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Massoud Barzani (mitte), der Präsident der kurdischen Region in Irak, heute beim Besuch in Kirkuk.

© reuters

Kampf um Kurdistan: Bagdad will Referendum verhindern

Die Lage im Irak eskaliert - das irakische Parlament hat das geplante Unabhängigkeitsreferendum der Kurden untersagt und will die Einheit eines völlig zerstrittenen Landes erzwingen.

Trotz erstarkendem Widerstand halten die Kurden im Irak am geplanten Unabhängigkeitsreferendum fest. Es handele sich um eine Entscheidung des Volkes, sagte Massoud Barzani bei einem Besuch in Kirkuk an diesem Dienstag. Barzani ist Präsident der bislang autonomen Region Kurdistan in Nordirak - neben seiner konservativen KDP wollen die meisten Parteien am 25. September über einen eigenen Staat abstimmen lassen. Dies will die Zentralregierung in Bagdad verhindern - und schweißt so die Kritiker in Erbil zusammen. Das irakische Parlament lehnte das Referendum am Dienstag mit deutlicher Mehrheit ab - die meisten Abgeordneten sehen sich als Vertreter der arabischen, meist strenger muslimischen Mehrheit in Irak.

Von 328 Parlamentariern sprachen sich 204 gegen die kurdische Volksabstimmung aus, sie sei ein Verstoß gegen die Verfassung. Die Abgeordneten beauftragten die Zentralregierung in einer Resolution zudem damit "alle Maßnahmen" zu ergreifen, um die Einheit des Landes zu bewahren. Bedeutet das Krieg - in einem ohnehin zerkämpften Land?

Kurden: "Wir werden die Bewohner entscheiden lassen"

Mit Widerstand hatte die kurdische Autonomieregierung in Erbil gerechnet. Trotzdem, so muss man es wohl sagen, sind die Kurden entschlossen genug, das Referendum selbst in Kirkuk durchführen zu lassen. Die Provinz ist zwischen Kurden und Arabern umstritten, unter Diktator Saddam Hussein sollte sie arabisiert werden. Dass Kurden-Präsident Barzani nun Kirkuk besuchte, ist als Durchhaltesignal zu verstehen.

„Wir werden die Bewohner dort über ihre Zukunft entscheiden lassen“, hatte kürzlich Farhad Atrushi, Gouverneur der Provinz Dohuk dem Tagesspiegel gesagt. „Und wir werden je nach Ausgang der Wahl dann mit Bagdad verhandeln.“ Dohuk an der türkischen Grenze ist kurdisches Kerngebiet, dort wird beim Referendum mit überwältigender Zustimmung für die Unabhängigkeit gerechnet. „Wir verstehen, dass das für die Bundesregierung nicht einfach ist, aber die Kurden haben das Recht auf Selbstbestimmung.“ Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte davor gewarnt, „Staatsgrenzen neu ziehen“ zu wollen.

Irak, Türkei, Iran - lauter Feinde Kurdistans

Dabei ist der Irak seit dem Sturz Saddam Husseins 2003 ohnehin in einen schiitischen Süden, eine sunnitische Mitte und einen kurdischen Norden zerfallen – wobei keine der Regionen religiös oder ethnisch homogen ist. Die mehrheitlich sunnitischen, oft auch säkularen Kurden im Norden – und mit ihnen viele kurdische Jesiden und aramäische Christen – verwalten sich de facto sogar seit 1991 selbst. Damals setzten die USA eine gegen Saddam Hussein gerichtete Flugverbotszone durch.

Neben den Regierenden in Bagdad sind vor allem die Türkei unter Recep Tayyip Erdogan und der Iran unter den Mullahs gegen die Sezession. Erdogan fürchtet, dass ein neues Kurdistan die Lage im eigenen Land zuspitzt: Die mit Abstand meisten der geschätzt 30 Millionen Kurden leben in der Türkei. Dort hat auch die militante Kurdische Arbeiterpartei PKK die meisten Anhänger, während sie in den nordirakischen Kandil-Bergen ihr Hauptquartier unterhält. Die PKK selbst hält das Referendum übrigens für ungeeignet die Lage aller Kurden zu verbessern. Die Mullahs in Teheran wiederum fürchten das Aufbegehren der Kurden im eigenen Land, auch dort werden deren Autonomiebestrebungen unterdrückt.

Was machen die USA?

Und dann wäre da noch Syrien: Erdogan ärgert, dass die PKK-Schwesterpartei PYD in Syrien ebenfalls eine Autonomieregion erkämpfte, die fast so groß ist wie die im Nordirak. Die Türkei greift PYD-Quartiere in der Rojava genannten nordsyrischen Zone an – und fürchtet dabei die US-Amerikaner, die in den syrischen Kurden die engsten Verbündeten im Anti-IS-Kampf sehen.

Nun wird viel davon abhängen, was die USA zum Referendum in Nordirak sagen. Mit Blick auf die 22 Staaten der Arabischen Liga hatte Dohuk-Gouverneur Atrushi kürzlich erzählt: „Wir werden friedlich, aber entschlossen auf ein eigenes Land bestehen.“

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