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Die Europäer fürchten, die USA könnten versuchen, sie in ihrer Haltung zum Freihandelsabkommen TTIP auseinanderdividieren.

© AFP

Exklusiv-Recherche: TTIP: USA versuchen Europäer zu spalten

Das Recherchebüro Correctiv zeigt: Die USA versuchen in den Verhandlungen zum umstrittenen Freihandelsabkommen TTIP, die Europäer zu spalten.

Am TTIP-Verhandlungstisch sitzen zwei ungleiche Partner. Die USA sprechen mit einer Stimme, die EU muss die Interessen 28 verschiedener Regierungen bünden. Die EU-Kommission befürchtet, dass die Amerikaner versuchen werden, die Vielstimmigkeit Europas auszunutzen und Uneinigkeit unter den Europäern zu säen, um ihre Verhandlungsposition zu schwächen. Das geht aus vertraulichen Dokumenten über die TTIP-Verhandlungen vor, die das Recherchebüro Correctiv veröffentlicht hat. Man dürfe „sich nicht auseinander dividieren lassen“, mahnte die Kommission in interner Runde, wie es in einem Bericht über ein Treffen der Vertreter der EU-Regierungen mit der Kommission am 11. Juli 2014 heißt.
Die Brüsseler Beamten hatten erfahren, dass die Amerikaner einzelne EU-Regierungen bei bilateralen Treffen beeinflussen wollen. Es ging unter anderem um kommunale Aufgaben und die Frage, ob Leistungen der Städte und Gemeinden künftig leichter privatisiert werden können. Bisher gab es Konsens, dass öffentliche Dienstleistungen bei TTIP weitgehend außen vor bleiben. Aber betrifft das auch kommunale Dienste, die durch neue Technologien möglich werden? Zum Beispiel wenn es möglich wird, die Pflege von Menschen künftig mit digitalen Technologien zu verbessern: Die USA wollen, dass solche Dienste dem privaten Markt überlassen bleiben. Die EU stemmt sich dagegen – noch.

Am 6. Oktober 2014 wies die Kommission die Vertreter der europäischen Regierungen darauf hin, „dass es weiterhin individuelle Schritte von USA in Richtung einzelner Mitgliedstaaten gäbe. Darauf sollten die Mitgliedstaaten vorbereitet sein und sich in einem solchen Fall auch an die Kommission wenden.“ So hat es der Vertreter des Auswärtigen Amtes festgehalten. Auch bei den Verhandlungen über Dienstleistungen warnt die EU-Kommission vor einer Spaltung der EU-Staaten durch die Amerikaner. Beim Zugang für Telekommunikationsfirmen oder für den Bau von Schiffen liegen beide Seiten noch weit auseinander. Die Kommission hatte beobachtet, „dass die USA auf einzelne Mitgliedstaaten zugehen würde, um sich über das schlechte EU-Angebot zu beklagen.“ So steht es in einem internen Gesprächsprotokoll, das ein deutscher Beamter am 9. Juli 2014 mitgeschrieben hat. Zwei Tage später warnte ein Kommissionsbeamter, dass sich „die EU – auch bei direkten Kontakten in Washington – nicht auseinander dividieren lassen“ dürfe. Brüssel sieht die Gefahr, dass sich die einzelnen Staaten zu sehr von den USA beeinflussen lassen könnten, wenn Regierungschefs europäischer Länder nach Washington reisen. Die EU-Kommission versucht deswegen, die Länder zusammen zu halten. So ist auch zu verstehen, dass sie im Oktober 2014 deutlich machte, „dass die EU gegenüber den USA mit einer Stimme sprechen müsste“.

Der Text erscheint in Kooperation mit dem gemeinnützigen Recherchebüro Correctiv (www.correctiv.org).

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