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Kurz vor der Bundestagswahl hat EU-Kommissionspräsident Juncker mit brisanten Vorschlägen die Debatte über die Zukunft der EU angeheizt.

© Christian Hartmann/Reuters

Europäische Union: Junckers Masterplan

Mit seinen weitreichenden Vorschlägen will der EU-Kommissionspräsident Europa handlungsfähiger machen.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat ein ehrgeiziges Programm für die Zukunft der EU vorgelegt. Bei seiner Rede zur Lage der Union, die der Chef der EU-Kommission traditionell nach der Sommerpause im Europa-Parlament hält, unterbreitete er den Mitgliedsländern weitreichende Vorschläge, wohin die Reise in der Gemeinschaft gehen soll. Sie beziehen sich auf die Wirtschaft und die europäischen Institutionen. Juncker betont, dass keinerlei Änderung der europäischen Verträge notwendig ist. Eine Änderung der Verträge gilt als heikel, weil in einigen Ländern dazu zwingend eine Volksabstimmung geboten ist.

Juncker will, dass die Euro-Zone und der Schengen-Raum größer werden. Er sagte wörtlich: „Wenn wir unsere Außengrenzen stärken wollen, dann müssen wir Rumänien und Bulgarien unverzüglich den Schengen-Raum öffnen.“ Auch Kroatien sei ein Kandidat. Der Schengen-Raum steht für die Reisefreiheit in Europa. 1985 beschlossen die ersten Staaten, die Grenzkontrollen abzuschaffen. Mittlerweile gilt Schengen für 400 Millionen Europäer. 22 von 28 EU-Staaten sind dabei, mit der Schweiz und Norwegen machen auch einige Nicht-EU-Länder mit. Gegen diesen Plan Junckers ist mit erheblichem Widerstand aus den Hauptstädten zu rechnen. Gerade in Deutschland, das in der Flüchtlingskrise die Reisefreiheit ausgesetzt hat, dürfte die geplante Aufnahme Rumäniens in den Schengen-Raum für Diskussionen sorgen.

Nicht ganz so ehrgeizig

Ohne es explizit zu sagen, erteilte Juncker mit seinem Vorstoß für einen größeren Schengen- sowie Euro-Raum dem Konzept von einem „Europa der zwei Geschwindigkeiten“ eine Absage. Angela Merkel favorisiert ein „Europa der zwei Geschwindigkeiten“, sie glaubt, dass einige Staaten bei der weiteren Vertiefung der Union vorangehen sollen. So könnten Reformen schneller kommen.

Die EU soll wachsen. Die nächste Erweiterungsrunde ist zwischen 2019 und 2025 geplant. Kandidaten dafür nannte Juncker nicht, erteilte lediglich der Aufnahme der Türkei eine klare Absage. Als Anwärter werden am ehesten Serbien und Montenegro gesehen. Mit den Ländern führt die EU-Kommission bereits Beitrittsgespräche. EU-Diplomaten sprechen davon, dass die EU bald 30 und mehr Mitgliedsländer haben wird. Nach dem Austritt Großbritanniens im März 2019 hat die EU noch 27 Mitgliedsländer. Gegen eine neue Erweiterungsrunde dürfte es Widerstand geben. Viele Stimmen meinen, dass die Aufnahme von osteuropäischen Ländern sie schon überfordert und an den Rand der Unregierbarkeit gebracht habe.

Juncker macht Vorschläge, wie die EU entscheidungs- und handlungsfähiger werden soll. Er will, dass in der Kammer der Mitgliedstaaten Beschlüsse in den beiden wichtigen Politikfeldern der Steuer- und Außenpolitik nicht mehr der Einstimmigkeit bedürfen. Wenn er mit diesem Vorstoß Erfolg hätte, würde eine qualifizierte Mehrheit ausreichen, um etwa Beschlüsse zu gemeinsamen Sätzen bei der Mehrwertsteuer und der Besteuerung von Konzernen in der EU zu fassen. Um Vorhaben durchzubekommen, würde es dann reichen, wenn 55 Prozent der Mitgliedstaaten dafür stimmen, die 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren. Dies wäre ein echter Sprung. Bislang scheitern alle Versuche, etwa Internet-Plattformen einheitlich in der EU zu besteuern, am Veto einiger Mitgliedstaaten, wie Irland und Luxemburg, die die Konzerne mit lukrativen fiskalischen Konditionen angelockt haben. Es ist allerdings damit zu rechnen, dass aus den Hauptstädten erheblicher Widerstand gegen die Ausweitung der Bereiche kommt, bei denen nach dem Prinzip der qualifizierten Mehrheit abgestimmt werden soll. Klar ist: Der Lissabon-Vertrag sieht die Ausweitung vor.

In der Finanzpolitik will Juncker nicht ganz so ehrgeizig vorangehen wie etwa Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Er liegt mit seinen Vorschlägen eher auf einer Linie mit den Vorstellungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble. Juncker erteilt nämlich dem Plan Macrons für einen mehrere hundert Milliarden Euro schweren eigenen Euro-Zonen-Haushalt eine Absage.

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