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Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), Hans-Georg Maaßen, muss sich bohrende Fragen gefallen lassen, denn zum Zeitpunkt des Todes von "Corelli" war der V-Mann im Schutzprogramm der Behörde.

© Michael Kappeler/dpa

Der Corelli-Krimi: War es Rattengift?

Die Geschichte um den 2014 gestorbenen V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz wird immer bizarrer - wurde er ermordet? Hätte der Geheimdienst das verhindern können?

Von Frank Jansen

Im NSU-Komplex mangelt es nicht an mysteriösen Geschichten – und sie wuchern weiter. Oft geht es um rechtsextreme V-Leute im tatsächlichen oder vermuteten Umfeld der Terrorzelle. Derzeit richten sich viele Fragen ans Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV). Vor allem im Fall des im April 2014 plötzlich in Paderborn an Diabetes gestorbenen Ex-V-Mannes Thomas R., Deckname „Corelli“. Erst wurden Pannen des BfV bekannt, jetzt gibt es womöglich sogar einen filmreifen Corelli-Krimi.

Der Rechtsmediziner Werner Scherbaum hat vergangenen Donnerstag vor dem NSU-Untersuchungsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags angedeutet, der Tod des früheren Spitzels könnte auch auf das Rattengift „Vacor“ zurückzuführen sein. Scherbaum korrigierte seinen Befund von 2014, in dem er ein Fremdverschulden beim Ableben Corellis ausgeschlossen hatte.

Damals hatte Scherbaum gesagt, es gebe keine Substanz, die eine „tödliche Hyperglykämie“ (Diabetes-Koma) auslösen könne. Inzwischen fand der Mediziner heraus, das Rattengift sei dazu geeignet. Die Erkenntnis könnte weitreichende Folgen haben.

„Wir prüfen eine Wiederaufnahme des Todesermittlungsverfahrens“, sagt der für den Fall zuständige Dezernent der Staatsanwaltschaft Paderborn, Ralf Meyer. Sollte Scherbaum ein geändertes Gutachten vorlegen, wovon auszugehen sei, werde die Staatsanwaltschaft eine toxikologische Untersuchung von noch vorhandenem Gewebe Corellis in Auftrag geben – nicht bei Scherbaum, der Diabetologe ist, sondern bei einem anderen Wissenschaftler. Meyer ist zuversichtlich, dass die Gewebereste für eine Analyse reichen; „die Proben sind tiefgefroren“. Ob allerdings das Rattengift noch nach zwei Jahren zweifelsfrei nachzuweisen wäre, lässt der Oberstaatsanwalt offen.

Sollte Corelli getötet worden sein, würde das BfV mit der Frage konfrontiert, ob es das nicht hätte verhindern können. Denn der Ex-Spitzel befand sich 2014 in einem Schutzprogramm der Behörde. Zuvor hatte er 18 Jahre lang, von 1994 bis zu seiner Enttarnung 2012, dem BfV aus der rechten Szene berichtet. Zumindest 1995 hatte er Kontakt zu dem späteren NSU-Mörder Uwe Mundlos, der drei Jahre später mit Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe untertauchte. Ob Corelli danach mit den dreien in Verbindung stand, ist unklar. 2005 brachte er dem BfV eine CD, in der ein „NSU“ genannt wird. Hinweise auf die Terrorzelle finden sich jedoch nicht. Das BfV wertete die CD allerdings auch erst viel später aus.

Zwiespältig erscheint zudem die Rolle des langjährigen V-Mann-Führers von Corelli: Der Beamte bunkerte in seinem Panzerschrank noch bis 2015 ein Handy und Simkarten des Ex-Spitzels. Und erst vor Kurzem erfuhr BfV-Chef Hans-Georg Maaßen, dass die Utensilien Corelli zuzuordnen sind. Der pikierte Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hat nun einen früheren Ministerialdirektor als Aufklärer zum BfV geschickt.

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