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In vielen Teilen der Welt geht es Frauen immer noch durchschnittlich schlechter als Männern.

© dpa

Jahresbericht des Weltwirtschaftsforums: Gleiche Bezahlung von Männern und Frauen erst in 170 Jahren

Das Land mit dem höchsten Maß an Gleichberechtigung ist zum achten Mal hintereinander Island. Deutschland steht, zwischen Namibia und Burundi, erst auf Platz 13 der Rangliste.

Bis Frauen und Männern weltweit für die gleiche Arbeit gleich bezahlt werden, wird es einer neuen Studie zufolge noch 170 Jahre dauern. Wenn sich an der momentanen Entwicklung nichts ändere, werde die wirtschaftlich Gleichstellung von Frau und Mann erst im Jahr 2186 erreicht, heißt es in der jährlichen Untersuchung des Weltwirtschaftsforums zur Geschlechtergleichstellung, die am Mittwoch veröffentlicht wurde. Es gebe eine "dramatische Rückwärtsentwicklung" in diesem Bereich.

Im vergangenen Jahr hatte das Weltwirtschaftsforum die Zeitspanne bis zur wirtschaftlichen Gleichstellung noch mit 118 Jahren angegeben. Doch seit Erreichen des bisherigen Bestwerts im Jahr 2013 habe sich die Ungleichheit weiter vergrößert, heißt es in dem Bericht.

Besonders was politische Teilhabe und ihre wirtschaftliche Lage betrifft, geht es Frauen in weiten Teilen der Welt nach wie vor deutlich schlechter als Männern, stellt der Jahresbericht des Weltwirtschaftsforums (WEF Gender Gap Report) fest. Obwohl es etwa Fortschritte im Bildungsabstand gab, habe sich dies "nicht in gleichen Gewinnen für Frauen auf wirtschaftlichem oder politischem Gebiet ausgewirkt", stellen die Auftraggeber des Berichts fest. Das Forschungsteam des Weltwirtschaftsforums, das in der Schweiz ansässig und wegen seiner jährlichen Treffen im Alpenort Davos bekannt geworden ist, veröffentlicht bereits seit zehn Jahren Daten zum "Gender Gap", Dafür wurden die Daten aus 144 Ländern in allen Teilen der Welt ausgewertet. Gesundheit, Bildung, wirtschaftliche und politische Teilhabe von Frauen und Männern sind die vier Kernfelder der Untersuchung.

Auf den beiden ersten Gebieten verzeichnet der Bericht in diesem Jahr deutliche Verbesserungen. Im Schnitt hat sich die Geschlechterlücke zu 95 Prozent in Sachen Bildung geschlossen, zu sogar 96 Prozent ist demnach in der Gesundheitsversorgung, bei Lebenserwartung und Krankheitsrisiken von Frauen und Männern, schon Gleichheit nahe. Für die Bildung sei das der höchste Wert, den man in zehn Jahren gemessen habe, wie das Forschungsteam erfreut vermerkt, ein Fortschritt von fast einem Prozent in nur einem Jahr. Anders sieht es politisch und wirtschaftlich für Frauen aus: Die Geschlechterlücke ist, was ihre politische Teilhabe angeht, um inzwischen 23 Prozent kleiner geworden, "womit sich der Trend zu langsamer, aber stetiger Verbesserung" fortsetze. Geradezu desaströs ist aber die wirtschaftliche Lage von Frauen: Sie ist im weltweiten Schnitt nicht nur um 59 Prozent hinter der der Männer her, die Kurve zeigt auch nach unten: Hier setze sich "nach einigen Jahren des Fortschritts ein negativer Trend fort", schreiben die Autorinnen und Autoren des Berichts. Der aktuelle Wert sei zudem der niedrigste, den sie seit 2008 gemessen hätten.

68 Länder haben ihre Gender-Werte verbessert

Insgesamt beträgt die weltweite Geschlechterlücke auch im laufenden Jahr noch mehr als 31 Prozent, und sie sieht noch etwas trister aus, wenn man sie nicht im statistischen Durchschnitt, sondern im Detail ansieht: Von den 142 Staaten, die letztes Jahr untersucht wurden, haben 68 ihre Gender-Werte verbessert. In noch mehr, also 72, hat sich die Lage von Frauen aber verschlechtert. Der Fortschritt, sei "bestenfalls ungleich" verteilt, schreiben das Autorenteam. Und während die Gesundheitsdaten nach oben zeigen und immerhin neun Länder weltweit hier den Abstand zwischen den Geschlechtern beseitigt hätten, sei es noch immer in keinem einzigen der untersuchten Länder gelungen, die wirtschaftliche und politische Lage von Frauen denen der Männer ganz anzugleichen.

Im Ranking der Geschlechtergleichheit hat auch im Bericht des Weltwirtschaftsforums Europas Norden die Nase vorn: Im achten Jahr in Folge ist Island das Land mit dem höchsten Maß von Gleichberechtigung, gefolgt von Finnland, Norwegen und Schweden. Darauf folgt bereits Ruanda, das zwar in Sachen Frauengesundheit und Bildung weit abgeschlagen ist, aber viel für die wirtschaftliche Gleichheit zwischen Männern und Frauen erreicht und zudem die weltweit höchste Zahl von Parlamentarierinnen hat. Die Länder mit dem weltweit höchsten Grad von Ungleichheit sind Saudi-Arabien, Syrien, Pakistan und Jemen.

Niederlande schlechter als Deutschland

Deutschland steht, zwischen Namibia und Burundi, erst auf Platz 13 der Rangliste, zwei Plätze hinter der Schweiz. Die Niederlande (Platz 16), Frankreich (17) und Dänemark (19) haben allerdings noch schlechtere Plätze. Die deutsche Position scheint vor allem durch eine magere Bilanz in Bildung (Platz 100) und dem wirtschaftlichen Abstand zwischen Männern und Frauen (Rang 57) zu leiden. Das Land müsse die Einkommenslücke der Geschlechter schließen, mahnt der Bericht, die Bildungsungleichheit bleibe im europäischen Vergleich sehr hoch.

Das Weltwirtschaftsforum ruft auch angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung auf, den Fortschritt in Sachen Gleichberechtigung endlich zu beschleunigen: Die vierte industrielle Revolution, in der die Welt gerade stecke, könne "nachhaltiges Wirtschaftswachstum und unzählige Vorteile für die Gesellschaft" bringen. "Wenn aber die Hälfte der Talente in die laufenden Umwälzungen nicht einbezogen ist - sei es, indem sie nicht profitieren oder auch sich nicht einbringen können - dann wird dies den Fortschritt behindern und den Grad der Ungleichheit erhöhen", heißt es im Bericht. (mit AFP)

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