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Gregor Gysi wird von Israel-Kritikern im Bundestag bedrängt. Der Linksfraktionschef flüchtet darauf hin auf die Toilette und schließt sich dort ein.

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Update

Israel-Kritiker im Bundestag: Linke-Abgeordnete müssen sich bei Gysi entschuldigen

Tumult um Gregor Gysi: Mehrere Abgeordnete werden von der Fraktion gerügt, nachdem ein Israel-kritischer Journalist den Fraktionschef bedrängt hatte.

Von Matthias Meisner

Die Linksfraktion im Bundestag hat mehrere ihrer Abgeordneten scharf gerügt, die eine Aktion gegen ihren Vorsitzenden Gregor Gysi unterstützt haben. Der Linke-Politiker war am Montagnachmittag in einem Flur vor seinem Bundestagsbüro von einem Israel-kritischen Journalisten bedrängt worden. Der Mann lauerte ihm vor seinem Büro auf, folgte ihm mit einer Kamera bis auf die Toilette und warf ihm vor, ihn öffentlich als Antisemiten bezeichnet zu haben.

Den Journalisten eingeladen hatten Politiker des linken Flügels. Gemeinsam mit ihm zogen die Abgeordneten Inge Höger, Annette Groth und Heike Hänsel zum Büro des Fraktionsvorsitzenden. Sie entschuldigten sich am Dienstag bei Gysi für die Eskalation, dieser nahm diese Entschuldigung auch an. Nach mehrstündiger Diskussion in geschlossener Sitzung teilte ein Fraktionssprecher aber auch mit: "Gleichwohl verurteilt die Fraktion auf das Schärfste das Agieren gegenüber dem Fraktionsvorsitzenden." Wer "uns oder unsere Genossen" so feindselig behandele wie an diesem Montag, "mit dem werden wir nicht kooperieren". Die Entschließung wurde mit einer Gegenstimme und einer Enthaltung angenommen.

Auch der Bundesgeschäftsführer der Linkspartei attackierte die drei Politikerinnen: "Die heutige Entschuldigung der MdB Groth, Höger und Hänsel gegenüber Gregor Gysi ist das Mindeste", schrieb der Parteimanager auf Facebook. "Als Konsequenz der untragbaren Ereignisse ist dies aber völlig unzureichend. Ein solches Verhalten ist mit meinem Verständnis linker Politik und politischer Kultur nicht vereinbar."

Die drei Abgeordneten zählen zu den schärfsten Israel-Kritikern der Fraktion. Groth und Höger waren mit auf dem Schiff "Marvi Marmara", das im Mai 2010 versuchte, eine im Mittelmeer verhängte Blockade des Gazastreifens zu durchbrechen. Beide wollten mit den Israel-kritischen Publizisten und einem Kollegen von ihm am 9. November - also ausgerechnet am Jahrestag der Reichspogromnacht - eine Veranstaltung in der Berliner Volksbühne organisieren, außerdem am Montag eine Tagung im Bundestag.

Die Fraktionsführung stoppte diese Pläne und strich eine zunächst geplante finanzielle Unterstützung der Veranstaltungen. Begründung: Die Auswahl der Teilnehmer sei zu einseitig.

Höger versuchte dann, den beiden Journalisten dennoch ein Podium zu geben und schloss namens der Fraktion einen entsprechenden Vertrag mit der Volksbühne. Der Streit eskalierte: Die linke Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau, der Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck und der Präsident der deutsch-israelischen Gesellschaft, der SPD-Politiker Reinhold Robbe, schrieben einen Protestbrief an das Theaterhaus - die Veranstaltung wurde in der Konsequenz kurzfristig abgesagt.

Höger, Groth und Hänsel organisierten dann in ihrer Rolle als Abgeordnete ein Fachgespräch im Bundestag. In diesem Kreis wurde entschieden, den Ärger über die Absage der Veranstaltung direkt bei Gysi vorzutragen. Der aus Kanada stammende und in Israel lebende Journalist behauptete, wegen des Antisemitismus-Vorwurfs von Gysi sei in Israel sein Leben bedroht. Gysi schob den Mann beiseite und rief "Raus, raus mit Dir". Das Video wurde anschließend bei Youtube im Internet veröffentlicht.

Gysi wies den Vorwurf zurück, er habe den in Israel lebenden Journalisten als Antisemiten bezeichnet. Der Linksfraktionschef will aber auch keine Anzeige erstatten. "Wir wollen daraus keine Staatsaffäre machen", hieß es aus seinem Umfeld. Gysi selbst reagierte am Dienstag vor der Fraktionssitzung mit Humor auf den Vorfall: "Ich werde Sie über meine Klo-Besuche nicht unterrichten", sagte er bei einem Pressestatement.

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Die Bundestagsverwaltung sieht keine Sicherheitslücke. Bei der Bundespolizei sei bisher keine Beschwerde oder ähnliches eingegangen, hieß es dort. Dem Vorfall vorausgegangen sind zahlreiche Auseinandersetzungen um antisemitische Strömungen in der Linkspartei. (mit dpa, ZEITONLINE)

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