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Geld war nicht ihr Problem: Vizekanzler Sigmar Gabriel, Regierungschefin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble.

© Tobias Schwarz/ AFP

Haushaltspolitik der Koalition: Im Zeichen der schwarzen Null

Kaum war die Finanzkrise verdaut, kamen die Flüchtlinge. Doch Schwarz-Rot war haushaltspolitisch eine Koalition im Glück. Die Bilanz von vier Jahren im Überblick.

Der Bundeshaushalt für 2017 ist am Freitag vom Bundestag beschlossen worden. Es ist der Etat für das Wahlkampfjahr, der vierte und damit letzte der amtierenden Koalition von CDU, SPD und CSU. Zeit für ein Fazit: Wie sieht das haushaltspolitische Resümee der Regierung aus, die mit dem Versprechen angetreten war, eine solide Haushaltspolitik zu machen?

Als Wolfgang Schäuble, damals Finanzminister der schwarz-gelben Koalition, im Juni 2013 den Haushaltsentwurf für 2014 vorstellte, lautete einer der Merksätze: „Ausgabenwachstum gebremst“. In der ersten schwarz-roten Koalition unter Angela Merkel und auch im ersten Jahr mit der FDP waren die Ausgaben nämlich kräftig gestiegen – um 16,9 Prozent. Ein Grund dafür war auch die 2008 einsetzende Finanzkrise. Nun aber war Konsolidierung angesagt – Sparminister Schäuble warb damit, dass zwischen 2010 und 2017 das Plus nur bei 1,5 Prozent liege. Für 2017, also das nächste Wahljahr, peilte der CDU-Politiker ein Etatvolumen von 308 Milliarden Euro an.

Es ist dann etwas anders gekommen. Zum einen brachte die Wahl 2013 wieder eine schwarz-rote Koalition, und die SPD wollte nicht so stark auf die Bremse treten. Entsprechend wurde schon ab 2015 deutlich mehr ausgegeben als zuvor geplant. Und dann kamen die Flüchtlinge. Ein neues Ausgabenplus stand an. Das Ergebnis: Mittlerweile steht in der Finanzplanung für 2017 ein Haushaltsvolumen von 329 Milliarden Euro, also 21 Milliarden (oder sieben Prozent) mehr als vor vier Jahren noch vorgesehen. Doch hat die Koalition haushaltspolitisch ihre Hauptziele gehalten – ausgeglichene Etats ohne neue Schulden, keine höheren Steuern, mehr Investitionen – und war so gesehen erfolgreich.

 Welche Faktoren halfen der Koalition?

Dank guter Wirtschaftslage, einer stetig sinkenden Arbeitslosigkeit, der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank und dem damit einhergehenden niedrigen Euro-Kurs (der einen kleinen Export-Schub brachte), schafften Union und SPD es, alle kostentreibenden Herausforderungen der vergangenen vier Jahre zu meistern. Vor allem die stetig sinkenden Zinszahlungen des Bundes haben es ermöglicht, die Ausgabenerhöhungen aufzufangen. Um ein Viertel ist der Einzelplan Bundesschuld, den zum Großteil die Zinszahlungen ausmachen, seit 2014 zurückgegangen – von knapp 27 auf knapp 20 Milliarden Euro im Haushaltsplan für 2017.

 Wie sieht die Etatpolitik im Detail aus?

Die (freiwillige und, wegen der Flüchtlinge, unfreiwillige) Schwerpunktsetzung der vergangenen Jahre lässt sich an den Einzelplänen der Ressorts ablesen. Insgesamt stiegen die Ausgaben seit 2014 um 11,4 Prozent auf 329 Milliarden Euro. Nahe am Schnitt blieb mit zwölf Prozent der Zuwachs des Arbeits- und Sozialministeriums – die Sozialausgaben hielt Schwarz-Rot unter Kontrolle. Auch verteidigungspolitisch agierte die Regierung eher zurückhaltend mit einem Plus von 11,7 Prozent. Dass vor allem der Straßenbau angekurbelt wird, zeigt sich im Etat von Verkehrsminister Alexander Dobrindt, der 2017 etwa 5,6 Milliarden Euro mehr ausgeben kann als 2014 und damit ein Mehr von 24,9 Prozent aufweist. Dass Umweltministerin Barbara Hendricks im kommenden Jahr einen um 58,5 Prozent angewachsenen Einzeletat verwaltet, liegt nicht zuletzt daran, dass sie auch für den Bau zuständig ist – im Ausgabeplus von 2,1 Milliarden Euro gegenüber 2014 stecken nicht zuletzt Investitionen in den Wohnungsbau. Zu den starken Gewinnern gehört auch Gesundheitsminister Hermann Gröhe, der ein Drittel mehr ausgeben kann. Das liegt vor allem am deutlich höheren Bundeszuschuss an die Krankenkassen für versicherungsfremde Leistungen. Stark sind auch die Etats des Außenministeriums und des Innenministeriums gewachsen – jeweils um mehr als 40 Prozent. Wie beim Entwicklungsministerium (plus 31,7 Prozent) steckt dahinter auch die Flüchtlingskrise, die im Inneren wie in der Außenpolitik neue Herausforderungen bringt.

 Wie profitierten Länder und Kommunen?

Dass die Koalition wieder deutlich mehr investiert als die (freilich durch die Finanzkrise auch stark belastete) schwarz- gelbe Regierung davor, freut nicht zuletzt die Kommunen. Denen fließen sieben Milliarden Euro über Programme für finanzschwache Gemeinden zu. Entlastet wurden sie auch, insgesamt um 25 Milliarden Euro in den vier Jahren, weil der Bund die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ganz übernahm. Auf knapp 70 Milliarden Euro hat gerade erst der Bundesrechnungshof die Entlastungen für Länder und Kommunen durch Schwarz-Rot im Bund summiert. Freilich steckt darin auch eine bedenkliche Entwicklung: Immer mehr engagiert sich der Bund im Sozialen oder bei Investitionen in Aufgaben, die eigentlich den Ländern und Kommunen obliegen. Damit steigt das Risiko für künftige Bundeshaushalte – allerdings deutet die Entwicklung eben auch auf eine Unterfinanzierung der beiden anderen staatlichen Ebenen hin.

 Wo lauern Risiken in der Zukunft?

Und weitere Risiken kommen künftig hinzu. Schon jetzt geht die Regierung von einem schwächeren Wirtschaftswachstum in den kommenden Jahren aus, das durch äußere Faktoren – Brexit und die vom künftigen US-Präsidenten Donald Trump angekündigte handelspolitische Wende – noch gedämpft werden könnte. Damit wird die Beschäftigungslage nicht mehr so gut ausschauen wie derzeit, die Einnahmen aus den Lohn- und Konsumsteuern, den wichtigsten Finanzquellen des Staates, sinken dann womöglich. Zudem kommen die geburtenstarke Jahrgänge ins Rentenalter, und damit wird der Bundeszuschuss in die Rentenversicherung steigen. Sollte Trump zudem auch sicherheitspolitisch ein Rückzugssignal geben, werden die Verteidigungsausgaben wieder stärker wachsen.

 Wie lautet das Fazit der Opposition?

Die Linken-Chefhaushälterin Gesine Lötzsch macht sich den Spaß, den Bundesrechnungshof zu zitieren: Der spricht von einer „anstrengungslosen Verbesserung der Bundesfinanzen aufgrund fallender Zinslasten“. Lötzsch hätte angesichts der guten Haushaltslage eine „Gerechtigkeitsoffensive“ erwartet. „Seit 2008 haben wir wegen sinkender Zinsen rund 100 Milliarden Euro Zinszahlungen eingespart. Ich frage mich nur, warum der Finanzminister aus diesen guten Rahmenbedingungen nichts Vernünftiges gemacht hat.“ Der Grünen-Haushaltspolitiker Sven-Christian Kindler sagt: „Wenn man ehrlich ist, hat Mario Draghi mehr für den ausgeglichenen Haushalt getan als Wolfgang Schäuble. Unter diesen glücklichen Umständen hätten das auch Theo Waigel oder Hans Eichel geschafft.“ Der „Fetisch der schwarzen Null“ verstelle den Blick auf die großen Aufgaben, vor denen unsere Gesellschaft stehe. Der soziale Zusammenhalt sei gefährdet, die Klimakrise verschärfe sich, es gebe einen Investitionsstau. „Darauf gibt es aber kaum Antworten in der Haushaltspolitik von CDU, CSU und SPD“, beklagt Kindler.

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