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Mit zerstörten Wahlplakaten hat die AfD bereits zu kämpfen. Jetzt hat „Die Partei“ ihre Facebook-Fangruppen gekapert.

© imago/Müller-Stauffenberg

"Die Partei" infiltrierte Gruppen: Was der Cyberputsch gegen die AfD verrät

„Die Partei“ hat 31 AfD-nahe Gruppen auf Facebook infiltriert. Was als Spaß gedacht war, fördert nun ein bedenkliches System zutage.

Die Facebook-Gruppen tragen Namen wie „Heimat-Liebe“, „Dr. Frauke Petry - FanCLUB“ oder „AfD 51 % – Das ist unser Ziel!!!“. Bis zum vergangenen Wochenende waren sie geheim, geschlossen. Eingeladene AfD-Anhänger tauschten sich darin aus, in dem Glauben, nur Gleichgesinnte könnten mitlesen. Doch am Wochenende verkündete die Satirepartei „Die Partei“, sie habe 31 solcher Gruppen über Monate hinweg infiltriert, sich das Vertrauen der Administratoren erschlichen, die Kontrolle übernommen und schließlich den Modus geändert: auf öffentlich. Nun kann jeder sehen, was dort geschrieben wurde.

Es ist eine Aktion, die zunächst nach Spaß klingt, nach einem Streich, mit dem Satiriker die Rechtspopulisten ein bisschen ärgern wollten. Doch das, was am Ende dabei herauskam, finden selbst die Macher der Aktion nicht mehr lustig – allen voran Shahak Shapira. Der in Deutschland lebende israelische Schriftsteller, Aktionskünstler und Satiriker hatte das Ganze in einem Video öffentlich gemacht. Shapira fiel zuletzt mit einer Aktion vor der Hamburger Twitter-Zentrale auf. Dort sprühte er auf den Boden rassistische und antisemitische Tweets, die er zuvor dem sozialen Netzwerk zwar gemeldet hatte – die aber nicht gelöscht worden waren.

„Fake News, AfD-Werbung und Hetze“

Ähnlich fassungslos ist Shapira nun über das, was er in den geheimen Facebook-Gruppen hat mitlesen können. „Da verliert man den Glauben an die Menschheit“, sagte er dem Tagesspiegel. Doch es seien nicht nur die Inhalte, die ihn beunruhigen, sondern auch die Methode, mit der diese Gruppen gegründet und bespielt würden. Das passiere, so der Eindruck des Künstlers, oft automatisiert.

'Wir sind das Volk': Fake Profile, Meinungsroboter, Filterblasen.

schreibt NutzerIn Gophi

Insgesamt hatten die 31 infiltrierten Gruppen etwa 180.000 Mitglieder – darunter auffällig viele Männer zwischen 45 und 54 Jahren. Gegründet worden seien sie alle von denselben drei Fake-Profilen – also von Facebook-Konten, die mit einem falschen Namen und einem falschen Foto versehen sind. „Oft sind das Bilder von russischen oder ukrainischen Models. Die Fake-Profile verschicken haufenweise Freundschaftsanfragen, bis sie das Limit von 5000 Freunden erreicht haben“, sagte Shapira. Anschließend gründeten die Profile AfD-Fan-Gruppen und fügten ihre Freunde hinzu. Dem Tagesspiegel liegen Screenshots vor, die dieses System belegen.

Dazu kommt: „Die gleichen Inhalte werden dann innerhalb von wenigen Minuten in allen Gruppen geteilt.“ Für Shapira deutet das daraufhin, dass hier sogenannte Social Bots am Werk sind, also Meinungsroboter, die automatisiert Inhalte verbreiten. Zweifelsfrei nachzuweisen ist das nicht.

Sicher sei aber: Wer sich im Dunstkreis der AfD auf Facebook bewege, bekomme ständig Freundschaftsanfragen, werde zu Gruppen hinzugefügt und sehe dementsprechend die Inhalte, die darin geteilt werden. Das hält Shapira für gefährlich. Die Moderatoren der infiltrierten Gruppen seien zwar angehalten, besonders extreme Hetze zu löschen, aber eben auch AfD-kritische Inhalte. Vor allem „Fake News, AfD-Werbung und Hetze“ seien demnach in den Gruppen verbreitet worden. „Das ist dann alles, was man auf Facebook täglich sieht“, sagt Shapira.

In einer Gruppe sei beispielsweise ein Link zu einem Artikel geteilt worden, in dem darüber berichtet worden war, dass ein Vater und seine Kinder sich beim Verzehr von Waldpilzen eine Vergiftung zugezogen hatten. Die Familie war zuvor aus Syrien nach Deutschland geflüchtet. „Da kamen dann Kommentare wie ,Gut so’ oder ,Die kriegen doch eh genug Kinder’“, sagt Shapira. Ein anderer Nutzer habe eine Fotomontage von Adolf Hitler gepostet, der sich an den Kopf greift. Daneben der Spruch: „Islamisten..., die habe ich vergessen!“ Unter einem Artikel über Cem Özdemir kommentierte ein Gruppenmitglied: „Wieso lebt das Arschloch noch?“ Auch NPD-Werbung sei aufgetaucht.

AfD weist die Verantwortung von sich

Für die AfD sind die Gruppen ein mächtiges Instrument. Die Partei bestätigte deren Existenz, Spitzenkandidatin Alice Weidel räumte zudem ein, dass bei der Gründung Fake-Profile im Spiel gewesen seien. Gleichzeitig verweist die AfD darauf, dass sie die Gruppen nicht selbst gegründet habe, sondern AfD-Fans. Selbst wenn dabei Social Bots zum Einsatz gekommen sind, wäre die Partei somit aus der Verantwortung. Die AfD hatte stets betont, im Wahlkampf wie alle anderen Parteien auch, keine Meinungsroboter verwenden zu wollen.

Ganz unbeteiligt war die Partei dennoch nicht: Wie Screenshots zeigen, waren auch AfD-Mitglieder in den Gruppen als Moderatoren aktiv. Darunter laut Shapira der Vorsitzende des Kreisverbandes Speyer, der außerdem für die AfD-Fraktion im Mainzer Landtag arbeite.

Nachdem die geheimen Gruppen nun öffentlich geworden sind und die „Partei“ die Kontrolle darin übernommen hat, teilte der Landesverband Baden-Württemberg auf Facebook eine Liste aller gekaperten Foren und empfahl den sofortigen Austritt. Bundesvorstandsmitglied André Poggenburg sagte dem MDR, man werde sich im Bundesvorstand beratschlagen, ob man juristisch gegen die Macher der Aktion vorgehen will – die hätten das Logo der AfD missbraucht. Vielleicht werde man eine Unterlassungserklärung unterzeichnen lassen.

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