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Soziales Gewissen. Der CDU-Politiker Karl-Josef Laumann

© Kai-Uwe Heinrich

Kinder in Hartz-IV-Haushalten: CDU-Politiker Laumann fordert "nationale Kraftanstrengung" für Chancengleichheit

Der CDU-Politiker Karl-Josef Laumann verlangt gleiche Aufstiegschancen für alle Kinder im Land. Seine Partei dürfe das Thema der sozialen Sicherung nicht aus den Augen verlieren.

Schwarz-Gelb mit euphorisierten Liberalen in Nordrhein-Westfalen – kann das gut gehen, Herr Laumann?

Kaum einer hat mit diesem Ergebnis gerechnet. Trotzdem glaube ich, dass es bald zu Koalitionsverhandlungen kommt. Weil CDU und FDP den Politikwechsel wirklich wollen.
Ist es unvorstellbar, dass sich die FDP am Ende doch noch verweigert?

Ich kann es mir nicht vorstellen. Die Menschen in NRW wollen doch, dass die Wahlsieger Verantwortung übernehmen.

Sehen Sie sich nun auch in der Pflicht, den Menschen durch gutes Regieren und bescheidenes Auftreten in NRW die Angst vor Schwarz-Gelb im Bund zu nehmen?
Wenn man schnell zu einer Regierungsbildung käme, könnte man noch vor der Bundestagswahl zeigen, dass Schwarz- Gelb für ganz Deutschland wieder ein mögliches Modell ist. Und dass wir dabei alle Gruppen der Gesellschaft im Blick haben. Das Gespann Kohl-Genscher hat der Republik ja auch gut getan. Wir müssen in Nordrhein-Westfalen gut regieren und die Probleme des Landes lösen. Dabei sollten alle Beteiligten versuchen, mit beiden Beinen fest auf der Erde zu bleiben.

Muss FDP-Chef Christian Lindner aufpassen, dass er nicht abhebt?

Christian Lindner holt für seine Partei heraus, was er kann. Das ist sein Job. Ich kenne ihn aber auch als jemanden, mit dem man vernünftig reden kann und der Abmachungen einhält. Ich denke, dass man mit ihm ernsthafte Koalitionsgespräche führen kann und dass seine FDP einen verlässlichen Partner abgibt.

Das Thema Innere Sicherheit war für die Union im Wahlkampf sehr wichtig, vielleicht sogar ausschlaggebend. Wie passt das zu einer FDP, die sich gegen mehr Überwachung stemmt?

Ich bin mir sicher, dass es der FDP ebenfalls ein Anliegen ist, die Menschen vor Verbrechen zu schützen. Dass man auch dort der Meinung ist, dass der Staat die körperliche Unversehrtheit seiner Bürger zu gewährleisten hat. Dass so was wie in der Kölner Silvesternacht nie wieder passieren darf. Wenn man sich über diese Ziele einig ist, wird man sich auch über die Rezepte einig werden.

Ist die Bundestagswahl für Merkel und die CDU nach den Wahlsiegen im Saarland, in Schleswig-Holstein und NRW gelaufen?

Vier Monate vor der Bundestagswahl war das natürlich Gold wert. Aber wir haben nur Landtagswahlen gewonnen. Keiner in der CDU sollte glauben, wir hätten schon alles in der Tasche. Wir müssen die Geschlossenheit zwischen CDU und CSU wahren. Und wir müssen um jede Stimme kämpfen. Deshalb brauchen wir ein gutes und ausgewogenes Wahlprogramm.

Wie sozial sollte Ihre Partei im Wahlkampf denn auftreten?

Die CDU muss aufpassen, dass sie vor lauter Wirtschafts- und Finanzkompetenz das Thema der sozialen Sicherung nicht aus den Augen verliert. Sonst bekommen wir ein Problem. Schwarz-Gelb im Bund war auch so unbeliebt, weil über nötige Veränderungen wie einen Mindestlohn mit der FDP nicht zu reden war.

Kann sich eine Partei wie die CDU damit abfinden, dass Millionen von Kindern in Hartz-IV-Haushalten aufwachsen?

Zum christlichen Menschenbild hat immer gehört, dass die Menschen eine faire Chance haben müssen, ihre Talente zu entwickeln. Es darf nicht sein, dass in der einen Familie nur Chancen vererbt werden und in der anderen nur Chancenlosigkeit. Dazu bedarf es einer nationalen Kraftanstrengung. Und das muss auch in unser Wahlprogramm. Dass man in unserer Gesellschaft mit Fleiß und Anstrengung auch aus kleinen Verhältnissen aufsteigen kann, ist Kern der Unionspolitik.

Was heißt das konkret?

In Stadtteilen mit schwierigen sozialen Verhältnissen müssen die Schulklassen kleiner sein. Und wir müssen Schularbeit, Arbeitsmarktpolitik und Sozialhilfe viel enger zusammenbringen. Wenn ein Kind kein Butterbrot in der Schule dabei hat, liegt das nicht an einem zu geringen Regelsatz. Es liegt daran, dass zuhause keiner aufsteht und ihm das Brot schmiert. Ein Kind kann sich nicht entwickeln, wenn es aus seinem privaten Umfeld null Unterstützung bekommt. Das alles müssen die Familien wieder lernen. Dafür benötigen wir deutlich mehr Sozialarbeiter. Wir sollten auf Demografie-Kongressen nicht so viel über Kinder reden, die nicht geboren werden, sondern uns gerade um die kümmern, die wir haben.

Wird die CDU im Wahlkampf auch sagen, wie sie die Rente sichern will?

Ich kann nur raten, vor dem Herbst keine Debatte über das Rentenniveau zu führen. Wenn die CDU hier eine Zahl nennt, wird die SPD eine nennen, die darüber liegt. Und die Linke geht nochmal höher. So kann man keine Rentenpolitik machen.

Danach werden Sie aber um eine Festlegung nicht herumkommen...

Ja, in der nächsten Wahlperiode müssen wir uns auf das Rentenniveau für die jetzt 30- und 40-Jährigen verständigen. Dafür brauchen wir dann aber nicht nur Konsens in der Politik, sondern auch zwischen den Sozialpartnern. Arbeitgeber und Gewerkschaften müssen diese Renten schließlich erwirtschaften. Und ich werde alles dafür tun, dass wir keine Forderungen aufstellen, die nur der jetzigen Rentnergeneration zugute kommen.

Die CSU will nochmal mehr Mütterrente. Ist das sinnvoll?

Das halte ich für schwierig. Nicht, weil ich es denen, die Kinder erzogen haben, nicht gönne. Aber das wird wieder sechs Milliarden Euro kosten, die an anderer Stelle fehlen werden, etwa bei der Verbesserung der Erwerbsminderung. Denn bei den allermeisten Frauen reden wir nicht über die Bekämpfung von Altersarmut. Wenn wir wirklich etwas für arme Rentnerinnen tun wollen, dürfen wir die Mütterrente nicht länger auf die Grundsicherung im Alter anrechnen. Nur so erreichen wir die wirklich Bedürftigen, die von den bisherigen Erhöhungen gar nichts hatten. Und es würde weit weniger kosten.

Ein Rückkehrrecht für Teilzeitarbeiter in den früheren Vollzeitjob könnte auch helfen, höhere Rentenansprüche zu erwerben.

Im Grundsatz bin ich für ein solches Rückkehrrecht. Man kann das in einem Betrieb mit einem Dutzend Beschäftigten natürlich nicht so machen wie in großen Verwaltungen. Aber wir müssen klar sehen: Junge Eltern brauchen Zeitsouveränität. Vielleicht benötigt ja auch ein älteres Kind mal dringend Hilfe, um die Schule zu packen. Oder es muss sich jemand mal um seine pflegebedürftigen Eltern kümmern. Wir wollen unsere Wirtschaft nicht drangsalieren. Begründete Familienanliegen müssen aber bei der Gestaltung der Arbeitswelt Berücksichtigung finden.

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