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Bemühter Umgang. Türkeis Außenminister Cavusoglu (rechts) begleitet Gabriel zum Nebenausgang des Hotels Adlon.

© dpa

Deutschland und die Türkei: Gabriel versucht, Grenzen aufzuzeigen - ohne großen Erfolg

Beim Besuch des türkischen Außenministers Cavusoglu in Berlin redeten er und Gabriel freundlich miteinander, doch die Differenzen können nicht ausgeräumt werden.

Von Hans Monath

In ruhigen Zeiten ist das diplomatische Protokoll bewährte Routine. Wenn aber das Verhältnis zweier Länder so belastet ist wie derzeit das deutsch-türkische, wird auch das Treffen zweier Außenminister zur Herausforderung: Nicht wie unter normalen Umständen im Auswärtigen Amt, sondern im Hotel Adlon trafen sich Sigmar Gabriel und Mevlüt Cavusoglu am Mittwoch in Berlin zum Gespräch. Der Gast begleitete den deutschen Vizekanzler immerhin noch zur Hintertür des Hotels, einer gemeinsamen Pressekonferenz aber stellte er sich nicht.

Stattdessen trat Gabriel später alleine im Auswärtigen Amt vor die Presse und zog eine rote Linie – nicht nur für Cavusoglu, sondern auch für andere AKP-Politiker. Die nämlich wollen vor Deutschtürken hierzulande Wahlkampf für das Referendum machen, mit dem Präsident Recep Tayyip Erdogan seine Macht ausbauen will. „Es gibt Grenzen, die man nicht überschreiten darf, und dazu gehört der Vergleich mit der Nazi-Zeit“, sagte Gabriel. Cavusoglu hatte wie zuvor schon Erdogan Deutschland wegen der Absage von Auftritten seiner AKP-Kollegen „Nazi-Methoden“ vorgeworfen.

Erdogan-Besuch weiter offen

Das Treffen sei „gut, ehrlich und freundlich im Umgang“ gewesen, wenn auch „durchaus hart und kontrovers in der Sache“, erklärte Gabriel. Über alle Differenzen und schwierigen Themen sei gesprochen worden. Dann pries der SPD-Politiker den Wert der deutsch-türkischen Freundschaft in höchsten Tönen. Und warb mit warmen, emotionalen Worten um die rund drei Millionen türkischstämmigen Menschen in Deutschland. Sie seien immer Brückenbauer gewesen, meinte er: „Ich finde, dass wir uns bei allen Schwierigkeiten, die wir heute haben, an die großartigen Erfolge dieser Freundschaft, die Zusammenarbeit, den Aufbau unseres Landes erinnern müssen.“ Dahinter steht die Sorge, dass jede weitere Eskalation des Streits nicht nur in der Außenpolitik Schaden anrichtet, sondern auch einen Keil zwischen die türkische Minderheit in Deutschland und die Mehrheitsgesellschaft treibt. Mit seinem türkischen Kollegen sei er sich einig gewesen, dass keiner ein Interesse daran habe, die Beziehungen beider Länder „nachhaltig zu beschädigen“, berichtete Gabriel. Der Außenminister muss allerdings zweifeln, dass sein Gast das Bekenntnis ernst meint: Cavusoglu hatte Ähnliches im direkten Kontakt schon zuvor versprochen – und später Deutschland ein „total repressives System“ genannt, das gezielt gegen die Türkei vorgehe.

Cavusoglu war da schon zu seinem nächsten Termin unterwegs – der Internationalen Tourismusbörse (ITB). Da der AKP-Politiker aus dem Ferienort Alanya stammt, weiß er um die Bedeutung deutscher Ferienreisender für sein Land. Elf Prozent steuert der Tourismus zur Wirtschaftsleistung bei. Und die Buchungen aus Deutschland sind im Jahr 2016 eingebrochen – vor allem aus Angst vor Terroranschlägen. Vor einer Eskalation des Konflikts mit der Türkei warnte der Deutsche Reiseverband (DRV). „Wir sehen jetzt sehr ungern, dass es jetzt diese Spannungen gibt“, sagte DRV-Präsident Norbert Fiebig: „Das ist nicht unbedingt geeignet, den Buchungstrend umzukehren.“

Cavusoglu spricht von „Tendenz zur Islamfeindlichkeit“

Der Gast hatte diese Botschaft entweder nicht gehört – oder der Wahlkampf für das Referendum scheint ihm wichtiger. Jedenfalls macht er auf der ITB vor der Presse seinem Gastland weiter Vorwürfe: Deutsche Politiker und Medien begegneten der Türkei zunehmend feindselig, klagte er. Auch sei eine „Tendenz zur Islamfeindlichkeit“ spürbar. Deutschland müsse sich entscheiden, ob es die Türkei „als Freund oder Feind“ betrachte.

Weiter sagte Cavusoglu: Er habe Gabriel eine Liste mit den Namen weiterer Minister vorgelegt, die demnächst kommen wollten, um Landsleute zu treffen. Ob auch Erdogan einen Wahlkampfauftritt in Deutschland absolvieren werde, stehe momentan noch nicht fest. Cavusoglu sagte, er habe mit Gabriel aber darüber gesprochen, welche Orte dafür möglicherweise infrage kommen könnten. Für die Linkspartei-Abgeordnete Sevim Dagdelen war diese Nachricht später Anlass, von einem „Riesenskandal“ zu sprechen.

Unterdessen warf der Verfassungsschutz Ankara wachsende Einflussnahme auf hier lebende Türken vor. Man beobachte „einen signifikanten Anstieg nachrichtendienstlicher Tätigkeiten der Türkei in Deutschland“, teilte das Bundesamt für Verfassungsschutz mit. Dabei geht es um das Ausspähen von Gegnern Präsident Erdogans, versuchte Einflussnahme, Propaganda und Desinformationskampagnen. „Wir sehen seit Langem, dass die Konflikte in der Türkei auch Auswirkungen auf die Sicherheitslage in Deutschland haben“, sagte Präsident Hans-Georg Maaßen. Es bestehe die Gefahr, dass die Stellvertreter-Auseinandersetzungen zwischen PKK-Anhängern und nationalistischen oder rechtsextremistischen Türken eskalierten. mit dpa

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