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Von Kritik ungerührt: Der US-Präsident am Mittwoch im Weißen Haus.

© imago/UPI Photo

Hauptstadt Israels: Durch Trumps Jerusalem-Entscheidung ändert sich nichts

Die Hauptstadt Israels anzuerkennen, ist ein rein symbolischer Akt. Mit Alarmismus zu reagieren, ist lächerlich. Triumphalismus aber auch. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

So, jetzt alle mal ganz tief durchatmen: Durch Donald Trumps Jerusalem-Entscheidung ändert sich nichts, gar nichts. Es ist ein rein symbolischer Akt, eine von Trumps berühmt-berüchtigten Ich-trommel-mir-mit-beiden-Fäusten-auf-die-Brust-Gesten. Noch immer können die Palästinenser ihren eigenen Staat bekommen, noch immer können sie einen Teil Jerusalems auch zu ihrer Hauptstadt machen.

Sicher, nun toben die Palästinenser erstmal, jedenfalls eine Zeitlang, aber weil sie besser wissen als viele ihrer Sympathisanten, dass sich auch für sie nichts ändert, werden sich die Gemüter wohl bald wieder beruhigen. Die Chancen auf einen eigenen palästinensischen Staat mit Jerusalem als Hauptstadt haben sich durch Trumps Entscheidung weder verbessert noch verschlechtert. Alarmismus ist ebenso verfehlt wie Triumphalismus.

Trotzdem werden die Alarmglocken mit viel Nachhall geläutet. Das Ende des Friedensprozesses! Als hätte es in den vergangenen Jahren einen irgendwie noch funktionierenden Friedensprozess gegeben. Das Ende der USA als ehrlicher Makler! War MAGA-Trump (Make America Great Again) je in der Rolle eines ehrlichen Maklers? Aufruhr in der arabisch-muslimischen Welt! Die ja sonst keine anderen Sorgen hat – von Syrien über den Irak, von Jemen bis zum Iran, von Katar bis Saudi-Arabien. Die Spaltung der internationalen Gemeinschaft! Kommt bei Trump nach Ausstieg aus Klima- und möglicherweise dem Iran-Abkommen auch nicht gerade überraschend.

Was Trump anbelangt – der kann nicht anders

Mindestens ebenso lächerlich aber wie der Alarmismus ist der Triumphalismus. Was Trump anbelangt – der kann nicht anders. Der gehört so. Aber dass die israelische Regierung, namentlich Premier Benjamin Netanjahu, so tut, als sei erneut Goliath von David besiegt oder eine feindselige arabische Übermacht von einer tapfer kämpfenden israelischen Armee geschlagen worden, deutet auf einen tief sitzenden Minderwertigkeitskomplex hin. Wie klein muss Netanjahu sich fühlen, wenn er seine engen Bande zu Trump als das Größte preist, was ihm und seinem Land widerfahren ist? Wie erbärmlich mutet es an, wenn diese Freundschaft über alles andere gestellt wird

Israel ist eine lebendige Demokratie. Das Land ist stärker denn je, alle seine Nachbarn sind militärisch weit unterlegen. Gefahr geht von den Raketen der Hisbollah im Libanon und der Hamas im Gazastreifen aus, aber diese Gefahr ist – im Unterschied zu früheren Gefahrenlagen – für den Staat Israel nicht mehr existenziell bedrohlich. Israels Wirtschaft floriert, der Hightechmarkt zählt zu den führenden der Welt. In offensiven wie defensiven Cyberwarkapazitäten spielt das Land in der obersten Weltliga.

Gemessen an diesen objektiven Faktoren eines stetigen Machtzugewinns wirkt die Genugtuung über die praktisch bedeutungslose Jerusalem-Entscheidung Trumps grotesk. Wer trotz seiner Stärke einen rein symbolischen Akt dermaßen freudentrunken feiert, hat es offenbar ziemlich nötig. Was darin zum Ausdruck kommt, ist auch eine mentale Selbstverzwergung.

Die Palästinenser rufen zu „Tagen des Zorns“ auf, wohlwissend, dass sich für sie nichts ändert. Netanjahu erhebt das Champagnerglas, um seinem Best-Buddy Trump zu danken, wohlwissend, dass sich auch für ihn nichts ändert. Im Überschwang ihrer Reaktionen sind sich beide Seiten zum Verwechseln ähnlich. Vielleicht mögen sie einander auch deshalb nicht.

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