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Die Loyalitätspflichten eines jeden normalen Beamten müssen auch für Ex-Kanzler Gerhard Schröder gelten.

© Guido Kirchner/dpa

Führungsrolle bei Rosneft: Gerhard Schröder begeht vorsätzlichen Rechtsbruch

Der Ex-Kanzler will trotz EU-Sanktionen gegen Russland in den Aufsichtsrat von Rosneft einziehen. Dass er dennoch seine Bezüge behält, ist ein unhaltbarer Zustand. Ein Gastbeitrag.

Wenn Gerhard Schröder in den Aufsichtsrat des russischen Staatskonzern Rosneft einzieht, verletzt er viele rechtliche Grundsätze. Zudem nutzt er eine Gesetzeslücke, die der nächste Bundestag schließen sollte. Viele Zusammenhänge sind weitgehend unbekannt und gehören an das Licht der Öffentlichkeit.

Gerhard Schröder vermeidet jede Transparenz, wahrscheinlich aus gutem Grund. Natürlich weiß er, welche Entlohnung ihm zugesagt wurde. Eine halbe Million Dollar steht im Geschäftsbericht. Dröhnendes Schweigen bei Schröder. Russische Staatsmedien melden, er werde sogar Vorsitzender des Aufsichtsrates. Wieder keine Antwort. Wird er als Aufsichtsrat billigen, dass das sich zur Diktatur wandelnde Venezuela mit Milliardenkrediten unterstützt wird?

Die Sanktionen gegen Rosneft sind geltendes EU-Recht

Die Sanktionen gegen Rosneft und andere sind keine bloße Absichtserklärung, sondern geltendes europäisches Recht. Die Europäische Union verabschiedete 2014 die Sanktionen in Form einer Verordnung, die jedes Jahr erweitert wurde. Gegen diese Verordnung Nr. EU 833/20141 hat Rosneft vor dem Europäischen Gerichtshof geklagt und verloren. Nicht nur der Gerichtshof hat die Verordnung bestätigt, auch das europäische Parlament hat sich in vier Beschlüssen ausdrücklich hinter die Verordnung gestellt, übrigens stets mit den Stimmen der sozialdemokratischen Fraktion und ihres heutigen Kanzlerkandidaten Martin Schulz.

Jeder kleine Beamte mit 50.000 Euro Jahresentgelt hat eine rechtlich bindende Loyalitätspflicht gegenüber dem Staat und seinen Gesetzen. Das Verhalten von Beamten muss auch außerhalb ihres Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordert, heißt es in allen Beamtengesetzen Deutschlands. Dazu gehört, dass Beamte bei politisch relevanter Betätigung Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren haben. Jede Nebentätigkeit ist zu genehmigen und sie ist zu versagen, wenn auch nur zu besorgen ist, dass durch die Nebentätigkeit dienstliche Interessen beeinträchtigt werden. Die Einhaltung von Gesetzen gehört ganz sicher dazu.

Ein früherer Bundeskanzler sollte Loyalitätspflichten haben

Was ein kleiner Beamter nicht darf, muss auch für einen ehemaligen Bundeskanzler gelten. Mit Sachleistungen wie Büro, Auto und Fahrer bekommt er immerhin über 500.000 Euro im Jahr vom Staat, gerade auch um unabhängig zu bleiben. Er hat keine geringeren Loyalitätspflichten als ein einfacher Beamter, möchte man meinen. Das ist aber nicht so. Und Gerhard Schröder nutzt das schamlos aus.

Dabei hat er schon Glück, denn er ist der letzte Bundeskanzler, bei dem zusätzliche Einkünfte nicht angerechnet werden. Würde Angela Merkel nach ihrem Ausscheiden für die evangelische Kirche oder die UN arbeiten, muss sie nach den Regeln des § 20 Absatz 2 des Bundesministergesetzes Kürzungen hinnehmen. In Satz 5 dieser Vorschrift steht eine Stichtagregelung, so dass Gerhard Schröder von jeglicher Kürzung ausgenommen ist. Seine sich inzwischen auf mehrere Millionen summierenden  Einkünfte  seit seinem Ausscheiden darf er ungekürzt behalten, auch wenn er nicht für die UNO, dafür aber für Gazprom, Nordstream und Rosneft arbeitet, alles Mehrheitsbeteiligungen des russischen Staates. Das ist schwer verständlich, weil nach dem Alimentationsprinzip Beamte und öffentliche Amtsträger das Geld bekommen, das zu einer amtsangemessenen Lebensführung nötig ist. Wer das aus anderer Quelle bestreitet, bei dem besteht überhaupt kein Grund für eine zusätzliche staatliche Alimentation.

Wer gegen Sanktionen verstößt, muss seine staatlichen Bezüge verlieren

Dass Gerhard Schröder trotzdem viel Geld bekommt, ist nun mal geltendes Recht und schon deshalb kein Skandal. Wenn aber der ehemalige Bundeskanzler mit seiner Tätigkeit für ein russisches Staatsunternehmen trotz entgegen stehender Handelssanktionen arbeitet, er also gegen geltendes EU-Recht verstößt, dann ist das etwas anderes. Wir brauchen ein Gesetz, das ehemalige Bundeskanzler genauso zu Loyalität und Transparenz verpflichtet wie jeden Beamten.

Wer dagegen verstößt, für den muss gelten: seine staatlichen Bezüge sind verwirkt. Es geht immerhin um das Ansehen unseres Staates und seiner politischen Führung, das von wenigen so geprägt wird wie von ehemaligen Bundeskanzlern. Der Fall lehrt uns, dass was offenbar früher zu den ungeschriebenen ethischen Grundsätzen von Amtsinhabern gehörte, heute für manche nicht gilt, wenn das große Geld winkt. Vorsätzlicher Rechtsbruch ohne Folgen. Das darf so nicht bleiben.

Die deutlich erkennbare Lücke muss der Gesetzgeber schließen, und dies nicht nur aus Gründen der Glaubwürdigkeit. Es ist auch eine Gerechtigkeitsfrage. Denn für viele deutsche Unternehmen, auch mittelständische, bis hin zu kleinen landwirtschaftlichen Betrieben, bedeuten die gegen Russland verhängten Handelssanktionen teilweise erhebliche Einbußen. Warum gleichzeitig mit ihren Steuergeldern ein Alt-Bundeskanzler großzügig alimentiert wird, der solche Sanktionen umgehen kann, ist kaum vermittelbar.

Der Autor ist CDU-Politiker und ehemaliger Berliner Senator für Justiz.

Thomas Heilmann

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