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Sicherheitskräfte vor dem Stadion in Dortmund.

© Reuters

Update

Dortmund: Festgenommener offenbar nicht an BVB-Anschlag beteiligt

Nach dem Sprengstoffanschlag auf den Mannschaftsbus von Borussia Dortmund verdächtigten die Ermittler einen 26-jährigen Salafisten aus Wuppertal. Nun beantragten sie Haftbefehl - wegen IS-Mitgliedschaft.

Von Frank Jansen

Bei dem in Wuppertal festgenommenen Salafisten gibt es keinen Hinweis auf eine Beteiligung am Anschlag auf den den BVB-Bus. Das teilte die Bundesanwaltschaft am Donnerstag mit. Jedoch sei gegen den 26-jährigen Iraker Abdul Beset A. Haftbefehl wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in der Dschihadistenorganisation Islamischer Staat (IS) beantragt worden. "Die Ermittlungen haben bislang keinen Beleg dafür ergeben, dass der Beschuldigte an dem Anschlag beteiligt gewesen ist", hieß es weiter von der Anwaltschaft.

Laut Bundesanwaltschaft soll der 26-jährige Beschuldigte sich spätestens Ende 2014 im Irak dem IS angeschlossen haben. Den Erkenntnissen zufolge führte er dort das Kommando über eine Einheit von etwa zehn Personen. Aufgabe seiner Einheit war es demnach, Entführungen, Verschleppungen, Erpressungen und auch Tötungen vorzubereiten. Der Beschuldigte wird am Donnerstagmorgen dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt, der über den Erlass eines Haftbefehls und die Anordnung von Untersuchungshaft entscheiden wird.

Die Polizei hatte am Mittwoch die Wohnung des Mannes durchsucht. Auch die Räume eines Islamisten nahe dem westfälischen Unna wurden kontrolliert. Keine Informationen gab es zunächst darüber, ob die beiden Männer schon straffällig waren und in welcher Beziehung sie zueinander standen.

Der Anschlag hatte sich am Dienstagabend auf der Wittbräucker Straße in Dortmund ereignet. In der Höhe der Hausnummer 563, sagte die Bundesanwaltschaft, seien die drei mit Metallstiften gespickten Sprengsätze detoniert. Sie hätten hinter einer Hecke gelegen. Im Bus barsten mehrere Scheiben, der hinten sitzende BVB-Spieler Marc Bartra wurde am rechten Unterarm schwer verletzt. Die Spieler hatten noch Glück im Unglück. Die Explosion der Sprengsätze wurde durch die Hecke etwas gedämpft. Bartra bleibt der einzige Verletzte im Bus. Einer der Metallstifte bohrte sich in die Kopfstütze eines Sitzes im Bus, traf aber keinen der im Bus sitzenden Männer. Ein Polizist, der auf einem Motorrad den Bus begleitet, erleidet ein Knalltrauma und einen Schock.

Noch in der Nacht fand die Polizei am Tatort drei gleichlautende Exemplare eines Bekennerschreibens. Der anonyme Verfasser erwähnt „im Namen Allahs“ den Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt, beschimpft Bundeskanzlerin Angela Merkel und behauptet, Sportler und weitere Prominente „in Deutschland und anderen Kreuzfahrer-Nationen“ stünden auf einer Todesliste der Terrormiliz „Islamischer Staat“. Gefordert wird zudem, Deutschland solle seine Tornado-Kampfflugzeuge aus Syrien abziehen und der US-Luftwaffenstützpunkt im rheinland-pfälzischen Ramstein müsse geschlossen werden.

Wie professionell war die Ausführung der Tat?

Sicherheitskreise sprechen von selbstgebastelten Sprengsätzen. Im Fachjargon sind das „USBV“, unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtungen. Die drei in Dortmund werden als „erstaunlich professionell“ eingestuft. Laut Bundesanwaltschaft hatten die Sprengsätze „eine Sprengwirkung von 100 Metern“. Die Explosion erfolgte exakt in dem Moment, als der Bus an der Hecke vorbeifuhr. Das bedeute, der oder die Täter hätten den Weg des Fahrzeugs vom Hotel zum Stadion ausgespäht.

Für den Anschlag sei offenbar bewusst die Hecke gewählt worden, da die Sprengsätze dort von der Straße aus nicht sichtbar und damit nicht so leicht zu entdecken waren. Der Anschlag sei womöglich von jemandem vorbereitet worden, „der sich damit auskennt“, sagen Sicherheitsexperten. Dafür spreche auch, dass die Sprengsätze mit Metallstiften präpariert wurden.

Unklar ist allerdings, welchen Zündmechanismus der oder die Täter eingesetzt haben. Sicherheitsexperten vermuten, die Sprengsätze könnten über ein Handy gezündet worden sein. Auch die Art des Sprengstoffs müssen die Kriminaltechniker der Polizei noch analysieren. Zusammengeklebte Pollenböller sollen es jedenfalls nicht gewesen sein.

Wer ist verantwortlich?

Das Bekennerschreiben hat einen islamistischen Duktus. Der ist allerdings holprig. „12 ungläubige wurden von unseren Gesegneten Brüder in Deutschland getötet. Aber anscheinend scherst du dich Merkel nicht um deinen kleinen dreckigen Untertanen“, steht auf dem Zettel, der am Tatort gefunden wurde. Der primitive Schreibstil und der vergleichsweise professionelle „Modus operandi“ der Tat passten zumindest auf den ersten Blick nur schwer zusammen, sagen Sicherheitsexperten. Andererseits habe gerade die Terrormiliz IS, die im Bekennerschreiben erwähnt wird, viele schlichte, aber gleichwohl brutale Gemüter in ihren Reihen, die mit Waffen und Sprengstoff umgehen können.

Was spricht für ein False-Flag-Attack?

Zunächst schlossen Sicherheitsexperten nicht aus, das Bekennerschreiben könnten rechte oder vielleicht auch linke Extremisten erstellt haben, um Islamisten oder auch ausländische Muslime überhaupt zu diskreditieren. Die ungelenke Sprache sei möglicherweise ein Fake, hieß es. Das Bundeskriminalamt sagte allerdings schon am frühen Donnerstagmorgen in einer kurzen Analyse, es müsse davon ausgegangen werden, dass der Täter oder die Tätergruppierung in der Lage sei, Sprengsätze herzustellen und diese im Sinne der Ideologie des IS „gegen Ungläubige in Deutschland einzusetzen“. Doch sicher ist ein islamistischer Hintergrund weiterhin nicht.

Es sei für militante Islamisten ungewöhnlich, altmodisch Bekennerschreiben an einem Tatort zu deponieren, sagen Sicherheitskreise. Das könnte eher zu Rassisten passen. Es falle zudem auf, dass Angela Merkel in dem Schreiben genannt werde. Die Kanzlerin sei seit der Öffnung der Grenzen für Flüchtlinge im Spätsommer 2015 eine zentrale Hassfigur für Rechtsextremisten und –populisten.

Eine offenkundige False-Flag-Aktion ist das von der islamfeindlichen Website PI-News präsentierte Bekennerschreiben eines Unbekannten, der sich nur „Antifa“ nennt und . Das Pamphlet war zunächst anonym auf der linksextremen Website „linksunten.indymedia.org“ eingestellt worden.

Dass die linke Antifa-Bewegung in irgendeiner Weise für den Anschlag verantwortlich sein könnte, halten Sicherheitskreise jedoch für abwegig. Schon wegen der Sprache im Bekennerschreiben. Da ist von „Rassist_innen“, „Nazi_innen“ und „Mensch_innen“ die Rede. Wahrscheinlich wird linker, politisch korrekter Duktus imitiert – „allerdings so übertrieben, dass es unglaubwürdig wirkt“, sagen Sicherheitskreise. Vermutlich wollten Rechtsextremisten der ebenfalls verhassten Antifa einen Anschlag unterschieben. (mit dpa)

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