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Die AFD-Vorsitzende Frauke Petry neben der Vorsitzenden des französischen Front National (FN), Marine Le Pen in Koblenz.

© dpa

ENF-Treffen in Koblenz: Europas Rechtspopulisten wählen Trump zum Vorbild

Beim Treffen in Koblenz sprechen Europas Rechtspopulisten vom Ende der EU – und wollen Regierungsverantwortung in ihren Ländern übernehmen. Frauke Petrys Teilnahme ist in der AfD umstritten.

Vor einem Jahr hätte Frauke Petry einen solchen Auftritt noch ausgeschlossen. Sie fand, der Front National passe nicht zur AfD. Doch die Zeiten haben sich geändert. Und so läuft die AfD-Chefin nun unter lautem Jubel gemeinsam mit der Front-National-Vorsitzenden Marine Le Pen in den Saal. Die Szene ist in blaues Licht getaucht, Fahnen werden geschwenkt, es spielt heroische Musik. Das hier ist der ganz groß inszenierte Schulterschluss. Der erste gemeinsame Auftritt der beiden Frauen in Deutschland.

Zur Konferenz der ENF-Fraktion im EU-Parlament sind die Granden des europäischen Rechtspopulismus nach Koblenz gereist: neben Le Pen und Petry unter anderem Geert Wilders, der Vorsitzende der niederländischen Freiheitspartei PVV und Harald Vilimsky von der österreichischen FPÖ. In der Einladung kündigte man nicht weniger an als die „Spitzenpolitiker des neuen Europas“, die kurz davor stünden, „in ihren Ländern Regierungsverantwortung zu übernehmen“.

Und genau das wird auch tatsächlich in Koblenz immer wieder propagiert: Le Pen als nächste französische Präsidentin, die PVV als stärkste Kraft bei den Parlamentswahlen in den Niederlanden – und FPÖ-Mann Vilimsky sieht Frauke Petry schon als deutsche Bundeskanzlerin. Ein von ihnen geleitetes Europa werde „das beste Europa sein, das wir jemals hatten“, ruft Marcus Pretzell, Petrys Ehemann, AfD-Vorsitzender in NRW und Organisator der Konferenz zu Beginn in den Saal. Hier fühlt man sich auch bestärkt vom Wahlsieg Donald Trumps in den USA.

Es gehört schon Hybris dazu, sich so zu präsentieren. Zumal eine Regierungsbeteiligung der AfD beim besten Willen nicht absehbar ist. Aber hier geht es um Außenwirkung, es geht darum, Stärke zu zeigen – und der Europäischen Union den Kampf anzusagen. „Die EU vom Kopf auf die Füße zu stellen und den Euro zu beenden – dafür braucht es Partner“, sagt Pretzell.

Aber nicht nur Partner, auch Gegner haben die Politiker in Koblenz genug: Draußen wird heftig protestiert. Mehr als 5000 Demonstranten sind vor Ort, die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer hat eine Rede vorbereitet und SPD-Chef Sigmar Gabriel will ebenfalls ein Zeichen setzen. Für die Redner in der Halle nur eine weitere Vorlage, sich zu inszenieren: „Wer sich anlegt mit unserer Frauke oder unserer Marine, der legt sich mit uns allen an“, droht Vilimsky. „Ihr werdet sehen, dass mit dieser Gemeinschaft nicht gut Kirschenessen ist.“

Rhetorisch stark ist vor allem der Auftritt von Le Pen. Schon als der Moderator sie als „die Frau mit dem schönsten Lächeln Frankreichs“ ankündigt, brandet im Saal Jubel auf. Schilder mit der Aufschrift „Marine“ gehen in die Höhe. Le Pen hält ihre Rede auf Französisch, deutsche Untertitel werden eingeblendet. „Wir erleben das Ende einer Welt und die Geburt einer neuen“, ruft sie. „2017 wird das Jahr sein, in dem die Völker des europäischen Kontinents erwachen.“

Verbreitete Ängste

Auch Geert Wilders klingt, als drohe die Abschaffung der Nationalstaaten. „Wir werden uns befreien. Wir werden unsere Länder wieder groß machen.“ Er spricht von einem patriotischen Frühling und wettert gegen den Islam. Dieser bedrohe die Werte Europas, die Gleichberechtigung von Mann und Frau, die Meinungsfreiheit und die Toleranz gegenüber Homosexualität. Blonde Frauen hätten Angst ihre Haare zu zeigen. „Wir wollen nicht, dass Deutschland oder irgendein anderes Land sich selbst abschafft.“

Wer sich am Rande der Konferenz umhört, merkt, dass diese Ängste durchaus verbreitet sind. „In Zukunft sollen wir nicht mehr Deutsch sein, sondern nur noch Europäer“, sagt ein AfD-Mitglied, das zuvor mehr als 30 Jahre in der CDU war. Der Islam, davon ist er überzeugt, verbreite sich schnell und Muslime hätten kein Problem damit „Ungläubige“ zu bestehlen.

Immer wieder wird die Bundeskanzlerin als Urheberin einer „unkontrollierten Masseneinwanderung“ dargestellt, begleitet von kurz aufbrandenden „Merkel muss weg“-Rufen. Wenn sich eines bei dieser Konferenz zeigt, dann dass es tatsächlich genügend Gemeinsamkeiten zwischen den Parteien gibt. Ihre Botschaft: Zusammen können wir uns vom Joch der EU befreien.

Frauke Petry selbst wirkt in ihrer Rede anfangs seltsam zurückhaltend. Erst als sie der Bundesregierung und den EU-Behörden vorwirft, die Bürger einer „Gehirnwäsche“ zu unterziehen, bekommt auch sie stürmischen Applaus. „Am Anfang haben die Kommissare nur die Krümmung der Gurke normiert. Am Ende würden sie gern unsere Gedanken normieren“, wettert sie.

Für einige ihrer Parteifreunde ist Petrys Teilnahme eine Provokation. Den Parteivorstand hatte sie informiert, aber nur wenige Stunden bevor die Veranstaltung öffentlich gemacht wurde. Zu denen, die Petrys Teilnahme für falsch halten, gehören ihr Ko-Parteichef Jörg Meuthen und auch der Berliner AfD-Chef Georg Pazderski, dem der Front National zu „sozialistisch“ ist.

Dass sich Petry an die Seite der französischen Rechtsextremen stellt, lässt Kalkül für den innerparteilichen Machtkampf vermuten. Manche in der Partei glauben, sie wolle sich weitere Unterstützer sichern und ihren Konkurrenten, den nationalistischen Björn Höcke, rechts überholen. Nach dessen umstrittener Dresdner Rede dürfte das zwar schwer werden. Doch die große Aufmerksamkeit, die sich Frauke Petry für ihren Auftritt gewünscht hat, hat sie bekommen.

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