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Der US-Geheimdienst NSA hat schon viele internationale Politiker belauscht, unter anderem Bundeskanzlerin Angela Merkel. Derzeit verhandeln die USA und Deutschland über ein No-Syp-Abkommen.

© dpa

Die Macht der Geheimdienste: Regierungsberater: "Es ist wie in Orwells 1984"

Führende deutsche Sicherheitsexperten warnen vor einer schleichenden Kontrolle durch die Geheimdienste. Außerdem kritisieren sie die Verhandlungen um das No-Spy-Abkommen zwischen Deutschland und den USA. Wichtiger sei es, erst einmal eine europaweite Lösung zu finden.

Führende Sicherheitsberater der Bundesregierung haben die Verhandlungen um ein „No Spy“-Abkommen kritisiert und vor sicherheitspolitischen Folgen der zunehmenden Digitalisierung gewarnt. „Die Verhaltensmuster der Verbraucher können heute immer stärker kontrolliert und prognostiziert werden. Wir kommen damit in eine Situation, wie sie Orwell in seinem Roman ,1984’ beschrieben hat“, sagte der Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS), Hans-Dieter Heumann, dem "Tagesspiegel". Es gebe eine schleichende Kontrolle.

„In den fünfziger Jahren hat man noch vor dem militärisch-industriellen Komplex gewarnt. Heute gibt es einen nachrichtendienstlich-industriellen Komplex, der gefährlich sein kann, da Firmen das Verhalten der Kunden genau kennen und die Nachrichtendienste direkten Zugang zu diesen Informationen über die Firmen haben. Die Gefahr haben viele noch gar nicht wahrgenommen“, warnte Heumann.

Der NSA-Skandal sei so etwas wie die Stunde der Wahrheit, denn er offenbare, wie unterschiedlich die Vorstellung über die Rolle der Geheimdienste in Deutschland und den USA sei. „Während in Deutschland Geheimdienste vor allem ein Instrument der Aufklärung sind und die Dienste eher defensiv betrachtet werden, ist das in den USA völlig anders. In Amerika sind Geheimdienste ein Instrument der Außenpolitik und ein Mittel, um in anderen Ländern politischen Einfluss auszuüben“, erklärte Heumann.

Kritik an bilateralen Verhandlungen

Er kritisierte auch die Verhandlungen zu einem „No Spy“-Abkommen. „Der Versuch, ein bilaterales ,No Spy’-Abkommen zwischen Deutschland und den USA auszuhandeln, ist zum Scheitern verurteilt.“ Wichtiger sei, erst mal in Europa eine gemeinsame Basis und Regeln für die Geheimdienste aufzustellen und dann transatlantische Verhandlungen zu führen, keine bilateralen.

Außerdem kritisiert Heumann die Motivation für das Abkommen. „Es war auch unglücklich, dass ein solches bilaterales Abkommen vor allem innenpolitisch motiviert war, so etwas merken die Amerikaner und obwohl sie genauso handeln, reagieren sie da sehr allergisch.“ Trotzdem sei es sinnvoll die Gespräch jetzt als Grundlage zu nehmen für die innereuropäischen Diskussionen und dann die zwischen der EU und den USA."

Es gehe bei diesen Verhandlungen um eine gemeinsame Wertegrundlage der westlichen Welt, was man politisch in einer multipolaren Welt gar nicht hoch genug einschätzen könne.„Deshalb ist es so wichtig, in einem größeren Verbund sich zu verständigen und nicht nur zwischen zwei Staaten.

Täglich 2000-3000 Angriffe auf das Regierungsnetz

Nach Auskunft des Präsidenten des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Michael Hange, gibt es täglich etwa 2000 bis 3000 Angriffe auf das besonders geschützte Regierungsnetz. Die allermeisten könnten mit den gängigen vom BSI entwickelten Lösungen abgewehrt werden. „Allerdings gibt es täglich auch zirka fünf Angriffe mit so hohem technischen Niveau, dass nachrichtendienstlicher Hintergrund zu unterstellen ist“, sagte Hange dem "Tagesspiegel".

Das BSI beobachte auch kritische Webseiten und schaue, ob von dort Trojaner ins Netz gelangten, um Informationen auszuleiten. Rund 20 000 Mal im Monat würden Behördenmitarbeiter vor einer Seite gewarnt. Meist sei es Zufall, dass Mitarbeiter auf dieser Seite seien. „Allerdings kommt es auch rund 50 Mal im Monat vor, dass auf diesem Weg versucht wird, gezielt Informationen aus dem Regierungsnetz auszuleiten.

Hange rief dazu auf, besser vorzusorgen. Die Informationstechnologie wird aufgrund der Innovationszyklen immer komplexer und damit fehlerbehafteter. Die Fehler können konsequent ausgenutzt werden – sowohl von Kriminellen als auch von Staaten und Geheimdiensten“, sagte Hange.

Sicherheitsrisiko Smartphones

Vor allem Smartphones stellten ein Sicherheitsrisiko dar. „Smartphones bieten viel Funktionalität aber in puncto Sicherheit sind sie im Vergleich zu normalen Computern ein Sicherheitsrückschritt um rund zwanzig Jahre“, sagte Hange. Für den Regierungsapparat habe das BSI nun entsprechende Verschlüsselungstechniken für Daten und Sprache, die angewendet werden können. Er plädiere aber nicht für eine Abwendung vom Netz. "Das Internet kann nicht einfach abgeschaltet werden, wichtig ist, dass wir die Informationstechnik in Sachen Sicherheit mitgestalten und präventiv tätig werden."

Hundertprozentige Sicherheit könne es aber nicht geben. Der Präsident des BSI rief vor allem die Wirtschaft zu höherer Sensibilität auf. Auch die Wirtschaft müsse das Thema Datensicherheit noch ernster nehmen, sagte der BSI-Präsident. Ein Chef müsse wissen, was in seinem Netz die Kronjuwelen seien, die er besonders schützen müsse. Dafür gebe es besondere Schutzmechanismen. Überhaupt Immerhin sei die Nachfrage nach Verschlüsselungstechnologie in Deutschland gestiegen. „Deutsche Firmen sind da auch wegen der technischen Qualität der Produkte stark im Export“, erklärte Hange.

Die gestiegene Nachfrage – als Konsequenz aus dem NSA-Skandal. „Die NSA-Affäre ist ein Fanal“, sagte Hange, aber es gibt daran auch einen positiven Aspekt mit der gestiegenen Aufmerksamkeit für IT-Sicherheit.“ Sicherheit sei kein einfaches Geschäft und viele hielten es für lästig in der persönlichen Kommunikation, „aber durch Sicherheitsvorfälle wie die NSA-Affäre wird sie habe das Bewusstsein für die Risiken geschärft.

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