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Der Reformator Martin Luther wollte eigentlich keine neue Kirche gründen. Aber sein Protest gegen den Papst führte dann doch zur Abspaltung.

© Getty Images/iStockphoto

Kirche: Luther soll nun versöhnen

Das 500. Reformationsjubiläum 2017 wollen EKD und Bischofskonferenz für einen Prozess des „Healing of Memory“ nutzen.

An Martin Luther scheiden sich seit 500 Jahren die Geister. Für die Protestanten war er lange Zeit der uneingeschränkte Held, auf den sie ihre Kirche bauten; für die katholische Kirche war er der Dämon, der die Kirche spaltete. Die gegenseitige Abgrenzung entlang von Luthers Person und Werk stärkte über Jahrhunderte sehr wirkungsvoll die Identität der jeweils eigenen Gruppe. Die Spirale der gegenseitigen Diffamierungen drehte sich vor den großen Reformationsjubiläen besonders schnell.

Diesmal soll es anders laufen. 2017 wird es 500 Jahre her sein, dass Martin Luther seine revolutionären Thesen veröffentlichte. Die evangelische und die katholische Kirche wollen das Großereignis aber diesmal nicht zur Vertiefung der Spaltung nutzen, sondern zur Versöhnung. Am Freitag haben die beiden Kirchen einen Prozess des „Healing of Memory“ angestoßen. Um den Austausch zu beflügeln, wollen evangelische und katholische Bischöfe im Oktober zusammen im Heiligen Land pilgern. Im März 2017 laden die beiden Kirchen außerdem zu einem zentralen „Buß- und Versöhnungsgottesdienst“ ein. Zahlreiche Versöhnungsgottesdienste in den Landeskirchen und Bistümern sollen folgen.

Die Konflikte sind den Kirchen heute peinlich

„Der Blick in die Geschichte legt offen, was Christen einander an Leid und Verletzungen angetan haben. Das erschüttert und beschämt uns“, heißt es in dem Dokument „Erinnerung heilen – Jesus Christus bezeugen“, das der EKD-Ratsvorsitzende Bischof Heinrich Bedford-Strohm und der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Kardinal Reinhard Marx am Freitag vorstellten.

„Wir können heute als Katholiken unumwunden sagen, dass Martin Luther eigentlich keine neue Kirche gründen wollte. Er wollte den Blick auf den gnädigen und barmherzigen Gott lenken und den Menschen Mut machen, ihr Leben ohne Angst in diesem Gott festzumachen“, sagte Kardinal Marx. „Wir können mit den bleibenden Unterschieden besser umgehen als frühere Generationen“, bekräftigte Bischof Bedford-Strohm. Der nun angestoßene „Heilungs“-Prozess soll „psychologische Blockaden lösen“ und motivieren, die theologischen Grundfragen zu bearbeiten, die die Kirchen nach wie vor trennen, etwa beim Amts- und Kirchenverständnis.

Die Annäherung ist nicht selbstverständlich

Der Schritt aufeinander zu ist keine Selbstverständlichkeit. Nach einer Phase der Annäherung hatten sich die Kirchen in den vergangenen 15 Jahren wieder voneinander entfremdet, zumindest in ihren offiziellen Verlautbarungen. 2000 sprach die römische Glaubenskongregation unter dem Vorsitz von Joseph Ratzinger den Protestanten ab, „Kirche im eigentlichen Sinn“ zu sein. 2006 profilierte der EKD- Ratsvorsitzende Wolfgang Huber die evangelische Kirche als „Kirche der Freiheit“, worauf sich die Katholiken fragten, ob sie jetzt die „Kirche der Unfreiheit“ seien. Danach stritten sich die Kirchen jahrelang darüber, ob 2017 als Reformationsjubiläum gefeiert werden dürfe oder nur als Reformationsgedenken, wie es die katholische Seite wünschte. Vergangenes Jahr verständigten sich Bedford- Strohm und Marx darauf, 2017 gemeinsam als „Christusfest“ zu feiern.

Luther hetzte gegen Juden und Bauern

Die evangelischen Bischöfe betonen außerdem, dass 2017 sowieso kein reines Jubeljahr werden dürfe. Luthers Abgründe, sein Hass auf die Juden, seine Hetze gegen die Bauern, sind ihnen heute zu Recht peinlich. Im Frühjahr kündigte Papst Franziskus überraschend an, an der Eröffnung des Jubiläumsjahrs im schwedischen Lund teilzunehmen. Auch das hätte vor drei Jahren keiner erwartet.

Doch die neue Freundschaft ist ein zartes Pflänzchen. „Neben hoffnungsvollen Annäherungen gibt es nach wie vor erhebliches Misstrauen, in einzelnen Regionen der Welt sogar offene Feindschaft zwischen Katholiken und Protestanten“, schreiben Bedford-Strohm und Marx. Auch dürfe man keine schnelle Lösung der theologischen Differenzen erwarten. Dass sich die beiden Kirchen irgendwann einmal vereinen, steht nicht zur Debatte.

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