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Der Berliner Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) regt eine Verlängerung für den Europäischen Fonds für strategische Investitionen (Efsi) an.

© Mike Wolff

"Juncker-Plan" für Investitionen: Zweifel am Hebel

Im vergangenen Jahr hob EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker einen milliardenschweren Fonds zur Förderung von Investitionen in der EU aus der Taufe. Doch inzwischen kommen Zweifel auf, ob der "Juncker-Plan" tatsächlich die gewünschte Wirkung hat. Berlins Finanzsenator Kollatz-Ahnen schlägt deshalb vor, den Fonds über 2017 hinaus zu verlängern.

Als Jean-Claude Juncker im Juli 2014 vom Europaparlament in Straßburg zum EU-Kommissionspräsidenten gewählt wurde, machte er vor den Abgeordneten eine klare Ansage. „Meine oberste Priorität“, sagte der Luxemburger, „wird darin bestehen, Europa wieder auf Wachstumskurs zu bringen“. Deshalb werde er in den ersten drei Monaten seiner Amtszeit ein milliardenschweres Investitions- und Wachstumspaket präsentieren, kündigte er an. Der „Juncker-Plan“, ein Investitionsprogramm mit einem Gesamtvolumen von 315 Milliarden Euro, war geboren. Das Programm war ein Zugeständnis an die Sozialdemokraten im Europaparlament, die dem Christsozialen Juncker seinerzeit im Straßburger Plenum ihre Stimme gaben. Doch mittlerweile gibt es im Lager der Sozialdemokraten Zweifel, ob der Juncker-Plan tatsächlich die gewünschte Wirkung zeigt.

SPD-Europaabgeordneter Bullmann: Nachhaltige Energieprojekte fördern

Mit dem Europäischen Fonds für strategische Investitionen (Efsi) können Projekte bis zum Jahr 2017 gefördert werden. Für eine belastbare Zwischenbilanz ist es noch zu früh, weil der Fonds erst im vergangenen Herbst seine Arbeit aufgenommen hat. Aber dem SPD-Europaabgeordneten Udo Bullmann kommen doch leise Zweifel, ob mithilfe des Juncker- Plans tatsächlich jene Vorhaben gefördert werden, welche auch den Vorstellungen der Parlamentarier entsprechen – beispielsweise nachhaltige Energieprojekte, die auf die Schonung der Ressourcen ausgerichtet sind. „Der Juncker-Plan“, sagt Bullmann, „ist eigentlich für Projekte gedacht, für die ein gesellschaftlicher Bedarf besteht, die aber anderweitig nicht zu finanzieren wären.“

Ähnlich sieht es auch Zsolt Darvas vom Brüsseler Thinktank Bruegel: „Der Juncker-Plan wird nur dann einen echten Mehrwert bringen, wenn damit Risiko-Projekte abgesichert werden.“ Zwar liege der Kommissionschef mit seinem Vorhaben, die „große Investitionslücke in Europa“ zu schließen, richtig. Es sei aber ein Geburtsfehler des Fonds, dass im Geldtopf nur in geringem Maße EU-Mittel liegen, sagt Darvas.

Zwar hört sich das über drei Jahre verteilte Investitionsvolumen von 315 Milliarden Euro erst einmal gewaltig an. Doch beim Großteil dieser Summe handelt es sich um Privatkapital, das über EU-Gelder abgesichert wird: Die EU-Kommission und die Hausbank der EU, die Europäische Investitionsbank (EIB), stellen einen Grundstock von 21 Milliarden Euro zur Verfügung, über den das restliche private Risikokapital in Höhe von 294 Milliarden Euro angelockt werden soll.

Vor allem Frankreich, Italien und Spanien kommen zum Zuge

An der Wirksamkeit dieses „Hebels“, mit dem Kapital im Verhältnis 1:15 mobilisiert werden soll, waren bereits im vergangenen Jahr aus der Bundesregierung in Berlin Zweifel laut geworden. EIB-Präsident Werner Hoyer zeigte sich aber jüngst dennoch optimistisch, dass der „Hebel“ in der verbleibenden Laufzeit des Juncker-Plans Wirkung zeigt. Der frühere Staatsminister im Auswärtigen Amt verwies darauf, dass viele der bisher von der EIB angestoßenen Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien zu finden seien. Nach den Angaben der EU-Kommission hat die EIB bislang 46 Vorhaben mit einem Volumen von 6,7 Milliarden Euro für förderwürdig erklärt.
Allerdings sind die Mittel in Europa bislang ungleich verteilt. Unter den 46 von der EIB gebilligten Projekten sind jeweils acht aus Frankreich und Italien sowie sieben Vorhaben aus Spanien zu finden. Trotzdem glauben Experten wie Zsolt Darvas nicht daran, dass der Investitionsfonds dem von der Euro-Krise besonders betroffenen Süden Europas entscheidende Impulse verleihen kann: „Ich bin nicht sicher, dass der Juncker-Plan im Süden Europas Großes leisten wird.“ In Griechenland hat die EIB in Ermangelung geeigneter Vorhaben bislang noch kein einziges Investitionsvorhaben genehmigt – was allerdings der Logik des Juncker-Plans entspricht. Von Anfang an hatte sich der Kommissionspräsident dagegen gewandt, Geld mit der Gießkanne in Europa zu verteilen. Länderquoten soll es beim Investitionsfonds nicht geben. Wirtschaftlichkeit soll wichtiger sein als die geografische Lage, lautet die Devise der Kommission.

Ausbau der A6 steht auf der Förderliste - aber Dobrindt treibt das Vorhaben ohnehin voran

Ob mit dem Geld aus Brüssel tatsächlich auch immer Projekte gefördert werden, für die sich ansonsten kein Investor gefunden hätte, ist allerdings fraglich. „Es lässt sich schwer überprüfen, ob ein Investor, der sein Geld in ein Projekt des Investitionsfonds steckt, die Mittel nicht ohnehin lockergemacht hätte“, sagt Zsolt Darvas. Das zeigt sich am Beispiel des Ausbaus der Autobahn A6 zwischen Weinsberg und der bayerischen Landesgrenze. Das Projekt steht auf der Liste der Europäischen Investitionsbank – doch Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) treibt den Ausbau ohnehin seit geraumer Zeit voran.

Kollatz-Ahnen: Erweiterung des Berliner Flughafens wäre Projekt für Investitionsfonds

Derweil ist der Berliner Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen der Auffassung, dass Junckers Investitionsfonds erst dann seine volle Wirkung entfalten kann, wenn er über 2017 hinaus um drei Jahre verlängert wird. Kollatz-Ahnen kennt sich aus im Fördergeschäft: Zwischen 2006 und 2012 war er selbst Vorstand der EU-Hausbank EIB. Und für die Brüsseler Geldgeber hat der SPD-Politiker den Tipp, die Eröffnung des neuen Berliner Flughafens – wann auch immer sie stattfindet – im Blick zu behalten: „Die nach der Eröffnung des Flughafens fällige Erweiterung wäre ein Projekt für den Investitionsfonds.“

Der Text erschien in der "Agenda" vom 15. März 2016, einer Publikation des Tagesspiegels, die jeden Dienstag erscheint. Die aktuelle Ausgabe können Sie im E-Paper des Tagesspiegels lesen.

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