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Aktivisten der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) protestieren vor der US-Botschaft in Berlin.

© Britta Pedersen/dpa

Friedensnobelpreis für ICAN: Dem Druck auf Regierungen müssen Verhandlungen folgen

Die Atommächte USA und Nordkorea drohen sich gegenseitig Gewalt an. Und eine Gruppe wird geehrt, die die Bombe weltweit ächten will. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Hans Monath

Vom Befehlshaber des US-Atomarsenals erwartet die Welt mehr Vernunft als von Nordkoreas Diktator Kim Jong Un. Doch als Donald Trump seine erste Rede vor den UN hielt, drohte er Nordkorea mit „totaler Zerstörung“. Mehr als 70 Jahre nach Hiroshima und Nagasaki schien es kein abwegiges Szenario mehr, dass zwei Länder die schrecklichste aller Waffen einsetzen könnten.

Drei Wochen nach Trumps Auftritt hat das Nobelpreiskomitee die Internationale Kampagne zur atomaren Abrüstung (ICAN) ausgezeichnet. Die Botschaft: Eine Welt ohne Atomwaffen ist möglich. Und gesellschaftliche Initiativen sind für das Erreichen des Ziels so wichtig wie Politiker oder internationale Institutionen.

Die Entscheidung lenkt die Aufmerksamkeit auf ein Thema, das in Deutschland zuletzt nur noch Wenige zu beunruhigen schien. Dabei ist nukleare Rüstung auch fester Bestandteil der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik. US-Atombomben lagern in der Bundesrepublik, deutsche Tornados üben ihren Abwurf.

Dienen Atomwaffen noch immer nur Abschreckung?

In der Nachrüstungsdebatte der achtziger Jahre hatten viele Deutsche noch Angst. Ihr Land war der Schnittpunkt zweier Blöcke, hier wäre im Ernstfall der Atomkrieg zuerst ausgetragen worden. Mit dem Ende der Sowjetunion, der Wiedervereinigung und der EU-Osterweiterung schien die Bedrohung gebannt.

Dabei macht eine Entwicklung nicht nur Idealisten Sorgen, sondern auch Realpolitikern wie Henry Kissinger: Im Ost-West-Konflikt galt der Satz, Nuklearsprengköpfe seien Waffen, die abschrecken sollen, aber nicht eingesetzt werden. Seit aber nicht mehr nur kühl rechnende Strategen in Washington und Moskau über atomare Arsenale wachen, seit der Iran nach der Bombe strebte, Indien, Israel, Pakistan und Nordkorea über sie verfügen, ist das Risiko nuklearer Anarchie und eines Atomkriegs gestiegen.

Die Antwort der ICAN-Aktivisten darauf ist ein Vertrag, der Herstellung, Besitz, Einsatz und Lagerung von Atomwaffen verbietet. Die Bundesregierung hat das Abkommen nicht unterzeichnet – so wenig wie andere Nato-Staaten. Bringt man ihre Begründung auf eine kurze Formel, so lautet die: Wie wahrscheinlich ist es, dass Kim Jong Un und andere Atomwaffenmächte den Vertrag unterschreiben und sich an ihn halten werden?

Ohne eigenes Drohpotenzial gegen ein Land an der Schwelle zur Atommacht ist mehr Sicherheit in einer unsicheren Welt nicht zu erreichen. Das hat der Atomvertrag mit dem Iran gezeigt, in dem Teheran auf die Bombe verzichtete, auch weil sonst ein Angriff drohte. Die deutsche Außenpolitik hatte zu diesem Erfolg beigetragen und sieht in ihm zurecht ein Vorbild für die Lösung der Nordkorea-Krise.

Möglich wurde das Iran-Abkommen aber nur, weil die USA mitspielten. Barack Obama hatte 2009 die Abschaffung aller Atomwaffen („Global Zero“) ausgerufen. Seinem Nachfolger, der gern mit militärischer Macht protzt, ist nichts ferner als Abrüstung. Er will auch den Vertrag mit Teheran kündigen.

Das Nobelpreis für ICAN hat einem Menschheitsziel neue Aufmerksamkeit verschafft und erhöht den Druck auf Regierungen, die das Verbot aller Atomwaffen nicht unterschreiben. Den Weg zu atomarer Abrüstung aber können nur Verhandlungen der Nuklearmächte USA und Russland bahnen, die über 90 Prozent der Sprengsätze verfügen. So wichtig ist dieses Ziel, dass es auch Trumps Amtszeit überleben muss.

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