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EU-Parlamentschef Martin Schulz.

© REUTERS

EU-Parlamentspräsident: K-Fragen will Martin Schulz nicht hören

Was wird aus dem Chef des Europäischen Parlaments? Die Konservativen wollen Martin Schulz ablösen. Der Sozialdemokrat hält sich alle Optionen für seine Zukunft offen.

Die europäische Flüchtlingskrise, die EU-Vereinbarung mit der Türkei, der Brexit – die Liste von Themen, die Martin Schulz an diesem Donnerstagvormittag vor Journalisten in Berlin abarbeitet, ist lang. Aber es gibt noch eine andere Frage, die den Politikbetrieb in der Hauptstadt umtreibt: Will Schulz lieber in Brüssel bleiben oder möchte er nach Berlin?

Die Chancen des SPD-Politikers Schulz, auch über den kommenden Januar hinaus EU-Parlamentschef zu bleiben, sind seit der vergangenen Woche gesunken. Seit die konservative EVP-Fraktion im EU-Parlament bekanntgab, dass sie bei der Wahl des Straßburger Parlamentspräsidenten Anfang kommenden Jahres jemanden aus den eigenen Reihen auf den prestigeträchtigen Posten hieven will, sieht es nicht mehr so gut aus für Schulz’ Karriereplanung in der EU.

Er will offenbar gerne noch eine weitere Amtszeit als Parlamentspräsident dranhängen, und bei diesem Vorhaben bekommt er aus den Reihen der Sozialdemokraten in Brüssel und Straßburg Rückendeckung mit folgendem Argument: Es könne ja wohl nicht angehen, dass bei der Wahl eines EVP-Kandidaten zum Parlamentschef dann drei europäische Spitzenämter fest in konservativer Hand seien. Schließlich kämen ja auch Kommissionschef Jean-Claude Juncker und EU-Ratschef Donald Tusk aus den Reihen der EVP.

An diesem Vormittag in Berlin, wo Schulz auf dem Weg zur britischen Premierministerin Theresa May in London einen Zwischenstopp eingelegt hat, erklärt Schulz angesichts der Gedankenspiele zur europapolitischen Farbenlehre, dass er „über die Zukunft von Kollegen an der Spitze anderer europäischer Institutionen hier nicht spekuliere“. Und was will er über seine eigene Zukunft preisgeben? In der Öffentlichkeit, antwortet er, komme seine Arbeit als Parlamentspräsident gut an. Und dann fügt er scherzhaft an, „dass es schlimmere Beleidigungen im Leben gibt als wenn Leute sagen: du machst deine Arbeit gut“. Das kann man als Bekräftigung seines Wunsches verstehen, in Brüssel zu bleiben.

Rätselraten um Schulz' politische Zukunft geht weiter

In Berlin gibt es nun wieder andere, die der Auffassung sind, dass Schulz durchaus das Zeug hätte, anstelle von Sigmar Gabriel SPD-Kanzlerkandidat zu werden oder zumindest ein wichtiges Amt nach der Bundestagswahl im kommenden Jahr zu übernehmen. Aber auch durch die Frage, ob er demnächst lieber EU-Parlamentspräsident oder SPD-Kanzlerkandidat wäre, lässt sich Schulz nicht aus der Reserve locken.

Die geballte europapolitische Agenda vom Brexit bis zur Flüchtlingskrise, antwortet er, zeige doch eines: „Egal wer auch immer, egal wo, Verantwortung trägt, muss sich mit diesen Themen auseinandersetzen.“ Nach einem Dementi seiner Berliner Ambitionen hört sich das nicht gerade an. Das Rätselraten um die politische Zukunft von Martin Schulz geht also weiter.

Schulz lässt kein Blatt Papier zwischen sich und Gabriel

Bemerkenswert ist immerhin, mit welcher Entschiedenheit der 60-Jährige bei seinem Auftritt in Berlin den nicht immer gradlinigen Kurs des Vizekanzlers und SPD-Chefs verteidigt. Gabriels überraschende Einschätzung, dass das geplante EU-Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) de facto gescheitert sei, will er zwar nicht wortgleich wiederholen. Doch glaubt auch Schulz nicht, dass es bis zur Amtseinführung der Nachfolgerin oder des Nachfolgers des amtierenden US-Präsidenten Barack Obama im kommenden Januar einen Abschluss bei TTIP geben wird: „Ich habe da angesichts der tatsächlichen Verhandlungslage meine Zweifel.“

Auch an Gabriels Besuch beim russischen Präsidenten Wladimir Putin, der ausgerechnet zum Zeitpunkt der erneuten Eskalation im Syrien-Krieg stattfand, hat Schulz nichts auszusetzen. Der Schlüssel für eine Lockerung der EU-Sanktionen liege ohnehin in Moskau, betont der Parlamentspräsident. Und was Gabriels Visite bei Putin anbelange, so sei es doch richtig, wenn man auslote, ob man bestehende Differenzen im Verhältnis zu Moskau überwinden könne, indem man die Gemeinsamkeiten vertiefe. Das sei doch ein „Grundrezept der internationalen Politik“.

Schulz versteht es, derart diplomatisch abgewogene Formeln mit einer bodenständigen Haltung zu verbinden, die ihm auch in Brüssel nicht abhanden gekommen zu sein scheint. Dass er sich gleich zu Beginn seiner Berliner Stippvisite vernehmlich räuspern muss, entschuldigt er damit, dass er als Fan des 1. FC Köln am Vorabend beim Auswärtserfolg etwas heiser geworden sei. Brüssel hin, Berlin her: Bei Schulz’ Unterstützung für den Kölner Bundesligaverein gibt es immerhin kein Vertun.

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