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Margot Käßmann

© dpa

Kirche und Terrorismus: Käßmanns Lob der Feindesliebe ist richtig

Man solle Terroristen "mit Beten und Liebe" begegnen, meint Margot Käßmann. Damit stellt sie sich gegen die Vergeltungslogik. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Claudia Keller

Die evangelische Theologin Margot Käßmann warnt vor Rachegelüsten gegenüber Terroristen. In einem Interview mit der Bild-Zeitung antwortete sie auf die Frage, was wohl Jesus zum Terror sagen würde: „Jesus hat eine Herausforderung hinterlassen: Liebet eure Feinde! Betet für die, die euch verfolgen!“ Auch wir sollten versuchen, „den Terroristen mit Beten und Liebe zu begegnen“, folgert die frühere EKD-Ratsvorsitzende daraus.

Wie bitte? Für Terroristen beten? Mörder lieben? In den sozialen Netzwerken wird Käßmann für ihre Äußerung mit Kritik überschüttet. Viele Kommentatoren wünschen sich ein wehrhaftes Christentum und keines, das ein Herz für Mörder zeigt.

Die christliche Botschaft soll verstören

"Nächstenliebe ist eine persönliche Angelegenheit. Strafverfolgung ist eine gesellschaftliche. Sollte man nicht vermischen und verdrehen.

schreibt NutzerIn seisdrum

Ich denke, mit einer Verfolgung, einer langen Haftstrafe (mit Ausblick auf ein späteres Leben) und einer danach erfolgten "Begnadigung" dürfte ein Staat sich mehr an den Worten Jesus orientieren als die meisten denken. Ein Staat kann (nach Verbüßung der Tat) vergeben und keiner muss deswegen sterben.

schreibt NutzerIn hanness

Auch Bischöfe berichten, dass sie in den vergangenen Monaten viele Zuschriften bekommen, in denen die Absender fordern, die Kirche müsse mehr Stärke zeigen und die „Muskeln spielen lassen“.

Doch dazu sollten sich Bischöfe nicht hinreißen lassen. Die Religionen werden weltweit missbraucht, um Konflikte zu schüren und Hass und Gewalt zu verbreiten. Umso nötiger sind Kirchen- und Religionsführer, die wie Margot Käßmann und Papst Franziskus dazu ermutigen, die Logik des Hasses zu durchbrechen und auf Gewalt nicht mit Gewalt zu reagieren.

Das mag auf den ersten Blick verstörend wirken und weltfremd. Doch es ist die Aufgabe des Christentums zu verstören, für Frieden einzutreten, wo Vergeltungslogik herrscht, für Vernunft zu werben, wenn die Emotionen durch die Decke gehen und eben auch Liebe zu fordern, wo Rache das nächstliegende Gefühl ist.

Jesus hat zur Vergebung aufgefordert, nicht zum Widerstand

Die christliche Botschaft stand auch vor 2000 Jahren quer zu den gängigen Erwartungen und nahe liegenden Emotionen. Am Kreuz flehte Jesus mit letzter Kraft Gott an, seinen Verfolgern zu vergeben – „denn sie wissen nicht, was tun“.

Hätte er den Römern Rache angedroht und seine Anhänger zum Widerstand aufgefordert, die Christen wären der römischen Besatzungsmacht hilflos ausgeliefert gewesen und schnell geschlagen. Ihre Bewegung wäre längst vergessen. Die Botschaft der Liebe und der Vergebung hingegen hat sich als enorme Stärke erwiesen. Gerade aus der scheinbaren Schwäche heraus hat sich das Christentum zu einer weltumspannenden Religion entwickelt.

Rachegelüste führen zu nichts Gutem

Das private Gebet für Terroristen ersetzt natürlich nicht den staatlichen Kampf gegen den Terror. Das weiß auch Margot Kaßmann. „Der Staat muss seine Bürger schützen“, sagt sie in dem Interview. Der Staat muss auch alles tun, um Terroristen zur Rechenschaft zu ziehen. Grundlage sind die Gesetze und die staatliche Verfassung. Rachegelüste sollten keinen Platz haben in der staatlichen Terrorbekämpfung.

Dennoch sind Rachegelüste verständliche Reaktionen auf Terror und Gewalt. Ebenso wie es Wut und Trauer sind. Doch der Wunsch nach Rache hat noch selten zu etwas Gutem geführt. Warum es dann nicht mal mit Beten versuchen? Das private Gebet verändert zumindest den Betenden selbst. Wer sich auf das Gespräch mit Gott einlässt, ist selbst hinterher ruhiger und gelassener. Das haben wissenschaftliche Studien ergeben. Einen Versuch ist es wert.

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