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Eine Jamaika-Koalition im Bund? Beim Parteitag der schleswig-holsteinischen CDU (die mit FDP und Grünen regiert) diente die karibische Flagge im Juni schon als Knabbertütenverpackung.

© Daniel Bockwoldt/dpa

Mögliche Jamaika-Koalition: Wie regiert man zu viert?

Die Berliner Politologin Sabine Kropp sagt ein schwieriges Koalitionsmanagement voraus, falls es zu einer Jamaika-Koalition kommt. Ein guter Koalitionsvertrag allein reicht nicht.

Schon merkwürdig: 84 Prozent der Deutschen sagen laut Infratest dimap, die wirtschaftliche Lage sei gut. Aber die beiden Regierungsparteien verlieren wie nie zuvor. Eine rechtspopulistische Partei zieht ins Parlament ein. Die SPD will sich in die Opposition retten, die Union muss schauen, wie sie zurechtkommt – denn der Regierungsauftrag liegt bei ihr als dennoch stärkster Kraft. CDU-Chefin Angela Merkel, in Berlin wie in Brüssel schon seit Jahren an Krisenmanagement und das Zusammenbringen von divergierenden Kräften gewöhnt, muss nun ihr vielleicht schwierigstes Bündnisprojekt angehen.

Sabine Kropp, Politik-Professorin an der Freien Universität Berlin, hält das Ergebnis der Wahl für „ein kleines Erdbeben“. Die Expertin für das Thema Koalitionsbildung geht davon aus, dass nach der Absage der SPD „nun eigentlich nur noch die Jamaika-Option infrage kommt. Und das wird ein sehr interessanter Versuch werden, eine Koalition zu bilden, weil faktisch ja vier Parteien daran beteiligt sind“. Als CDU, FDP, Grüne und CSU - in der Reihenfolge ihres Wahlergebnisses. Dabei sieht Kropp das Problem weniger in der Koalitionsbildung an sich, diese könne über einen entsprechend formulierten Koalitionsvertrag durchaus gelingen. „Natürlich lassen sich Stolpersteine so zunächst aus dem Weg räumen, aber solche Verträge sind notgedrungen immer unvollständig.“ Erheblich schwieriger wird ihrer Ansicht nach daher das Koalitionsmanagement im Lauf der Wahlperiode. Erhebliche „Spannungs- und Bruchlinien“ sieht sie vor allem zwischen CSU und Grünen in der Flüchtlingspolitik und bei der inneren Sicherheit oder zwischen CDU und FDP in der Wirtschaftspolitik.

Ressortvergabe wird entscheidend sein

Freilich gebe es in Europa durchaus Erfahrungen mit solchen Mehrparteienkoalitionen. Ein Weg, Konflikte zu umschiffen, ist laut Kropp die Ressortvergabe. „Hier kann man den einzelnen Parteien Raum geben zur Profilierung bei der jeweiligen Klientel, auch wenn das zu einer stärkeren Segmentierung der Regierungspolitik führt.“ So könne man der FDP bei der Digitalisierungspolitik freie Hand lassen, die Grünen für die Energiewende verantwortlich machen, die CSU bei der inneren Sicherheit. Die CDU könnte sich unter anderem über Arbeit und Soziales profilieren. Bei übergreifenden Problemen, und die zeigen sich schnell, werde es aber schwierig, das durchzuhalten. Denn im Kabinett sei es üblich, dass keine Partei überstimmt werden dürfe – also habe auch jede Partei ein Vetorecht. Auffangen könne man das dadurch, dass in größeren Paketlösungen allen Beteiligten etwas zugestanden werde.

Ein Problem von „Jamaika“ sieht die FU-Politologin auch in der geringen Parlaments- und Regierungserfahrung der FDP-Fraktion. Sie trete ohne große Vorbereitung in einen sehr komplexen politischen Betrieb ein, was für die Koalition „ein gewisses Risikopotenzial darstelle“. Weil eine Vierer-Koalition schwierig zu lenken sei, werde die CDU wohl eines nicht tun, ist Kropp überzeugt: „Angela Merkel wird wohl nicht zulassen, dass ein solch zentrales Ressort wie das Finanzministerium in die Hand eines kleinen Koalitionspartners kommt.“ Denn gerade dieses Ressort habe erhebliche Lenkungsbefugnisse.

Akzeptanz von "Jamaika" nicht so gering

Laut Forschungsgruppe Wahlen ist die Akzeptanz einer Jamaika-Koalition gar nicht so gering. Vor die Wahl gestellt – entweder eine weitere „Groko“ oder eben Schwarz-Gelb-Grün – votieren 50 Prozent der Teilnehmer einer Umfrage aus der Vorwoche für Schwarz-Rot, aber immerhin 41 Prozent für Jamaika. Und Merkels Stärke als Führungsfigur ist trotz des schlechten Abschneidens ihrer Partei nicht untergraben: 57 Prozent wollen sie als Kanzlerin, 59 Prozent sagen, sie könne Deutschland eher durch unsichere Zeiten führen. In der Wahlanalyse der Forschungsgruppe heißt es: „Selbst wenn Angela Merkel inzwischen partiell polarisiert, bescheinigen ihr praktisch wie im hervorragenden Schnitt der letzten zwölf Jahre 73 Prozent der Deutschen als Kanzlerin gute Arbeit.“ Das dürfte Merkel in den Gesprächen mit potenziellen Koalitionspartnern ausspielen. Zumal die CSU in Bayern weitaus tiefer einbrach als die CDU.

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