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Bekam eine breite Mehrheit für ihren Antrag auf vorgezogene Neuwahlen.

© REUTERS

Update

Großbritannien vor dem Brexit: Britisches Parlament stimmt für Neuwahlen

Das Unterhaus stimmt dem Antrag auf eine vorgezogene Wahl mit großer Mehrheit zu. May wehrt sich gegen den Vorwurf, einen "Blankoscheck" für den Brexit zu wollen.

Die Briten wählen am 8. Juni vorzeitig ein neues Parlament. Die Abgeordneten des Unterhauses stimmten am Mittwoch in London mit großer Mehrheit dem Antrag von Premierministerin Theresa May zu. Sie will mit einem deutlichen Sieg mehr Rückendeckung für die anstehenden Brexit-Verhandlungen gewinnen. 522 Abgeordnete stimmten für die Neuwahl im Juni, 13 dagegen.

Der Abstimmung war ein Schlagabtausch zwischen Regierung und Opposition vorausgegangen. Labour-Chef Jeremy Corbyn bezeichnete May als „eine Premierministerin, der man nicht trauen kann“. Sie habe zuvor immer wieder betont, dass es keine Neuwahl geben werde. Dennoch begrüße seine Partei mehrheitlich den vorgezogenen Urnengang. Umfragen sehen einen großen Vorsprung für die regierenden Konservativen und Labour in einem historischen Tief.

Auf Großbritanniens Position in den Brexit-Verhandlungen mit Brüssel wird die Parlamentswahl dem britischen Politikwissenschaftler Simon Usherwood zufolge kaum Auswirkungen haben. „Es geht dabei nur um den innenpolitischen Kontext, nicht um den europäischen“, sagte Usherwood der Deutschen Presse-Agentur. May wolle die Schwäche der Labour-Partei ausnutzen und ihre Machtbasis vergrößern. Allerdings dürfte die Neuwahl den Brexit-Fahrplan wohl doch ein wenig verzögern: EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker rechnet mit einem Start der Verhandlungen nun erst nach dem 8. Juni. Dies teilte sein Sprecher nach einem Telefonat Junckers mit Premierministerin May mit. Die Gespräche hätten eigentlich am 22. Mai beginnen sollen, sobald die EU ihre Vorbereitungen abgeschlossen hat.+

"Kein Blankoscheck"

Premierministerin May will die die vorgezogene Neuwahl indes nicht als Blankoscheck für die Brexit-Verhandlungen verstanden wissen. „Wir machen diese Wahl, um sicherzustellen, dass wir unsere Position für die Verhandlungen mit der Europäischen Union stärken“, sagte sie am Mittwoch vor der Abstimmung des Parlaments. Auch ein deutlicher Sieg ihrer konservativen Partei sei kein Freibrief für die Verhandlungen, das Parlament werde weiterhin mitreden dürfen.

Kritiker werfen May vor, sie wolle mit der Parlamentswahl die Krise der Labour-Partei ausnutzen und Brexit-Gegner sowie konservative Hardliner im Parlament so schwächen, dass das Ergebnis der Ausstiegs-Verhandlungen mit der EU auf jeden Fall akzeptiert wird, unabhängig von den Bedingungen.

Briten begrüßen den Schritt

Die Bundesregierung rechnet nicht damit, dass die Parlamentswahl die Verhandlungen über den britischen EU-Austritt beeinträchtigen wird. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) habe am Dienstag mit May telefoniert, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer. „Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Verhandlungen ungestört fortgesetzt werden können.“

Nach Einschätzung des CDU-Europapolitikers Elmar Brok ist es noch vollkommen unklar, wie sich die Neuwahl inhaltlich auf die Brexit-Verhandlungen auswirken wird. Sollte die britische Premierministerin gestärkt aus der Wahl hervorgehen, könne sie theoretisch flexibler und kompromissbereiter agieren, sagte der EU-Abgeordnete und Außenexperte der Deutschen Presse-Agentur.

Nicht auszuschließen sei aber auch ein noch härterer Kurs der konservativen Politikerin. „Sie holt sich jetzt ein Mandat und ist dadurch auch stärker gegenüber ihren Opponenten in der eigenen Truppe“, sagte Brok. Er vermutet, dass die Liberaldemokraten stärker werden. „Aber die werden nie so stark, dass sie ein relevanter Faktor werden“, so der Großbritannien-Koordinator der christdemokratischen EVP-Fraktion im Europaparlament. Die zerstrittene oppositionelle Labour-Partei hält er weiterhin nicht für handlungsfähig.

68 Prozent der Briten begrüßten in einer Umfrage von Sky Data die angestrebte Neuwahl. Nur etwa ein Viertel hält sie für falsch. Die Konservativen um May lagen in den jüngsten Umfragen weit vor der Labour-Partei. Die Regierungschefin hatte eine vorgezogene Neuwahl eigentlich ausgeschlossen. Sie musste sich zuletzt aber immer wieder gegen Vorwürfe wehren, sie habe kein Mandat. Ihre Gegner argumentieren damit, dass sie nach dem Brexit-Referendum durch den Rücktritt von David Cameron und nicht durch eine allgemeine Wahl ins Amt kam.

In Brüssel befürchtet man bei den anstehenden Brexit-Verhandlungen keine Verzögerungen durch die Wahl, wie der Sprecher von EU-Ratspräsident Donald Tusk auf Anfrage sagte. Die detaillierten Verhandlungsleitlinien für die EU-Kommission sollten am 22. Mai vorliegen, danach könnten die Gespräche mit London beginnen.

Erst Ende März hatte May offiziell die Austrittserklärung ihres Landes aus der EU vorgelegt. Sie hatte einen harten Kurs für die Verhandlungen mit Brüssel angekündigt. Das Land soll sowohl den Europäischen Binnenmarkt als auch die Zollunion verlassen. (dpa)

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