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Grünen-Außenexperte Nouripour: "Das gesamte Zwei-Prozent-Ziel ist doch völlig verfehlt"

Der grüne Außenexperte Nouripour spricht über höhere Militärausgaben, Sorgen wegen US-Präsident Trump und Deutschlands neue Rolle.

Herr Nouripour, drei Tage Sicherheitskonferenz, fahren Sie beruhigt nach Hause?

Überhaupt nicht. Die amerikanischen Vertreter haben versucht, uns zu beruhigen – mit dem Status Quo. Aber das reicht bei den zahlreichen neuen Herausforderungen nicht. Gleichzeitig hat man bei jedem das Gefühl, er hat keinen blassen Schimmer, was sein Chef will. Das sagen im vertrauten Rahmen sogar Leute aus der neuen Administration. Sie wissen nicht, wie es weitergeht: nicht mit China, nicht mit Russland, also auch nicht mit der EU.

Da war nichts in der Rede von Vizepräsident Pence?

Das war doch ein einziger Widerspruch zu Trump: Wir sind euer größter Partner, wir stehen euch in der Nato bei. Was mich aber fertig gemacht hat, ist, als er erzählte, wie er mit seinem Bruder vor dieser monströsen, zehn Fuß hohen Mauer in Berlin gestanden hat. Diese Schizophrenie ist doch absoluter Wahnsinn: Uns zu erklären, wie schrecklich die Berliner Mauer war, und nicht zu realisieren, dass das für die Mexikaner heute genauso gilt.

Was sollen die Amerikaner also machen?

Klarheit schaffen. Nehmen wir das Beispiel Stavridis. Während der ehemalige Oberkommandierende der Nato noch davon sprach, wir seien eine Wertegemeinschaft der Freiheit und der Rechtsstaatlichkeit, twittert Trump, welche Medien Staatsfeinde seien. Das ist im besten Fall eine stalinistische Sprache. Was hat das mit den gemeinsamen Werten zu tun?

Zum Iran hat Pence nichts gesagt. Hat Sie das beruhigt?

Aus der Trump-Administration kam dazu bisher nichts Beruhigendes, insofern ist dieses Schweigen erst mal gut.

Sie selbst waren vom Einreisebann betroffen. Im Moment dürfen Sie reisen, da Richter entschieden haben. Womit rechnen Sie?

Ich habe mir bei Donald Trump im Zeitraffer abgewöhnen müssen, mit irgendwas Bestimmtem zu rechnen. Die Amerikaner waren immer im Guten wie im Schlechten berechenbar. Derzeit wissen wir nichts mehr. Wenn es stimmt, dass Trump ab 18.30 Uhr im Bademantel mit dem Smartphone in der Hand durchs Weiße Haus geistert, macht mir das Angst, weil dann keiner mehr seine Tweets mitliest. Obama soll ihn gewarnt haben, in diesem Amt kann man auch mit 140 Zeichen einen Krieg auslösen. Das ist leider Gottes wahr.

Der russische Außenminister Lawrow hat nach einer neuen Weltordnung gerufen. Wie hört sich das für Sie an?

Es war gut, dass Lawrow diesmal im Ton nicht superaggressiv geredet hat, als würde er gleich den Krieg erklären. Seine neue Weltordnung ohne den Westen kann uns allerdings nicht gefallen. Das zeigt aber, dass die Russen sehr genau wahrnehmen, dass es Zerfallserscheinungen im Herzen der westlichen Macht gibt.

Was muss Europa tun?

Wir müssen begreifen, dass die EU das ultimative Instrument nicht nur für Wohlstand, sondern auch für Frieden ist. Wir müssen mit allem, was wir haben, die EU zusammenhalten und stärken. Eine demokratische Wahl mit Trump-Effekt hat es bisher gegeben: die Präsidentenwahl in Österreich. Mir macht das Hoffnung.

Welche Rolle sollte Deutschland spielen?

Deutschland muss Europa zusammenhalten, auch mal von nationalen Egoismen wie der Gas-Pipeline Northstream II zurücktreten und nicht beim Wettbewerb derjenigen mitmachen, die die Gunst "seiner Majestät" suchen und mit der Clownsmaske zu Trump fahren. Deutschland muss deutlich machen, dass wir auf unseren Werten bestehen. Deshalb müssen wir auch den Kontakt mit den Leuten suchen, die auf den Straßen gegen Sexismus und Hass demonstrieren. Das sind unsere natürlichen Wertepartner.

Im Moment geht es vor allem um die zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts, die Deutschland für das Militär ausgeben soll...

Das gesamte Zwei-Prozent-Ziel ist doch völlig verfehlt. Wir verbrennen doch jetzt schon zu viel Geld in ineffizienten Strukturen. Wem bringt es Sicherheit, wenn wir noch mehr Milliarden verbrennen? Wir müssen darauf schauen, was die Bundeswehr kann, welche Fähigkeiten sie hat. Das große Problem aber ist, dass die Illusion grassiert, Trump lasse einen in Ruhe, wenn man zwei Prozent für das Militär zahlt. Das ist absurd. Glauben Sie, jemand mit Trumps Persönlichkeitsstruktur liebt dann nicht nur sich selbst, sondern auch Deutschland? Die Wertefrage ist zentral, nicht die Militärausgaben.

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