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Jobcenter dürfen EU-Arbeitslosen Hartz IV verweigern.

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Update

EuGH: Deutschland darf arbeitslosen EU-Zuwanderern Hartz IV verwehren

Deutschland darf arbeitslosen Zuwanderern aus EU-Ländern auch in Zukunft Hartz-IV-Leistungen verwehren. Das hat der Europäische Gerichtshof entschieden. Die sogenannte Armutszuwanderung hatte zuvor zu Debatten geführt.

Deutschland darf arbeitslosen Zuwanderern aus EU-Ländern auch in Zukunft pauschal Hartz-IV-Leistungen verwehren. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg am Dienstag entschieden. Ein Staat müsse die Möglichkeit haben, Sozialleistungen zu versagen, entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH). Im konkreten Fall ging es um eine Rumänin aus Leipzig, die auf Hartz IV geklagt hatte. Sielebt mit ihrem Sohn bei ihrer Schwester in Leipzig. Zunächst wurde sie von der Schwester mit Lebensmitteln versorgt, später beantragte sie Hartz IV.

Das Jobcenter hatte der Frau diese Leistungen verweigert, weil sie keine Arbeit aufnahm. Das Sozialgericht Leipzig hatte den EuGH um Klärung gebeten. Der EuGH schrieb, die Frau verfüge nicht über „ausreichende Existenzmittel“ und könne deshalb laut EU-Recht kein Recht auf Aufenthalt in Deutschland geltend machen. Sie könne sich deshalb nicht auf das im EU-Recht verankerte Diskriminierungsverbot berufen.

In Deutschland war eine Flut von neuen Hartz-IV-Anträgen von EU-Zuwanderern befürchtet worden, wenn der Gerichtshof eine Korrektur der nationalen Regeln gefordert hätte. (Az C-333/13) Das Urteil des EuGH ist eine sogenannte Vorabentscheidung, um die das höchste europäische Gericht gebeten worden war, bevor vor einem deutschen Gericht ein endgültiges Urteil fällt. Arbeitsuchende Zuwanderer aus Ländern der Europäischen Union (EU) sind in Deutschland generell von Hartz IV ausgeschlossen. Der Gerichtshof wies ausdrücklich darauf hin, dass kein Aufnahmestaat von EU-Zuwanderern nach EU-Recht verpflichtet sei, während der ersten drei Monate des Aufenthalts Sozialhilfe zu gewähren.

Immer mehr Rumänen und Bulgaren kommen nach Deutschland

Bei einer Aufenthaltsdauer von mehr als drei Monaten, aber weniger als fünf Jahren, mache das EU-Recht das Aufenthaltsrecht davon abhängig, dass nicht erwerbstätige Personen über ausreichende eigene Existenzmittel verfügten.

Der EU-Generalanwalt Melchior Wathelet hatte im Mai in seinem Schlussgutachten dafür plädiert, den deutschen Leistungsausschluss zu billigen. Dieser stehe im Einklang mit dem Willen des EU-Gesetzgebers - er verhindere, „dass Personen, die von ihrer Freizügigkeit Gebrauch machen, ohne sich integrieren zu wollen, eine Belastung für das Sozialhilfesystem werden“. Sozialverbände wie etwa die Diakonie argumentieren hingegen, dass Fälle von Sozialmissbrauch unter EU-Zuwanderern sehr selten seien. Die allermeisten Menschen suchten ernsthaft nach Perspektiven für sich auf dem europäischen Arbeitsmarkt, worauf sie als EU-Bürger ein Recht hätten. Ohne soziale Absicherung gerieten sie oft in eine „existenzielle Notlage“ und würden schnell zu Opfern ausbeuterischer Unternehmen. Unter dem Strich bringe die Freizügigkeit in der EU Deutschland einen erheblichen wirtschaftlichen Gewinn, unterstreicht die Diakonie.

2013 erhielten 37.800 Rumänen und Bulgaren Arbeitslosengeld II

Immer mehr Rumänen und Bulgaren in Deutschland finden eine Arbeit. Zugleich wächst die Zahl der Zuwanderer aus den beiden EU-Ländern, die Hartz IV-Leistungen beziehen. Nach einer Analyse des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung bei der Bundesagentur für Arbeit wuchs die Zahl der beschäftigten Rumänen und Bulgaren zwischen Juli 2013 und Juli 2014 von rund 164.000 auf etwa 253.000. Seit dem am 1. Januar die Arbeitnehmerfreizügigkeit für Bürger dieser Staaten in Kraft getreten ist, sei die Arbeitslosenquote unter Rumänen und Bulgaren von 11,4 Prozent auf 9,2 Prozent gesunken. Abzüglich der Auswanderer seien seit Anfang des Jahres 100.000 Menschen aus den beiden Staaten nach Deutschland gezogen.
Gleichzeitig registrierten die Jobcenter der Zeitung zufolge einen Zuwachs an Hartz-IV-Empfängern. Im Juli vergangenen Jahres hätten etwa 37.800 Rumänen und Bulgaren das Arbeitslosengeld II erhalten, im Juli 2014 seien es 66.500 gewesen. Die sogenannte Armutszuwanderung von Bulgaren und Rumänen hat seit Ende vergangenen Jahres immer wieder zu heftigen Debatten geführt.

Weiteres wichtiges Hartz-IV-Urteil: Verwandte müssen aussagen

Verwandte haben in Hartz-IV-Verfahren vor Sozialgerichten anders als in Strafprozessen kein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht. Das hat das Landessozialgericht NRW in Essen am Montag bekanntgegeben. Wenn es um Vermögensangelegenheiten der Familie gehe, müssten die Verwandten als Zeugen Auskunft geben. Darunter falle auch die Frage, über welches Einkommen und Vermögen eine Bedarfsgemeinschaft verfügt. Die Beschlüsse sind rechtskräftig. (L 19 AS 1880/14 B; L 19 AS 1906/14 B) Im konkreten Fall hatten die Mutter und der Stiefvaters eines Kölner Langzeitarbeitslosen die Aussage verweigern wollen. Der Arbeitslose hatte Leistungen zur Sicherung seines Lebensunterhalts beantragt. Das Jobcenter Köln hatte dies abgelehnt: Das Einkommen seines Stiefvaters decke auch den Bedarf des Klägers. Der Arbeitslose hatte gegen die Entscheidung geklagt. Vor Gericht hatten seine Eltern sich dann vergeblich auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen. (Reuters/epd/dpa)

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