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Demonstranten stehen in Hamburg einer Kette von Polizisten gegenüber - nicht zum ersten Mal.

© AFP/Steffi Loos

Krawalle rund um G20-Gipfel: Welcome to Hamburg

Die Stadt Hamburg wusste, worauf sie sich einließ: brennende Autos, randalierende Demonstranten, Lärm, Stau - ein ganzes Wochenende lang und darüber hinaus. Ist es das wert? Ein Kommentar

Von Frank Jansen

Diese Bilder gehen um die Welt: Wasserwerfer zerschießen eine Demonstration von Autonomen, bevor auch nur ein Stein geflogen ist, Randalierer schieben Müllcontainer zu Barrikaden zusammen und zünden sie an, anderswo brennen Autos, permanent rasen Polizeikolonnen mit Sirenengeheul durch die Straßen, Hubschrauber knattern mindestens im halben Dutzend über den Dächern. Welcome to Hamburg.

Was sich die Hansestadt antut, ist schon klar, als der G-20-Gipfel am Freitag beginnt. Die hässlichen Szenen häufen sich – und es geht noch mindestens bis in die Nacht zum Sonntag so weiter. Die Bevölkerung wird mit Krawallen, weiträumigen Straßensperren, ständigem Lärm von Martinshörnern und Helikopterrotoren, schlicht: mit einem tagelangen Ausnahmezustand genervt. Hamburger sagen den Medien, sie würden die Stadt verlassen, um ihre Ruhe zu haben. Ist das ein G-20-Gipfel wert?

Es ist schwer vorstellbar, dass nach „Hamburg“ eine andere deutsche Metropole bereit wäre, sich ein derart konfliktträchtiges und in jeder Hinsicht anstrengendes Großereignis aufzuladen. Womöglich schrecken die Bilder aus der Hansestadt auch über die Republik hinaus Großstädte ab. Und selbst wenn am Sonntag Angela Merkel und Olaf Scholz sagen werden, der Rechtsstaat habe gezeigt, dass er den Gipfel gegen alle Widerstände in Hamburg durchsetzen konnte und das Treffen der Staats- und Regierungschefs letztlich ein Erfolg war – der Preis erscheint zu hoch. Für Hamburg und für den deutschen Rechtsstaat überhaupt.

Ein Indikator ist die brachiale „Hamburger Linie“ der Polizei. Sie setzt gegen die tausenden Linksradikalen, die in die Stadt gekommen sind, gnadenlos auf Repression. Das ist zunächst auch nachvollziehbar. Die Hasspropaganda von Autonomen und Antiimperialisten gegen die Teilnehmer des Gipfels, gegen den deutschen Staat und speziell auch gegen die Polizei, diese irre „Welcome to Hell“-Mentalität und die vielen Anti-G-20-Straftaten der vergangenen Monate, bis hin zu Brandanschlägen auf Kabelschächte der Bahn in fünf Bundesländern, haben den Sicherheitsbehörden kaum eine andere Wahl gelassen, als die Szene hart anzufassen. Außerdem dürfte die Politik, die Hamburg den Gipfel eingebrockt hat, den Sicherheitsbehörden kaum Spielraum eingeräumt haben.

Brandflaschen, Präzisionszwillen und Stahlkugeln

So war es konsequent, dass die Hamburger Polizei ein „Antikapitalistisches Camp“ verhindert hat, das tausende Linksextremisten aus dem In- und Ausland als Heerlager und Arsenal für Brandflaschen, Präzisionszwillen und Stahlkugeln genutzt hätten. Dennoch erscheint die Strategie der Polizei zwiespältig.

Geltendes Recht wurde, mitunter trickreich, notorisch zum Nachteil der Linken ausgelegt. Das Hamburger Verwaltungsgericht wie auch das Bundesverfassungsgericht hatten den grundgesetzlichen Anspruch der Gipfelgegner auf Versammlungsfreiheit mehrmals betont. Dennoch blieb die Polizei bei ihrer harten Linie und würgte Versuche, ein großes Protestcamp aufzubauen, mehrmals ab. Und am Donnerstag wurde die Autonomendemo mit dem martialischen Motto „Welcome to Hell“ schon nach 150 Metern von Wasserwerfern gestoppt, obwohl der schwarze Block an der Spitze bis dahin nichts verbrochen hatte und viele Demonstranten offenkundig ihren Protest friedlich kundtun wollten. Dass die Polizei die autonomentypische Schwarzjackenkluft mit festgezurrten Kapuzen als verbotene Vermummung interpretierte, wirkte konstruiert. Aber auch als weiterer, logischer Schritt auf dem Weg der „Hamburger Linie“.

Das Auftreten des Rechtsstaats vor und während des G-20-Gipfels dürfte wenig angenehme Folgen haben. Für Hamburg selbst, weil die Stadt weltweit negative Schlagzeilen abbekommt. Und eine Befriedung zumindest des Umfelds der örtlichen und ziemlich starken linksradikalen Szene ist nun für längere Zeit kaum vorstellbar. Zumal für viele junge, kaum politisierte Menschen, die sich friedlich an den Protesten beteiligen und die harte Hand der Polizei zu spüren bekommen, der Rechtsstaat erstmal diskreditiert sein dürfte.

Problematisch wird es zudem für die Grünen, die in Hamburg mitregieren. Die Partei versteht sich als Bewahrer individueller Freiheitsrechte und unterstützt häufig Proteste, gerade auch gegen staatlichen Eingriff. „Hamburg“ ist jedoch ein anderes Signal, erst recht für die Anhänger der Grünen. Das könnte die Partei bei der kommenden Bundestagswahl zu spüren bekommen.

Welcome to Hamburg? Diese Woche klingt das reichlich makaber.

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