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EU-Abgeordnete im Plenum in Straßburg

© dpa

EU-Parlament: Der große Reisezirkus zwischen Brüssel und Straßburg

Die EU-Parlamentarier nennen es nur "Stressburg" - denn einmal im Monat müssen sie mit Sack und Pack in die französische Stadt reisen, weil dort dann die Plenarwochen stattfindet. Lange konnten sie daran nichts ändern - bis ihnen eine neue Strategie einfiel.

Von Tür zu Tür sind es rund 440 Kilometer. Die einen nehmen das Auto, andere den Bummelzug über Luxemburg oder den TGV via Paris – die Akten und das Büromaterial der Abgeordneten wird mit einer gewaltigen Lastwagenkolonne transportiert. Einmal im Monat geht das so, wenn das Europaparlament von Brüssel, wo die Ausschusssitzungen und die Alltagsarbeit stattfindet, zur Plenarwoche nach Straßburg aufbricht. „Stressburg“ sagen viele Parlamentarier, die den Reisezirkus leid sind.

Teuer ist er für die europäischen Steuerzahler ohnehin. Schätzungen gehen von jährlichen Kosten in Höhe von 204 Millionen Euro aus.

Umweltverschmutzung inklusive

Und auch die Umwelt wird belastet – mit rund 19 000 Tonnen CO2, die zusätzlich ausgestoßen werden.

Seit Jahren gibt es eine Mehrheit im Europaparlament dafür, diesen Zustand zu beenden – für das aus ihrer Sicht nähere Straßburg plädieren unter den deutschen Abgeordneten vor allem jene aus Bayern und Baden-Württemberg. Nicht zuletzt profitiert auch Kehl auf der anderen Rheinseite von den zusätzlichen 4000 Übernachtungsgästen allein aus dem Parlamentsbetrieb, Journalisten und Lobbyisten sind da noch gar nicht eingerechnet. In der Hauptsache aber ist es natürlich Frankreich, das eine Änderung des Status Quo verhindert.

Es bedarf der Einstimmigkeit, um das Thema im Rat der 28 Regierungen überhaupt zu behandeln. Jeder Staatspräsident in Frankreich, der Straßburg opfere, könne gleich politischen Selbstmord begehen, heißt es. So klagte Paris etwa vor dem Europäischen Gerichtshof, als das Parlament 2012 lediglich elf statt zwölf Plenarsitzungen in Straßburg abhielt – und bekam Recht.

Symbol für Reformunfähigkeit?

Nun ändert das Europaparlament seine Strategie. Es verzichtet auf die Reizwörter „Brüssel“ oder „Straßburg“ und fordert in einem Bericht, der am Mittwoch mit Mehrheit verabschiedet wurde, das Recht, selbst über seine Organisationsform entscheiden zu dürfen. Dazu müsste der EU-Vertrag geändert werden, der Straßburg in einem Zusatzprotokoll als Sitz festgelegt hat.

Eine solche Vertragsänderung „einzuleiten“ verpflichtet sich jetzt das Europaparlament – wenn es als Konsequenz aus der Krise nach der Europawahl nicht ohnehin geschieht. „Wir befreien uns damit aus der Gefangenschaft des Rates“, sagt der Grünen-Abgeordnete Gerald Häfner, der den Bericht erarbeitet hat. „Straßburg ist zu Recht ein Symbol der Versöhnung zwischen Deutschland und Frankreich. Wir müssen aber aufpassen, dass Straßburg nicht zum Symbol der Reformunfähigkeit in der Europäischen Union wird.“

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