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Flüchtlinge wandern in Ungarn Richtung Österreich.

© dpa

Flüchtlingspolitik: Europa schließt die Grenzen - und verschiebt eine Quote

Grenzkontrollen führen zu langen Wartezeiten, auch Österreich und Slowakei überprüfen Reisende, die Unionsspitze will ein Einwanderungsgesetz.

Nach der Einführung von Kontrollen an der deutschen Grenze zu Österreich haben auch Österreich und die Slowakei angesichts der hohen Flüchtlingszahlen befristete Grenzkontrollen beschlossen. Ungarn schloss unterdessen nach eigenen Angaben seinen Hauptgrenzübergang zu Serbien.

Es werde nach deutschem Vorbild Kontrollen an der Grenze zu Ungarn geben, sagte die österreichische Innenministerin Johanna Mikl-Leitner am Montag in Brüssel. Die Entscheidung Deutschlands für eine stärkere Überwachung der Grenzen vom Sonntag habe sie nicht überrascht, sagte Mikl-Leitner weiter: „Es war allen klar, dass das so nicht weitergehen kann.“

Die Opposition in Deutschland kritisierte die Entscheidung der Bundesregierung dagegen scharf. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sprach im Hessischen Rundfunk von einer „völlig hilflosen Entscheidung“. Die Bundesregierung verteidigte ihre Asylpolitik. Die Grenzen seien keineswegs für Flüchtlinge geschlossen, betonte Regierungssprecher Steffen Seibert. „Vorübergehende Grenzkontrollen sind etwas anderes als die Schließung der Grenzen“, sagte Seibert. Ziel der Kontrollen sei es, bereits beim Grenzübertritt die Identität der Flüchtlinge festzustellen und für das folgende Asylverfahren „einen geordneten Prozess zu ermöglichen“.

SPD-Chef Sigmar Gabriel prognostizierte für 2015 eine Million Flüchtlinge in Deutschland. „Vieles deutet darauf hin, dass wir in diesem Jahr nicht 800.000 Flüchtende aufnehmen, wie es das Bundesinnenministerium prognostiziert hat, sondern eine Million“, schrieb Gabriel in einem Brief an die SPD-Mitglieder. Er rechtfertigte die Rückkehr zu Kontrollen an der Grenze zu Österreich mit einer „unvorhersehbaren Ausnahmesituation“.

Spürbarste Auswirkung der Kontrollen für die Bürger waren lange Rückstaus an den Grenzen zu Österreich. In Freilassing mussten Autofahrer am Montag rund eine Stunde auf die Einreise nach Österreich warten. Spediteure klagten über Terminschwierigkeiten. Der Zugverkehr zwischen Österreich und Bayern wurde am Montag nach einer Nacht Unterbrechung wieder aufgenommen.

EU-Innenminister können sich nicht auf Quoten einigen

Trotz großen Einigungsdrucks haben sich die EU-Innenminister bei einem Krisentreffen zur Flüchtlingskrise in Brüssel nicht auf eine endgültige gemeinsame Lösung verständigen können.

Es gelang lediglich eine grundsätzlich Einigung auf die Verteilung von 160.000 Flüchtlingen, wie Bundesinnenminister Thomas de Maizière nach dem Treffen am Montag in Brüssel sagte. Der von der EU-Kommission vorgeschlagene verpflichtende Verteilschlüssel in den Mitgliedstaaten habe noch keine Mehrheit gefunden.

Allein am Wochenende waren 20.000 Flüchtlinge aus Ungarn am Münchner Hauptbahnhof angekommen. Die Behörden stießen bei der Unterbringung und Verpflegung an ihre Grenzen.

Unterstützung könnte von der Bundeswehr kommen. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sagte, die Bundeswehr könne ohne Weiteres noch Personal für die Flüchtlingshilfe stellen. „Das haben wir den Ländern noch einmal aktiv gesagt.“ Rund 20 000 Flüchtlinge werden bereits an aktiven und ehemaligen Militärstandorten von der Bundeswehr versorgt. Abgesehen von polizeilichen und hoheitlichen Aufgaben könne die Bundeswehr Amtshilfe leisten, „so weit die Fantasie reicht“, sagte die Ministerin. Konkret bot sie an, beim Betrieb der in Schönefeld und im niedersächsischen Fallingbostel geplanten Verteilzentren für Flüchtlinge zu helfen.

Raed Saleh warnt vor einem Kippen der Stimmung

In Berlin ist die Hilfsbereitschaft für Flüchtlinge nach wie vor groß. SPD-Fraktionschef Raed Saleh warnte aber davor, dass angesichts der immer größeren Zahl von Flüchtlingen „die Stimmung jederzeit kippen“ könne. Bürger, die „von der hohen Geschwindigkeit der Veränderung“ beunruhigt seien, dürfe man „nicht in die rechte Ecke stellen“, sondern müsse alles tun, um „diese Menschen zu Partnern dieses Veränderungsprozesses zu machen“, sagte Saleh dem Tagesspiegel.

Die CDU will die Zuwanderung besser regulieren. Die Parteispitze sprach sich nun doch für ein Einwanderungsgesetz aus. Das geht aus einem Papier hervor, das vom CDU-Bundesvorstand beraten und als Antrag an den Parteitag im Dezember beschlossen wurde. Darin heißt es: „Es gibt bereits zahlreiche gesetzliche Regelungen zur Einwanderung. Diese müssen widerspruchsfrei und besser miteinander verknüpft, in einem Gesetz zusammengeführt und im Ausland besser kommuniziert werden.“

Daimler-Chef Dieter Zetsche sieht im aktuellen Flüchtlingsstrom eine Chance für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland. Mehr als 800.000 Menschen in Deutschland aufzunehmen, sei eine Herkulesaufgabe, sagte Zetsche am Montagabend im Vorfeld der IAA in Frankfurt. „Aber im besten Fall kann es auch eine Grundlage für das nächste deutsche Wirtschaftswunder werden - so wie die Millionen von Gastarbeitern in den 50er und 60er Jahren ganz wesentlich zum Aufschwung der Bundesrepublik beigetragen haben.“

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