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Die EU-Innenminister trafen sich im Amsterdamer Schifffahrtsmuseum informell, um über die Flüchtlingskrise zu sprechen.

© dpa

Flüchtlingspolitik in Europa: Kommt jetzt ein Mini-Schengen?

Griechenland wird von den EU-Partnern vorgeworfen, die Schengen-Außengrenze nicht ausreichend zu sichern. Nun könnte es bald schärfere Kontrollen der Flüchtlinge in Mitteleuropa geben.

In der Dunkelheit sind sie übers Wasser gekommen. Zu ihrem Tagungsort im Amsterdamer Schifffahrtsmuseum wurden die EU-Innenminister am Montagmorgen per Ausflugsboot geschippert. Davon, dass sie sich in die Lage der Flüchtlinge hineinzuversetzen versuchten, konnte freilich keine Rede sein, da es bei dem Treffen darum ging, deren Zuzug zu begrenzen. „Wir brauchen einen dauerhaften, spürbaren, nachhaltigen Rückgang der Flüchtlingszahlen“, sagte Bundesminister Thomas de Maizière. Neben der Anlegestelle hatte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International daher ein überfülltes Flüchtlingsboot zu Wasser gelassen. Darauf stand: „Sorgen Sie sich nicht um die Umfragen, sondern die Geschichtsbücher.“

Darin wird einmal stehen, wie der Druck auf Griechenland erneut erhöht wurde, seine Seegrenze zur Türkei besser zu kontrollieren beziehungsweise dicht zu machen. In Athen reagiert man darauf inzwischen genervt. In Amsterdam sagte Iannis Mouzalas, der in der griechischen Regierung für Migrationspolitik verantwortlich ist, mit einem Stoßseufzer: „Wir sind es leid zu hören, dass wir es nicht schaffen, unsere Grenzen zu sichern.“

Dies hielt seine österreichische Amtskollegin Johanna Mikl-Leitner aber nicht von der Forderung ab, Athen müsse seiner Marine endlich ein „ziviles Kommando“ dazu übertragen. Zudem ließ der niederländische EU-Ratsvorsitz den Kommissionsvorschlag für eine europäische Küstenwache diskutieren, die dann auch gegen den Willen Griechenlands in der Ägäis zum Einsatz käme. Bis Sommer soll das Gesetz stehen.

Die Schengen-Außengrenze könnte sich in Richtung Mitteleuropa bewegen

Und wenn nicht? Wozu die innenpolitisch unter gewaltigem Druck stehenden EU-Partnerländer inzwischen bereit sein könnten, wurde in Amsterdam ebenfalls klarer als bisher. Die Österreicherin Mikl-Leitner brachte erstmals öffentlich einen Ausschluss Griechenlands aus dem Schengen-Raum ins Spiel, wenn es die Außengrenze nicht effektiver sichere: „Dann wird sich die Schengen-Außengrenze in Richtung Mitteleuropa bewegen.“ In der niederländischen Delegation wurde bestätigt, dass „wir ständig Szenarien durchspielen, ob der innere Ring verstärkt werden muss, wenn der äußere Ring nicht adäquat geschützt wird“. Es gibt auch schon einen neuen Kampfbegriff dafür: „Mini-Schengen“.

Mehrere Diplomaten werteten dies jedoch als noch bunter ausgeschmückte Drohkulisse. „Es ist rechtlich unmöglich, ein Land aus dem Schengen-Raum zu verbannen“, sagte ein Sprecher des Ministerrats, „das geht nur, wenn das Land die EU verlässt“. Es verhält sich damit juristisch also ähnlich wie mit dem im vergangenen Sommer diskutierten „Grexit“ aus der Euro-Zone.

Faktisch jedoch könnte es durchaus in diese Richtung gehen. „Wenn Sie auf die Karte schauen“, sagte ein EU-Diplomat angesichts der Tatsache, dass Griechenland ohnehin keine Landgrenze mit einem anderen Schengen-Staat teilt, „ist Griechenland schon jetzt isoliert“. Vermehrte, von der Gemeinschaft finanzierte Kontrollen im Nicht-EU-Land Mazedonien, die Sloweniens Premier Miro Cerar anregt, zusammen mit intensiven Passagierkontrollen auf den Fähren nach Italien könnten diese Art der Isolation noch verstärken.

Über die rechtliche Basis für solche Schritte wurde in Amsterdam auch beraten. Spätestens im Mai laufen die temporären Grenzkontrollen aus, die neben Deutschland sechs weitere EU-Länder derzeit praktizieren. Wenn die EU-Kommission in einem Bericht bis dahin feststellt, dass ein Land die Außengrenze nicht effektiv sichert und der Schengen-Raum insgesamt bedroht ist, sind Kontrollen wieder rechtens – für bis zu zwei Jahre. De Maizière nannte dies „eine kritische Betrachtung der Rolle Griechenlands“. Der Minister erwartet eine rasche Untersuchung der EU-Kommission: „Ehrlich gesagt, ich möchte mit all diesen Fragen nicht bis Mai warten.“ Ein hochrangiger EU-Diplomat prophezeite: „Das wird bald so beschlossen werden.“

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