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Am 1.April protestierten Südkoreaner vor der japanischen Botschaft in Seoul gegen die Äußerungen von Shinzo Abe über die "Trostfrauen".

© Jung Yeon-Je/AFP

Japan: Neue Schulbücher verärgern die Nachbarn

Japan hat die Geschichtsbüchern überarbeitet und versucht vor allem die Kriegsverbrechen im Zweiten Weltkrieg und territoriale Fragen in ein neues Licht zu rücken. China und Südkorea sind empört.

Als Bundeskanzlerin Angela Merkel Anfang März Japan besuchte, sprach sie neben der Energiepolitik und den Handelsbeziehungen auch die gemeinsame Kriegsvergangenheit beider Länder an: „Es gab eine große Bereitschaft in Deutschland, die Dinge beim Namen zu nennen“, sagte die Bundeskanzlerin bei einer Diskussion mit Studenten und Professoren in Tokio. Ohne es zu erwähnen, wurde deutlich, was Merkel meinte: In Japan sollte man offener über das Geschehen bis 1945 sprechen, um sich so auch in der ostasiatischen Region nicht weiter unbeliebt zu machen.

Ein altes Thema reißt wieder auf

In Japan hingegen beschwert man sich gelegentlich, dass die Nachbarn dem Land bis heute nicht die Aggressionen im Zweiten Weltkrieg verziehen hätten. Was aber auch daran liegt, dass Japan im Umgang mit der Vergangenheit seinen eigenen Weg geht. Ein kontroverses Beispiel dafür ist die Bildungspolitik, die von den durch Tokio einst gewaltsam unterjochten Ländern China und Südkorea immer wieder kritisiert wird und die Beziehungen zwischen diesen Ländern seit jeher belastet. Jetzt gibt es neuen Anlass für Aufregung: Die Anfang der Woche vorgestellten neuen Geschichtsbücher für Mittelschüler, in denen insbesondere die Darstellung des Zweiten Weltkriegs überarbeitet wurde. Ein altes Thema reißt mal wieder auf. Die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua bezeichnete die Schritte als revisionistisch und die Regierung von Japans Premierminister Shinzo Abe als „zunehmend rechtslastig“. Kwang-Il Noh, Sprecher des südkoreanischen Außenministeriums, sagte: „Wenn man verquere Territorialansichten an die nächste Generation weitergibt, steigt die Gefahr, vergangene Fehler erneut zu begehen.“ Doch auch in Japan gibt es Kritik. Hidenori Fujita, Professor an der Kyoei-Universität, sagte gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunksender NHK: „Soziale Angelegenheiten sind komplex und erlauben mehr als eine Ansicht. Es hilft nicht, nur eine Sichtweise zu erwähnen.“ Die neuen Textbücher stützten sich aber fast ausschließlich auf die umstrittene Ansicht der japanischen Regierung.

Streitpunkt Zwangsprostitution

Die neuen Bücher, die ab kommendem Schuljahr eingesetzt werden sollen, erwähnen auffällig häufig die territorialen Ansprüche Japans auf Gebiete, die auch andere Länder als ihren Besitz ansehen. Darunter ist die Inselgruppe Senkaku, die Japan verwaltet, aber auch China und Taiwan beanspruchen, sowie die von Südkorea kontrollierten Inseln Takeshima, die Tokios Regierung als japanisch betrachtet. Auch das Massaker von Nanking, in dem japanische Soldaten nach chinesischen Angaben 1937 rund 300.000 Chinesen töteten, soll weiterhin nicht als Massaker, sondern als „Vorfall“ bezeichnet werden.

Zudem wurden Passagen gestrichen, in denen unter anderem eine ehemalige „Trostfrau“ über ihre Erfahrung im Krieg berichtete. Bei den sogenannten „Trostfrauen“ handelte es sich um Zwangsprostituierte in den japanischen Kolonien, insbesondere in Korea, die japanischen Soldaten dienten. Im neuen Buch steht nun, es gebe streng genommen keine harten Beweise dafür, dass es sich bei den Trostfrauen um Zwang handelte. Betroffene Frauen protestieren seit Jahren wöchentlich vor der japanischen Botschaft in Südkorea, um sich eine deutlichere offizielle Anerkennung durch Japan zu erstreiten.

Konservative gewinnen an Einfluss

Bei den neuen Lehrbüchern handelt es sich um die erste Überarbeitung, seit im vergangenen Jahr neue Richtlinien in Kraft traten. Allerdings ist es nicht das erste Mal, dass das Land in jüngster Vergangenheit seine Bildungspolitik gezielt in Bezug auf die Kriegsvergangenheit überdenkt. Der rechtskonservativen Regierung von Premier Shinzo Abe ist es ein Anliegen, die Geschichtsschreibung nicht allzu sehr von außen diktieren zu lassen. Seit seinem Amtsantritt Ende 2012 wurden auch Bücher aus dem Bildungskanon gestrichen, die sich kritisch mit Japans Rolle im Zweiten Weltkrieg befassen. Eines der bekanntesten Beispiele hierfür ist der pazifistische Mangaklassiker "Hadashi no Gen" (deutsche Version: Barfuß Gen), der in Hiroshima nach dem Fall der Atombombe spielt.

Konservative Historiker haben in Japan wieder an Einfluss gewonnen. Und von der Kritik aus Peking und Seoul kommt in Tokio nicht viel an. Der Kabinettssekretär der Regierung Yoshihide Suga betonte, alle Inhalte der Bücher seien von Experten, ohne politische Absichten und den nationalen Lehrrichtlinien getreu, begutachtet worden. Zudem habe sich an der japanischen Haltung zu Territorialfragen nie etwas geändert. Bildungsminister Hakubun Shimomura sagte zudem, Kinder müssten korrektes Wissen über ihr Land und dessen Territorium haben, um in einer globalen Welt leben zu können. Gern würde Shimomura über dieses Thema auch mit seinen Kollegen aus Korea und China sprechen. Wenn die noch zuhören wollen.

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