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Aufgeheizte Stimmung. Polizeikontrolle in der Stadt Meiktila in Zentralbirma. Dort war es vor Wochen schon zu Unruhen gekommen. Foto: Soe Than Win/AFP

© AFP

Politik: Harte Hand statt Dialog

Buddhisten in Birma attackieren Muslime – die Regierung hat keine Strategie dagegen. Schüren Reformgegner gezielt den Konflikt?

Berlin - Die Atmosphäre ist angespannt, das Misstrauen wächst von Tag zu Tag: In den vergangenen Wochen hat es in verschiedenen Teilen Birmas derart viele Gewalttaten gegen Muslime gegeben, dass mancher bereits von „ethnischen Säuberungen“ wie in Bosnien vor rund 20 Jahren spricht. Von mehr als 160 Überfällen in der Mitte des Landes ist berichtet worden. In Meiktila, Mandalay, Rangun – Human Rights Watch veröffentlichte Satellitenbilder, wonach ganze Wohnviertel niedergebrannt wurden, an einigen Orten brannten Moscheen. 43 Menschen starben, 12 000 wurden vertrieben. Inzwischen tun sich nach Augenzeugenberichten rund um Moscheen Muslime zusammen, um ihre Gotteshäuser zu schützen. Human Rights Watch berichtete, auch einige bekannte buddhistische Mönche hätten gezielt antimuslimische Predigten gehalten und Buddhisten aufgefordert, muslimische Geschäftsleute zu boykottieren und Muslime zu meiden.

Als am Dienstag 13 Kinder beim Brand einer Koranschule in Rangun starben und die Behörden erklärten, ein technischer Fehler sei die Ursache gewesen, wollten das viele nicht glauben. Das Misstrauen sitzt inzwischen tief, zumal bisher keine Gegenstrategie der Regierung zu erkennen ist. Bereits im vergangenen Jahr hatte es Ausschreitungen gegen Muslime im westlichen Rakhine-Staat gegeben, der Untersuchungsbericht wird und wird nicht fertig. Das führt zu Spekulationen: Werden die Ermittlungen behindert? Hat die Kommission etwas herausgefunden, das vertuscht werden soll?

Angesichts der jüngsten Welle der Gewalt inmitten des Staates mögen auch viele Nicht-Muslime nicht glauben, dass es spontane Aktionen waren. Oppositionsvertreter und der UN-Sonderbeobachter Tomas Ojea Quintana berichteten, dass an einigen Orten Gruppen gesehen worden seien, die nicht aus der Gegend stammten. Außerdem habe die Polizei oft nicht eingegriffen. Trotz aller Reformen und Öffnungsbestrebungen unter dem neuen Präsidenten Thein Sein ist die Lage in Birma noch immer unübersichtlich, nicht zuletzt, weil nicht klar ist, welche Rolle das Militär spielt, das sich offiziell aus der ersten Reihe zurückgezogen hat.

„Ich weiß nicht, ob es so ist, aber es entsteht der Eindruck, dass diejenigen, die gegen die Reformen sind, diese sabotieren wollen“, sagt Moritz Kleine-Brockhoff, Referatsleiter Asien bei der Friedrich-Naumann-Stiftung, der Birma seit Jahren intensiv beobachtet. „Dass diejenigen, die Angst haben, am Ende zu den Verlierern zu gehören, vorhandene ethnische Spannungen instrumentalisieren, haben wir auch beim Demokratisierungsprozess in Indonesien gesehen, besonders auf den Molukken“, zieht er Parallelen.

Seine Kollegin Jasmin Lorch von der Stiftung Wissenschaft und Politik war gerade in Rangun. Sie hat die Spannungen zwischen Buddhisten und Muslimen erlebt. „Es gibt in großen Teilen der Bevölkerung starke Vorurteile“, sagt Lorch. In Gesprächen würden immer wieder Ängste vor Überfremdung geäußert, obwohl die Muslime nur vier Prozent der Bevölkerung ausmachen. Während der Diktatur seien religiöse und ethnische Konflikte oft unterdrückt worden. Allerdings habe das Militär diese durchaus auch früher zu nutzen gewusst. Wenn man die Klagen der Oppositionsvertreter heute mit den Unruhen 1988 vergleiche, „würde es durchaus historischen Mustern entsprechen, vorhandene Ressentiments zu schüren, um die Unruhen dann als Legitimation zu nutzen, um unter Hinweis auf die Einheit des Landes massiv Truppen zu stationieren und eventuell zu putschen“.

1988 sollen zu einem Zeitpunkt, als sich Übergangsräte gebildet hatten, absichtlich Kriminelle aus Gefängnissen entlassen worden sein, damit das Militär die öffentliche Ordnung wiederherstellen konnte. Die Menschen in Birma sind nach all den Jahren der Diktatur Dialog nicht gewöhnt. Allein mit hartem Durchgreifen zu drohen, wie es der Präsident getan hat, dürfte die Lage kaum entspannen.

Viele mutmaßen, dass der selbst aus dem Militär stammende Präsident und große Teile seiner Regierung einen anderen Weg gehen wollen als das „reine Militär“, eine Unterscheidung, die viele Birmanen inzwischen treffen, wie Lorch bei ihrem Besuch erfahren hat. Das Militär ist auch mit Blick auf die Wahlen 2015 entscheidend, bei denen Suu Kyis NLD beste Chancen hat. Ihren Sieg 1990 haben die Generäle zunichte gemacht. Vor zwei Wochen hat die Regierungspartei USDP im Parlament ein Komitee zur Überarbeitung der Verfassung beantragt. „Der Präsidentenparagraf könnte geändert werden, so dass auch Aung San Suu Kyi Präsidentin werden könnte“, sagt Lorch. Bisher stehen deren britische Familienbande dagegen. Selbst die Angehörigen sind dort erwähnt. Thein Sein und seine Anhänger könnten sogar schon vor 2015 einer Reduzierung des 25-Prozent-Anteils fürs Militär im Parlament zustimmen, sagt Lorch. Aber wollen das auch die Generäle?

Kleine-Brockhoff sieht noch einen anderen Weg: Wenn Suu Kyis Söhne ihre britischen gegen birmanische Pässe eintauschten, könnte auch die aktuelle Verfassung die Wahl der Demokratieikone zur Präsidentin zulassen.

Richard Licht

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