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Netzwerke wie Facebook müssen sich auf ein strenges Gesetz einrichten.

© imago/Rüdiger Wölk

Update

Hass im Internet: Bundestag beschließt umstrittenes "Facebook-Gesetz"

Facebook, Twitter und andere Netzwerke müssen strafbare Inhalte innerhalb von 24 Stunden löschen. Das beschloss der Bundestag am Freitag mit den Stimmen von Union und SPD.

Unmittelbar nach der Abstimmung über die Homo-Ehe hat der Bundestag am Freitag mit den Stimmen der Koalition auch das „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ beschlossen. Mit dem Vorhaben aus dem Haus von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) soll Hetze und Verleumdung in sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter eingedämmt werden. Maas nannte das Projekt in der Debatte vor der Abstimmung eine „Grundsatzentscheidung für das digitale Zeitalter“ und zog Vergleiche mit anderen Medien wie Zeitungen und Fernsehen, die ebenfalls in der Pflicht seien, die Veröffentlichung rechtswidriger Inhalte zu unterbinden. Monatelang habe er versucht, Facebook zu eigenem Tätigwerden anzuhalten, nun sei der Zeitpunkt für gesetzliche Maßnahmen gekommen.

Die CDU-Rechtspolitikerin Elisabeth Winkelmeier-Becker sprach davon, dass das Gesetz auch eine Blaupause für ähnliche Vorhaben in anderen Ländern abgeben können. „Wir werden bei dem beobachtet, was wir hier machen“, sagte sie und betonte, dass die Regeln auf Drängen ihrer Fraktion in der parlamentarischen Diskussion präzisiert und wesentliche Kritikpunkte entschärft worden seien.

Die Linke stimmte gegen das Gesetz. Den Plattformen würden damit schwierige rechtliche Fragen übertragen, die sie nicht beantworten könnten, sagte die parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion Petra Sitte. Die Grünen enthielten sich. Für sie sprach die Vorsitzende des Bundestags-Rechtsausschusses Renate Künast, die Einschränkungen für die Meinungsfreiheit befürchtet. Es sei für die Netzwerke nicht klar erkennbar, welche Inhalte strafbar seien. Als Beispiel führte sie den Post eines Nutzers ein, der über die Politikerin geschrieben habe, er würde gerne ein „Enthauptungsvideo“ von ihr sehen. So etwas sei nach Auffassungen der Staatsanwaltschaften straflos, auch wenn es anders erscheinen möge.

Wirksames Beschwerdesystem

Das Gesetz zielt nicht auf einzelne Inhalte ab, sondern will ein wirksames Beschwerdesystem etablieren, dem etwa Facebook sich bislang verweigert hat. Betroffene von Hass und Hetze sollen sich bei den Netzwerken bei festen Stellen melden und nachvollziehen können, was auch ihrer Beschwerde geworden ist. Offensichtlich rechtswidrige Inhalte müssen binnen 24 Stunden entfernt oder gesperrt werden. Zugleich sind diese für Beweiszwecke zu sichern. Für andere rechtswidrige Inhalte galt ursprünglich eine starre Frist von sieben Tagen, die jedoch nach den Beratungen im Rechtsausschuss flexibler geregelt wird. So kann die Frist etwa überschritten werden, wenn weiterer Aufklärungsbedarf zu dem Fall besteht.

Die Betreiber müssen vierteljährlich einen Bericht über ihren Umgang mit den Beschwerden veröffentlichen. Sollten die Netzwerke gegen diese Pflichten verstoßen, drohen ihnen Bußgelder bis zu 50Millionen Euro. Dass sie ihren Sitz im Ausland haben, spielt aus Sicht des Gesetzes keine Rolle. Ausdrücklich heißt es: „Die Ordnungswidrigkeit kann auch dann geahndet werden, wenn sie nicht im Inland begangen wird.“ Zuständig dafür wird das Bundesamt für Justiz, das ein Gericht einschalten muss, bevor es Bußgelder verhängt.

Ein weiterer Kern des Gesetzes ist die zwingende Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten bei den Betreibern. Nutzer und Behörden ärgern sich immer wieder darüber, dass es keine Stellen gibt, an die sie sich wenden können und die für das weitere Verfahren verantwortlich sind. Gerade Staatsanwaltschaften klagen über bisher fehlende Kooperation.

Facebook kritisiert das Gesetz als „umfassend rechtswidrig“. In einer Stellungnahme wertete der Konzern die Regelungen als „unvereinbar mit dem Europarecht“. Die Bundesregierung „etabliert ein Modell für ein Gesetz zur Beschränkung der Meinungsäußerung“. Die Bußgelder seien „unverhältnismäßig“ und führten dazu, dass die Netzwerke eher löschten als Beiträge stehenzulassen. In diese Richtung geht auch die Kritik von Verbänden, die ein „Overblocking“ befürchten. Die EU-Kommission hatte allerdings grünes Licht gegeben, was selbst Maas überraschte. Das Gesetz enthalte in der Tat „Regelungen, die europarechtlich nicht unproblematisch sind“, sagte er vor der Abstimmung. Bedenken meldete auch der UN-Sonderbeauftragte für Meinungsfreiheit, David Kaye, an.

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