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Die Burka, hier ein Bild aus Afghanistan, sieht man in Deutschland so gut wie nie.

© AFP

Debatte über Vollverschleierung: Symbol für die Unterdrückung der Frau?

In der Debatte um Sicherheit wird weiter über ein „Burka-Verbot“ gestritten. Dabei geht es hier viel mehr um Traditionen, um Frauenrechte, um die Verfassung – und um verschiedene Kleidungsstücke.

Debatten über ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen oder Frauen in anderen öffentlichen Funktionen waren nur der Anfang. In der aktuellen Sicherheitsdebatte ist nun die Vollverschleierung in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt. Worum geht es dabei genau?

Die Debatte

Die Innenminister der Union aus den Ländern haben in der vergangenen Woche in Berlin gemeinsam mit Bundesinnenminister Thomas de Maizière (ebenfalls CDU) über Konsequenzen aus den jüngsten Terroranschlägen beraten. In ihrer „Berliner Erklärung“ treten sie dafür ein, eine Vollverschleierung im öffentlichen Dienst, in Kitas, Schulen, Universitäten und vor Gericht zu verbieten. Ein komplettes Verbot, wie es unter anderem der Berliner Innensenator Frank Henkel (CDU) gefordert hatte, ist zunächst einmal vom Tisch. Nicht nur de Maizière glaubt, dass dies rechtlich nicht durchsetzbar wäre. Die Debatte reißt dennoch nicht ab. Verschleierte Frauen sind bisher zwar weder als Straftäterinnen noch als Terrorverdächtige aufgefallen und stellen somit kein besonderes Sicherheitsrisiko dar. Die Verschleierung wird aber als Hinweis auf eine mangelnde Integrationsbereitschaft von Muslimen gewertet und gerät daher immer wieder in die Kritik. Die Zahl der voll verschleierten Frauen in Deutschland ist allerdings völlig unklar. Nicht einmal Experten wagen eine Schätzung.

Die Symbolwirkung

Die Burka ist ein Kleidungsstück, das in Afghanistan und Teilen Pakistans getragen wird. Sie ist die drastischste Form der Verschleierung.

In Afghanistan gehört die Burka zum Straßenbild. Doch nicht alle Frauen dort tragen sie.
In Afghanistan gehört die Burka zum Straßenbild. Doch nicht alle Frauen dort tragen sie.

© Ulrike Scheffer

Konkret handelt es sich um einen meist hellblauen Überwurf, unter dem Kopf und Körper der Trägerin verschwinden. Das ohnehin kleine Sichtfenster im Bereich der Augen wird durch ein Stoffgitter zusätzlich eingeschränkt. Frauen, die eine Burka tragen, können sich daher kaum umsehen und auch nicht erkennen, wo sie hintreten. Allerdings: In Deutschland ein Burkaverbot zu fordern, geht an der Realität völlig vorbei, denn es gibt bei uns praktisch keine Frauen, die eine Burka anziehen. Auch mit den vielen afghanischen Flüchtlingen, die im vergangenen Jahr nach Deutschland gekommen sind, hat sich daran nichts geändert. Afghaninnen tragen hier meist entweder Kopftuch oder sind gar nicht verschleiert. Auch in Afghanistan selbst gibt es viele Frauen, die sich mit einem locker gebundenen Kopftuch begnügen. Vor allem gebildete Frauen und solche, die einer Arbeit nachgehen, zeigen ihr Gesicht. Pflicht ist das Tragen der Burka ohnehin nicht. Faktisch sieht man in Afghanistan die Burka überwiegend bei Frauen aus armen Verhältnissen und in ländlichen Gebieten. Meist bestehen ihre männlichen Verwandten auf die Totalverschleierung, und ganz praktisch schützen sich die Frauen damit auch vor sexuellen und gewalttätigen Übergriffen.

Die Kritik

Wenn jetzt über ein Burkaverbot debattiert wird, geht es tatsächlich um jede Form der Verschleierung, die auch das Gesicht bedeckt. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte am Wochenende im Tagesspiegel-Interview gesagt: „Ich persönlich finde: In einer offenen und demokratischen Gesellschaft zeigt man sein Gesicht.“ Er sagt aber auch, man könne nicht alles verbieten, was einem nicht gefalle. „Ich habe mit vielen Verfassungsrechtlern gesprochen. Der Großteil hält ein allgemeines Verbot der Vollverschleierung für nicht verfassungsgemäß.“

Wenn eine Frau weiß, dass sie sich in unserer Gesellschaft weder verschleiern muss, noch von ihrem Ehemann zu irgendwas gezwungen werden kann, und trotzdem meint, sich verschleiern zu müssen, sind m.E. die staatlichen Einflussmöglichkeiten ausgeschöpft.

schreibt NutzerIn kyra

Nicht zuletzt der Berliner Innensenator Frank Henkel (CDU), der sich derzeit im Wahlkampf befindet, fordert dennoch weiter ein Vollverschleierungsverbot. „Die Burka ist ein Käfig aus Stoff“, sagt er. Sie sei mit der Stellung der Frau in Deutschland nicht vereinbar. Der Staatsrechtler und ehemalige Bundesverteidigungsminister Rupert Scholz, ebenfalls Mitglied der CDU, verweist zudem auf ein entsprechendes Verbot in Frankreich. Dort gilt eine Vollverschleierung als Ordnungswidrigkeit und wird mit einem Bußgeld bestraft. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die französische Regelung für zulässig erklärt. Omid Nouripour, Grünen-Politiker mit iranischen Wurzeln und Afghanistanexperte seiner Partei, ist dennoch gegen ein Verbot. „Dies würde die Integration der betroffenen Frauen nur noch weiter erschweren, denn ihre Männer würden sie dann nicht mehr aus dem Haus lassen“, sagte Nouripour dem Tagesspiegel.

Die Vollverschleierung

Wenn hierzulande über Vollverschleierung gesprochen wird, ist in der Regel nicht die Burka, sondern der Niqab gemeint.

Frauen mit Gesichtsschleier, Niqab genannt. Um ihn geht es vor allem in der deutschen Debatte.
Frauen mit Gesichtsschleier, Niqab genannt. Um ihn geht es vor allem in der deutschen Debatte.

© AFP

Dabei handelt es sich um einen schwarzen Gesichtsschleier, der mit oder ohne Stoffgitter getragen werden kann. Dazu ziehen Frauen meist einen ebenfalls schwarzen Mantel an. In Saudi-Arabien tragen Frauen oft zusätzlich Handschuhe, denn in dem islamischen Königreich gilt: Frauen sollten in der Öffentlichkeit Haare, Gesicht und Hände bedecken. Zwingend vorgeschrieben sind dort nach Auskunft der saudischen Botschaft in Berlin aber weder der Niqab noch Handschuhe. In anderen arabischen Golfstaaten sind Vollverschleierungen ebenfalls üblich. In Europa wird die Vollverschleierung vor allem mit Salafisten in Zusammenhang gebracht – radikalen Muslimen verschiedener Nationalitäten und deutschen Konvertiten, die für einen Gottesstaat eintreten und ihre Anhänger offen zur Gewalt aufrufen. Salafisten aus ganz Europa kämpfen auch in den Reihen des „Islamischen Staates“. Sicherheitsbehörden gehen von knapp 10 000 Salafisten in Deutschland aus. Bei den Frauen aus dem salafistischen Spektrum ist eine Vollverschleierung die Regel. Letztlich geht es vor allem um diese Frauen, wenn über ein Verbot der Vollverschleierung diskutiert wird. Frauen aus der Golfregion kommen hingegen meist nur als Touristinnen oder Diplomatengattinnen nach Deutschland. Auf deutschen Edeleinkaufsstraßen – etwa der Maximilianstraße in München – sind gerade jetzt sehr viele solcher Touristinnen unterwegs. Und weil sie für Umsatz sorgen, sind sie gern gesehen. Die CSU hat sich der Forderung nach einem Verbot der Vollverschleierung nicht angeschlossen.

Es gibt viele verschiedene Schleier

Neben Burka und Niqab gibt es weitere Schleierformen, die jeweils in bestimmten Regionen verbreitet sind. Der Tschador, ein schwarzer Umhang aus dem Iran etwa, bedeckt zwar den ganzen Körper, er lässt aber das Gesicht weitgehend frei.

Der Tschador wird im Iran getragen. Eine Vollverschleierung ist er aber nicht, denn das Gesicht bleibt frei.
Der Tschador wird im Iran getragen. Eine Vollverschleierung ist er aber nicht, denn das Gesicht bleibt frei.

© AFP

Auch der bis zur Taille reichende Chimar spart das Gesicht aus. Er kann zudem farbig sein. Verbreitet ist er unter anderem in Indonesien.

Beim Chimar reicht der Schleier meist bis zu Taille. Aber auch er verhüllt das Gesicht nicht.
Beim Chimar reicht der Schleier meist bis zu Taille. Aber auch er verhüllt das Gesicht nicht.

© Reuters

In Deutschland vorherrschend ist eindeutig der Hidschab, das eng gebundene Kopftuch ohne Gesichtsschleier, das auch als zweiteilige Variante mit einem Schultertuch getragen wird (Amira).

Auch in Deutschland sehr verbreitet: Der Hidschab, das klassische, eng gebundene Kopftuch. Die Variante mit Schultertuch heißt Amira.
Auch in Deutschland sehr verbreitet: Der Hidschab, das klassische, eng gebundene Kopftuch. Die Variante mit Schultertuch heißt Amira.

© AFP

Seit der Hidschab in der Türkei wieder erlaubt ist, sieht man auch in Deutschland vermehrt türkischstämmige Frauen mit Kopftuch. Der türkische Staatsgründer Kemal Atatürk, der die Türkei an den Westen heranführen wollte, hatte 1923 das Tragen von Kopftüchern in staatlichen Einrichtungen verboten; die islamische AKP von Präsident Erdogan hob das Verbot schrittweise auf. An Schulen, Universitäten und in türkischen Amtsstuben erscheinen inzwischen viele Frauen mit Kopftuch. Auch die Präsidentengattin zeigt sich nicht ohne Hidschab. Das färbt offenbar auf Deutschland ab. Rund 70 Prozent der in Deutschland lebenden Musliminnen verzichten aber auf eine Kopfbedeckung. Das belegt eine Studie des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge.

Klar ist: In der Türkei nimmt der soziale Druck zu, sich für das Kopftuch zu entscheiden. Viele Frauen tun das aber offenbar auch mit Begeisterung. So twitterte die türkische Modeschöpferin Elif Kavakci Ende 2015 das Bild einer kopftuchtragenden Richterin und sagte dazu der Deutschen Welle: „Dieses eine Bild steht für Jahre des Kampfes, das Vergießen von Tränen von Millionen Frauen, die Kopftuch tragen und die jahrzehntelang diskriminiert wurden.“

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