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Schwedens Integrationsminister Morgan Johansson.

© dpa

Flüchtlinge in Schweden: "Wir haben die Grenze erreicht"

Ausgerechnet der linke Sozialdemokrat Morgan Johansson muss in Schweden die Grenze der Aufnahmefähigkeit erklären. Das wird auch Auswirkungen auf Deutschland haben.

Ausgerechnet ein linker Sozialdemokrat und Anhänger des Humanismus erklärt, was bis tief in die CDU hinein als unaussprechbar gilt. „Wir haben die Grenze des Machbaren erreicht“, sagte Morgan Johansson am Donnerstag. Der schwedische Minister für Justiz und Integration forderte Flüchtlinge auf, nach Deutschland oder Dänemark zurückzugehen oder sich selbst eine Unterkunft zu suchen. Der schwedische Staat könne ihnen kein Dach über dem Kopf mehr garantieren. Die Situation ist inzwischen so prekär, dass Schwedens Migrationsbehörde 50 Flüchtlinge in ihrer Eingangshalle einquartieren musste.

Johanssons Ankündigung ist eine Zäsur in einem Land, das sich bisher viel zugutehielt auf die wohl großzügigste Migrationspolitik der Welt. Und sie fällt noch einmal drastischer aus, weil ihr Verkünder tief verankert ist in der schwedischen Sozialdemokratie, jener Partei von Olof Palme, deren Identität sich auch aus einer liberalen Asylpolitik speist. Seit 1998 sitzt der 45 Jahre alte Johansson im Parlament, war Gesundheitsminister, arbeitete zuvor als Journalist für eine sozialdemokratische Parteizeitung.

Schon länger hatte sich eine Trendwende in Schweden abgezeichnet. Laut Umfragen verlangen inzwischen knapp zwei Drittel der Schweden eine restriktivere Flüchtlingspolitik. Erst vor zwei Wochen hatte die rot-grüne Minderheitsregierung von Ministerpräsident Stefan Löfven darauf reagiert und mit Teilen der Opposition eine Asylrechtsreform vereinbart. Sie sollte Platzprobleme lösen und den Zuzug begrenzen. Mit bis zu 190.000 Flüchtlingen im Jahr 2015 rechnete das Zehn-Millionen-Land damals noch.

Lübeck richtet eine Notunterkunft für Transitflüchtlinge ein

Doch offenbar wurde Schwedens Politik seitdem nochmals von der Entwicklung überholt. Jeden Tag kommen weiterhin bis zu 2000 Asylbewerber an – meist auf Fähren über deutsche Ostseehäfen. Auch auf Deutschland wird Johanssons Ankündigung Auswirkungen haben. Die Stadt Lübeck reagierte am Freitag mit der Einrichtung von ersten Notunterkünften für bis zu 1000 Transitflüchtlinge. Viele von ihnen erhoffen sich bessere Bedingungen als in Deutschland, auch weil Schweden beim Familiennachzug bisher großzügiger war.

Nach Griechenland und Italien stellte Schweden am Freitag als drittes EU-Land auch den Antrag, Flüchtlinge in andere Staaten umzuverteilen. Ohnehin könnte Löfvens Minderheitenbündnis die erste Regierung in der EU sein, die über die Flüchtlingskrise stürzt. Die rechtspopulistischen Schwedendemokraten erreichen laut jüngsten Umfragen 20 Prozent.

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