenwehr der Islamisten. Bis zum Schluss versuchten sie, die Offensive zurückzuschlagen, was angesichts der Übermacht aussichtslos war. Doch die Fanatiker nutzten unter anderem Zivilisten aus Schutzschilde, um die Angreifer aufzuhalten. Wer fliehen wollte, wurde erschossen. In den Bombardements kamen auch Hunderte Zivilisten ums Leben.

Zerstörte Häuser, überfüllte Lager

Die humanitäre Situation für die Eingeschlossenen war in den vergangenen Monaten teilweise desaströs. Hunderttausende Unbeteiligte waren vor den Gefechten aus der Region geflüchtet. Ihre Häuser sind durch vielen Bombardements zerstört. Die Auffanglager sind völlig überfüllt.

Am Sonntag hatten die kurdisch dominierten sogenannten Syrischen Demokratischen Streitkräfte mit dem entscheidenden Schlag gegen den IS begonnen. Zuvor war mit Stammesältesten ein Abkommen geschlossen worden, das syrischen Kämpfern den Abzug gestattete. Zurückblieben ein paar hundert ausländische Dschihadisten, die nicht abziehen wollten. In einer Schlacht gegen die „Ungläubigen“ aufzugeben, gilt in den Augen der Fundamentalisten als Schande.

Mit der Rückeroberung Rakkas ist das „Kalifat“ als politisch-geografisches Projekt – also der Gründung eines Staates – gescheitert. Zuvor war es dem IS jedoch gelungen, in Syrien und dem Irak pseudostaatliche Strukturen aufzubauen. Millionen Menschen wurden mit Gewalt unterdrückt und mussten unter den Bedingungen der Scharia leben. Sie sind jetzt befreit.

Auf dem Rückzug

Doch das „Kalifat“ besaß auch eine große Anziehungskraft. Tausende Muslime zogen freiwillig in das IS-Herrschaftsgebiet. Sie waren auf der Suche nach einem vermeintlich „reinen“ islamischen Leben. Was sie vorfanden war ein extrem brutales Regime. Zeitweise beherrschten die Islamisten ein Areal von den Ausmaßen Großbritanniens.

In den vergangenen Monaten hatte der IS dann allerdings viele seiner eroberten Gebiete wieder eingebüßt. Dessen irakische Hochburg Mossul ist schon vor Monaten befreit worden. Der oft von IS-Propagandisten verkündete endgültige Sieg über die Feinde des „Islamischen Staats“ rückte damit offenkundig in unerreichbare Ferne.

Die militärischen Niederlagen im Irak und in Syrien haben denn auch den Mythos der Unbesiegbarkeit widerlegt – ein herber Rückschlag für den IS im Konkurrenzkampf der terroristischen „Internationalen“.

Guerilla-Krieg im Untergrund

Noch jedoch sind die Islamisten nicht endgültig geschlagen. Im syrisch-irakischen Grenzgebiet sind sie nach wie vor präsent, wenn auch in Bedrängnis. Beobachter gehen ohnehin davon aus, dass viele IS-Kämpfer in den Untergrund gehen und sich vorerst auf Guerilla-Attacken verlegen werden. Es wird auch keineswegs ausgeschlossen, dass die „Gotteskrieger“ langfristig wieder ein Machtfaktor werden.

Denn sie haben es in der Vergangenheit geschickt verstanden, vorhandene Konflikte zu instrumentalisieren und für ihren Aufstieg zu nutzen. Korrupte Eliten, Armut und Perspektivlosigkeit, fehlende Stabilität, der Hass zwischen Sunniten und Schiiten – all diese Missstände in der arabischen Welt sind nicht beseitigt und daher ein Nährboden für militanten Fundamentalismus.

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