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Die Vorsitzende des Nobelpreiskomitees Berit Reiss-Andersen (v.l.n.r.) übergibt den Preis an die Hiroshima-Überlebende Setsuko Thurlow und Ican-Direktorin Beatrice Fihn.

© REUTERS

Friedensnobelpreis für ICAN: Mahnung zum Kampf gegen Atomwaffen

Der Nobelpreis für die Internationalen Kampagne zur Abschaffung der Atomwaffen ist ein Zeichen gegen die Politik der kleinen Schritte. Ein Kommentar.

Von Anna Sauerbrey

Am Sonntag wurde der Internationalen Kampagne zur Abschaffung der Atomwaffen (Ican) in Oslo der Friedensnobelpreis verliehen. Das Netzwerk hat es geschafft, 122 Staaten dazu zu bringen, sich im Juli vertraglich auf ein Verbot von Atomwaffen zu einigen. Doch der Preis, das macht das Nobelpreiskomitee in seiner Begründung klar, ist weniger gedacht als Würdigung dieser Leistung denn vielmehr als Mahnung, den Kampf gegen Atomwaffen nicht aufzugeben, eine Mahnung besonders an die neun Staaten, die Atomwaffen besitzen, und ihre engsten Verbündeten, darunter Deutschland. Sie alle haben den Atomwaffenverbotsvertrag nicht unterzeichnet.

Die Mahnung ergeht zu einem kritischen Zeitpunkt. Der Abbau der Bestände atomarer Waffen hat sich nach Ansicht der Beobachter des Friedensforschungsinstituts Sipri deutlich verlangsamt, in allen neun Atommächten läuft stattdessen die Modernisierung der Arsenale. Einige Konflikte spitzen sich gerade kräftig zu, nicht nur in Nordkorea, sondern in der unmittelbaren geopolitischen Nähe Europas.

Am Freitag jährte sich die Unterzeichnung des Vertrags über die Vernichtung nuklearer Mittelstreckensysteme, des INF-Vertrags, zum 30. Mal. Doch um die Einhaltung dieses wichtigen Vertrags ist es nicht gut bestellt, folgt man der Lesart der USA. Seit 2014 werfen sie Russland vor, solche Waffen wieder zu entwickeln, zu testen und zu stationieren. Nun erhöhen die Amerikaner den Druck auf die Nato-Partner, eine einheitliche und vor allem härtere Linie gegen Russland zu fahren. Außenpolitische Falken in den USA fordern sogar, als Reaktion auf die Vertragsbrüchigkeit Russlands atomar bestückbare Marschflugkörper in Europa zu stationieren. Außenminister Sigmar Gabriel sagte am vergangenen Dienstag: „Wir könnten unmittelbar vor der Gefahr eines erneuten, auch nuklearen Wettrüstens mitten in Europa stehen."

In dieser Krise hält sich Donald Trump zurück

Das klingt dramatisch. Doch so besorgniserregend die Situation ist: Im Moment scheint es nicht so, als stünden die Amerikaner kurz davor, die Deutschen zu bitten, atomare Mittelstreckenraketen auf der Luftwaffenbasis Büchel an der Mosel zu stationieren, wo bis heute amerikanische Atomwaffen lagern. Im Konflikt mit Nordkorea tritt Donald Trump großspurig auf – in dieser Krise hält er sich zurück. Die amerikanischen Falken scheinen bislang nicht tonangebend. Die Erklärung, mit der das US-Außenministerium am Freitag russische Verstöße verurteilte, war ausgesprochen umsichtig formuliert. Jeder zweite Satz verwies auf einen Ausweg Richtung Normalität. Das Ziel scheint es zunächst zu sein, die europäischen Partner zu einer hart formulierten Erklärung gegen Russland zu nötigen. Medienberichten zufolge hat Trump außerdem Sanktionen gegen russische Unternehmen bewilligt, die sich an den Entwicklungsprojekten beteiligen.

Deutsche und Europäer scheinen es als ihre Aufgabe zu sehen, diese Vorsicht zu stärken. Besonders den Deutschen graut es aus verständlichen Gründen vor einer Nachrüstungsdebatte. Doch so paradox es klingen mag: Genau deshalb wird auch Deutschland schließlich eine hart formulierte gemeinsame Erklärung der Nato-Länder mittragen müssen. Die Politik der kleinen Schritte funktioniert nur, wenn auch die Eskalationsbereitschaft glaubwürdig bleibt. Solange nicht alle Staaten den Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnet haben, kann sich niemand dieser archaischen Logik entziehen.

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