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Frankreichs Präsident Macron bei seiner Rede an der Sorbonne-Universität.

© AFP

Grundsatzrede des französischen Präsidenten: Welche Pläne Macron für die EU hat

Bei seiner Grundsatzrede in der Sorbonne hat Frankreichs Staatschef Macron zum Teil weit reichende Vorschläge zur Zukunft der EU gemacht. Wie realistisch sind sie?

Ein ganzes Feuerwerk an Ideen zur Zukunft der EU hat Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron am Dienstag bei seiner Grundsatzrede in der Pariser Sorbonne-Universität gezündet. Ähnlich wie im französischen Präsidentschaftswahlkampf geht es Macron auch auf EU-Ebene darum, die Debatte um die Europäische Union nicht allein den Kritikern zu überlassen. Macrons Vorschläge reichen dabei von kurzfristigen Zielen wie der Schaffung einer europäischen Asylbehörde bis zu einem Komplett-Umbau der EU. Haben sie eine Chance auf Verwirklichung? Eine Übersicht.

Euro-Zonen-Haushalt

Zum wiederholten Mal forderte Macron einen eigenen Haushalt für die Euro-Zone, aus dem zusätzliche Investitionen und Gelder zur Stabilisierung angeschlagener Mitgliedstaaten der Währungsunion fließen sollen. Das neue Budget soll nach Macrons Vorstellungen langfristig aus Steuereinnahmen, etwa einer harmonisierten Unternehmenssteuer, finanziert werden. Eine Größenordnung für den Etat nannte er am Dienstag nicht – nicht zuletzt mit Rücksicht auf Deutschland, wo vor allem die FDP und die CSU ein Euro-Zonen-Budget ablehnen. Nach der Ansicht des Präsidenten des Ifo-Instituts, Clemens Fuest, würde weder ein Euro-Budget noch die Schaffung des Amtes eines europäischen Finanzministers, das Macron ebenfalls vorschwebt, die Probleme der Euro-Zone lösen. „Wichtiger wäre es, für mehr Stabilität des Finanzsektors zu sorgen und Haftung und Kontrolle in der Wirtschafts- und Finanzpolitik wieder besser in Übereinstimmung zu bringen“, meint der Ökonom. Nach seinen Worten ist Macrons Rede letztlich eine Einladung an Deutschland zu einem Brainstorming über die Zukunft Europas. „Deutschland sollte diese Einladung nicht zurückweisen“, so Fuest.

Neugründung Europas

Macron will ein gleichermaßen „vereintes und differenziertes Europa“. Im Klartext: Den Kern in Macrons neuem Europa bildet die Euro-Zone – gerne demnächst auch mit neuen Mitgliedern aus Osteuropa. Um diesen Kern gruppieren sich die übrigen Staaten, darunter möglicherweise auch Großbritannien. Alle EU-Staaten, die seinen Wunsch nach einer Erneuerung der Gemeinschaft teilen, lud Frankreichs Staatschef ein, in den kommenden Wochen eine „Gruppe der europäischen Neugründung“ ins Leben zu rufen. Frankreichs Staatschef hat dafür bereits den Boden bereitet. Wie er in seiner Rede in der Sorbonne ausführte, hat er in den vergangenen Monaten seine Pläne mit den Staats- und Regierungschefs aus 22 EU-Staaten sondiert. Neben Deutschland erwähnte er explizit Italien, Spanien, Portugal, Belgien, die Niederlande und Luxemburg. Es fällt auf, dass die Osteuropäer in Macrons Aufzählung fehlten.

In wie weit die Bundesregierung Macron bei der Ausgestaltung seiner Pläne unterstützt, wird sich angesichts der schwierigen Regierungsbildung wohl erst in einigen Monaten zeigen. Am Mittwoch beließ es Regierungssprecher Steffen Seibert im Wesentlichen bei der Feststellung: „Die Kanzlerin begrüßt, dass der französische Präsident mit so viel Elan, mit soviel europäischer Leidenschaft gesprochen hat.“ Wichtig sei allerdings auch die Diskussion über die Details, über die beim informellen EU-Gipfel an diesem Donnerstag in Tallinn gesprochen werden solle.

Macron macht indes für die mögliche Weiterentwicklung der EU aber keine festen Vorgaben. Eine wesentliche Rolle sollen demokratische Konvente mit öffentlichen Debatten spielen. Es bleibt abzuwarten, ob angesichts einer ausufernden europäischen Zukunftsdebatte die „Gruppe der europäischen Neugründung“ wie von Macron gewünscht bis zum kommenden Sommer zielführende Vorschläge zur Weiterentwicklung der EU vorlegen kann.

Gemeinsames Verteidigungsbudget

Wenn es nach Macron geht, sollen bis zum Jahr 2020 eine gemeinsame EU-Eingeiftruppe und ein gemeinsamer europäischer Verteidigungshaushalt stehen. Erste Schritte in diese Richtung gibt es bereits: Beim letzten EU-Gipfel im Juni einigten sich Macron, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihre Amtskollegen auf einen Verteidigungsfonds für gemeinsame Rüstungsprojekte. Ein regelrechtes gemeinsames Verteidigungsbudget würde allerdings einen weiteren Quantensprung bedeuten. Dazu bedürfte es der Einstimmigkeit sämtlicher EU-Mitglieder. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) erklärte am Mittwoch, sie freue sich, dass Macron „eine gemeinsame europäische Strategie für den Verteidigungs- und Sicherheitsbereich einfordert, denn sie ist unabdingbare Voraussetzung für eine handlungsfähige Verteidigungsunion“.

Deutsch-französischer Markt

Laut Macron ist es denkbar, dass Deutschland und Frankreich bis 2024 einen vollständig integrierten gemeinsamen Markt schaffen. Zu diesem Zweck könnten beide Länder die entsprechenden Gesetze, etwa beim Insolvenzrecht, angleichen, schlug der Präsident vor. Nach seiner Vorstellung könnte die vertiefte Zusammenarbeit bereits in einer Neufassung des deutsch-französischen Freundschaftsvertrages am 22. Januar 2018 besiegelt werden. Für Berlin würde das allerdings einen enormen Zeitdruck bedeuten – denn die Koalitionsverhandlungen dürften zunächst einmal kaum Raum für Gedankenspiele zur Neufassung des am 22. Januar 1963 geschlossenen Elysée-Vertrages lassen.

Europäische Asylbehörde

Macron fordert, dass bis zum kommenden Jahr eine gemeinsame Asylbehörde geschaffen werden solle, mit deren Hilfe die Asylverfahren europaweit harmonisiert werden sollen. In diesem Punkt – bei der Stärkung der bestehenden EU-Asylagentur Easo – sind die Beratungen indes schon weit gediehen. Ein baldiger Beschluss auf EU-Ebene ist daher daher möglich.

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