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Das Atommüll-Lager in der Asse ist marode. Die Suche nach einem geeigneten Ort für strahlenden Abfall wird lange dauern.

© Jochen Lübke, dpa

Endlager-Suche: Für die Ewigkeit

Tausende Tonnen radioaktiven Abfalls müssen sicher gelagert werden. Jetzt wird systematisch nach einem geeigneten Ort gesucht. Wie läuft das ab?

Nach jahrelangem politischen Vorgeplänkel soll die Suche nach einem Endlager für den hochradioaktiven Müll jetzt richtig starten.

Warum braucht es ein Endlager?

Beim Betrieb von Atomkraftwerken entsteht täglich hochgiftiger, radioaktiver Abfall. In Deutschland liegen hunderttausende Tonnen Atommüll in Zwischenlager-Hallen, in den Abklingbecken der Atomkraftwerke oder in ehemaligen Salzbergwerken. Ein kleinerer Teil landete – und landet immer noch – mit Abluft und Abwasser der Atomanlagen nicht rückholbar in der Umwelt. Für die schwach und mittelradioaktiven Abfälle ist mit der früheren Eisenerzgrube Schacht Konrad in Salzgitter ein Endlager im Bau. Es darf laut Genehmigungsbescheid aber keinen hochradioaktiven Müll aufnehmen. Für diesen wird nun nach einer unterirdischen Lagerstätte in allen infrage kommenden Gesteinsformationen (Salz, Ton, Granit) gesucht. Der Atommüll soll 500 Jahre lang zugänglich bleiben und gegebenenfalls zurückgeholt werden können.

Welche Risiken birgt ein Endlager?

Auf bis zu 340 Billiarden Becquerel beläuft sich das radioaktive Inventar eines einzigen Castor-Behälters mit abgebrannten Brennelementen. Das entspricht fast sechs Hiroshima- plus sechs Nagasaki-Atombomben. In rund einem Dutzend Zwischenlagern stehen insgesamt mehr als 400 solcher Castoren. Hinzu kommen etwa 120 Castoren mit in Glas eingeschmolzenen Abfällen aus Wiederaufarbeitungsanlagen sowie 450 Behälter mit kugelförmigen Brennelementen. Tausende Brennelemente warten noch in den Abklingbecken der Akw darauf, in Castoren verpackt zu werden. Acht Atomkraftwerke produzieren jeden Tag immer neuen Müll. Die größte Gefahr in einem Endlager besteht darin, dass die radioaktiven Abfälle mit Wasser in Kontakt kommen und so in die Biosphäre gelangen. In das marode Atomlager Asse läuft seit Jahren Wasser, die Grube wird instabil und droht einzustürzen, die Abfälle sollen deshalb geborgen werden. Der Atommüll muss eine Million Jahre sicher verwahrt werden – so lange dauert es, bis die Radioaktivität weitgehend abgeklungen ist.

Weshalb wird darüber schon so lange diskutiert?

Eben wegen der Langlebigkeit radioaktiver Stoffe und der Gefahr, die von ihnen ausgeht. In der Vergangenheit wurde ausschließlich der Salzstock im niedersächsischen Gorleben geprüft. Der Standort ist wissenschaftlich und politisch heftig umstritten. Deshalb hat sich die Politik auf einen Neustart bei der Endlagersuche verständigt. Eine vom Bundestag eingesetzte Expertenkommission schuf in den vergangenen Jahren die Grundlage für ein neues Standortauswahlgesetz. Auch in anderen Ländern dauert die Suche schon sehr lange. Fortgeschrittener als in Deutschland sind die Verfahren in Schweden, Finnland und – mit Abstrichen – der Schweiz.

Welche neue Phase beginnt jetzt?

Die neu ins Leben gerufene Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) hat dieser Tage die geologischen Behörden der Bundesländer um Übermittlung bereits vorhandener Gendaten gebeten – das sind vor allem tektonische, bergtechnische und hydrogeologische Informationen. Nach der Auswertung will die BGE gezielt weitere Daten zu den für ein Endlager infrage kommenden Wittgensteiner Salz, Ton und Granit abfragen. Daraus sollen geologische Suchräume ermittelt und in einem sogenannten Teilgebiete-Bericht zusammengefasst werden. In den folgenden Phasen werden die Gebiete anhand der Ausschlusskriterien, der Mindestanforderungen sowie der Abwägungskriterien immer mehr eingeengt. Zunächst werden Standortregionen für die oberirdische Erkundung bestimmt, danach die Standorte für die unterirdische Erkundung. Schließlich erfolgt die Festlegung eines Standortes. Am Ende jeder Phase steht ein Bundesgesetz, es entscheidet das Parlament.

Was kostet das und wer zahlt dafür?

Weil Dauer und Umfang der Suche nach einem Endlager sowie des späteren Baus und Betriebs nicht absehbar sind, gibt es keine belastbaren Schätzungen. Bundesregierung und Energiekonzerne haben sich aber darauf verständigt, dass die Unternehmen gut 24 Milliarden Euro an einen staatlich kontrollierten Fonds überweisen und sich damit von allen weiteren Verpflichtungen freikaufen. Die Zahlung ist inzwischen erfolgt. Für Mehrkosten muss der Bund aufkommen, also der Steuerzahler. Die 24 Milliarden setzen sich aus den Rückstellungen, die die Konzerne für diesen Teil des Atomausstiegs gebildet hatten, und einem Risikozuschlag von 35 Prozent zusammen. Eon, RWE, EnBW und Vattenfall müssen allerdings auch die Kosten für die Stilllegung und den Abriss der Akw sowie für die Verpackung des Atommülls übernehmen.

Wann soll die Suche abgeschlossen sein?

Nach dem Willen von Regierung und Parlament soll die Errichtung des Endlagers bis 2050 abgeschlossen sein. Zumindest hat Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) diese Vorgabe immer wieder bekräftigt. Andere Politiker wie Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) halten den Zeitplan für unrealistisch. Er rechnet erst im „letzten Drittel des Jahrhunderts“ mit einer Inbetriebnahme des Endlagers.

Wie transparent ist das Verfahren?

Bundesregierung, Bundestag und die beteiligten Behörden haben ein ergebnisoffenes, transparentes und „lernendes“ Verfahren versprochen, in dem mögliche Fehlentscheidungen immer wieder korrigiert werden könnten. Um die Öffentlichkeit zu beteiligen, wurden oder werden allerlei Gremien ins Leben gerufen. Bereits konstituiert hat sich ein „Nationales Begleitgremium“. Es besteht zurzeit aus sechs vom Parlament berufenen Persönlichkeiten und drei sogenannten „Zufallsbürgern“. Bis 2018 sollen neun weitere Mitglieder hinzukommen. Sobald Teilgebiete für die Suche vorgeschlagen werden, beruft der Bund die „Fachkonferenz Teilgebiete“ ein, an der Bürger, Gemeindevertreter und Experten teilnehmen. Wenn die Standorte für die oberirdische Erkundung feststehen, kommen „Regionalkonferenzen“ und ein „Rat der Regionen“ hinzu. Das Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE) richtet zudem eine Internetplattform ein. Dort sollen viele Unterlagen zum Auswahlverfahren zur Verfügung gestellt werden, etwa Gutachten, Datensammlungen und Berichte. Bestimmte Auswahlschritte können überdies beklagt werden. Klagebefugt sind die betroffenen Grundstückseigentümer, Gebietskörperschaften und Vereinigungen nach dem Umweltrechtsbehelfsgesetz.

Sind Proteste zu erwarten?

Sehr wahrscheinlich. Das Ausmaß wird aber davon abhängen, ob die Versprechen gehalten werden, das Suchverfahren wirklich transparent bleibt und der Bevölkerung echte Mitspracherechte eingeräumt werden.

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